Verhör

[105] Du liegst sehr blaß in deinen weißen Kissen,

und deine matten Lippen sind zerbissen;

hattest du sehr viel Schmerz? –

»Ich weiß nicht mehr.«


Du siehst sehr träumerisch zur Zimmerdecke,

sieh nach dem Bettchen drüben in der Ecke:

liebst du dein Kindchen sehr? –

»Ich weiß noch nicht.«


Schriebst du zuweilen, wenn die Wehen kamen,

mit deinen irren Fingern meinen Namen

auf deine Bettdecke? –

»Du weißt es ja.«
[106]

Kannst du noch immer, ohne hinzudenken,

dein Kind und seinen Vater ruchlos kränken

und mit mir selig sein? –

»Weißt du das nicht?«


Quelle:
Richard Dehmel: Weib und Welt, Berlin 1896, S. 105-107.
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