9.

[25] Ein Zimmer schwimmt voll Cigarettenduft,

zwei Menschen hauchen Ringe in die Luft.

Nun blickt ein Weib, aufatmend, einen Mann verstohlen an –

seine offne Stirn, den kurzgehaltnen Bart,

den Mund von träumerisch verschlossener Art,

Hiebnarben neben den heftigen Nüstern –

und fängt wie unwillkürlich an zu flüstern:


Diese Nacht war furchtbar. Ich konnt nit schlafen:

mich quälten die unausgesprochnen Dinge.

Es war halb Traum halb Höllenstrafe.

Wie auf der Jagd – als stäke mein Hals in Schlingen;[26]

fern stand mein Gatte und schrie hetz-hetz!

Plötzlich ein Ruck: es war, als klinge

das Telephon am Kopfend' meines Betts,

als wolle die Frau mich Grauenhaftes fragen,

die du – oh Lux: nit wahr? ich glaub,

Dir kann ich Alles, Alles sagen;

o furchtbar, sich mit Heimlichkeiten tragen!

Nit, du? – Du! Lukas! – Bist du taub?!


Schweigen. Ihre Augen schauen

nachtbraun seine morgengrauen

durch den Rauch verschleiert an.

Sacht die Lider schließend sagt ein Mann:


Früher konnt ich schwer mit Leuten reden;

jetzt sprech ich mit dem Fremdesten gern.

Es geht ein Band von dir durch mich zu Jedem,

als wenn wir Alle Engel wär'n.

Und doch: wer darf uns Teufeln trauen!

Schon Eva hat zu klar erkannt:

das Unerkannte ist es, was uns bannt.

Denn eine tiefe Wollust schläft im Grauen.


Sie lächelt eigen; er sieht es nicht.

Sie hauchen wieder Ringe in die Luft.

Das Zimmer schwimmt voll Cigarettenduft.

Zwei Menschen horchen, was ihr Innres spricht.

Quelle:
Richard Dehmel: Zwei Menschen. Berlin 1903, S. 25-27.
Lizenz:
Kategorien: