Ein Stelldichein

[20] So war's auch damals schon. So lautlos

verhing die dumpfe Luft das Land,

und unterm Dach der Trauerbuche

verfingen sich am Gartenrand

die Blütendünste des Hollunders;

stumm nahm sie meine schwüle Hand,

stumm vor Glück.


Es war wie Grabgeruch ... Ich bin nicht schuld!

Du blasses Licht da drüben im Geschwele,

was stehst du wie ein Geist im Leichentuch –

lisch aus, du Mahnbild der gebrochnen Seele!

Was starrst du mich so gottesäugig an?

Ich brach sie nicht! sie that es selbst! Was quäle

ich mich mit fremdem Unglück ab ...
[21]

Das Land wird grau; die Nacht bringt keinen Funken,

die Weiden sehn im Nebel aus wie Rauch,

der schwere Himmel scheint ins Korn gesunken.

Still hängt das Laub am feuchten Strauch,

als hätten alle Blätter Gift getrunken;

so still liegt sie nun auch.

Ich wünsche mir den Tod.


Quelle:
Richard Dehmel: Weib und Welt, Berlin 1896, S. 20-22.
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