Siebenter Auftritt.

[168] Kommerzienrath aus der Seitenthür nach der Mittelthür gehend.

Elise bleibt in der Seitenthür stehen.


KOMMERZIENRATH. Nein, liebes Kind, laß mir die Zeitungen noch liegen, ich will nur das Treibhaus revidiren, der Martin ist gar zu nachlässig. Kehrt an der Thür um. Ist denn der Phylax nun wohl angekettet?

ELISE. Gewiß, ich habe es Friedrich aufgetragen.

KOMMERZIENRATH geht. Nun denn – daß mir die Blätter nur liegen bleiben.

ELISE. Es soll sie keine Hand anrühren. Sie will die Thür schließen.

KOMMERZIENRATH kehrt wieder um. Ach, hör' einmal, Kind, etwas Wichtiges, fast hätt' ich es vergessen. Elise ist zu ihm in den Vorgrund gekommen. Was willst Du denn[168] Frau von Kiel sagen? Hast Du dich über ihren Sohn entschlossen? Wie ist es?

ELISE. Onkel, rathen Sie mir, ihn zu heirathen?

KOMMERZIENRATH. Ich Dir rathen? – Kind, ich rathe zu nichts; die Heirath ist der wichtigste Schritt im Leben, da nehme ich keine Verantwortung auf mich, den mußt Du allein bedenken und auf eig'ne Gefahr thun, Du bist ja ein verständiges Mädchen.

ELISE. Ach nein, Onkel, zum Heirathen fehlt mir noch aller Verstand, ich weiß auch gar nicht, ob ich ihn jemals bekommen werde.

KOMMERZIENRATH. Nun Kind, gefällt Dir Herr von Kiel nicht?

ELISE. O – er gefällt mir schon –

KOMMERZIENRATH. Nun, das wäre Numero eins – er liebt Dich, das sagt er täglich hundertmal, also – aber ich rathe zu nichts, überlege Dir es.

ELISE. Ach Onkel, beim Ueberlegen kommt gar nichts heraus, davon wird man immer unschlüssiger. Ich denke mir, so ein Entschluß zum Heirathen, der muß wie Blitz und Schlag kommen, so daß man gar nichts mehr überlegen kann.

KOMMERZIENRATH. Ja Blitz und Schlag! Und dann donnert das Gewitter durch den ganzen lieben Ehestand nach, ich kenne das. Sage nur, was Du Frau von Kiel antworten willst? Das ist eine Frau, wenn man der nicht sogleich sagen kann, so und so, und das und[169] das, und damit abgemacht, so schwadronirt sie Einen in Grund und Boden. – Willst Du es mit ihrem Sohne versuchen?

ELISE. Versuchen? was reden Sie von versuchen, Onkel? – So ein versuchsweiser Ehestand ist wie eine Giftprobe an einem Patienten, bekömmt es ihm nicht, so stirbt er auch gleich daran.

KOMMERZIENRATH. Ja ja, – schlimm, schlimm! – Freilich, es mag liebenswürdigere Männer geben als Herr von Kiel.

ELISE. Liebenswürdig ist er schon, aber – wird er es auch als Ehemann bleiben? Ist er so zuverlässig in Allem als – –

KOMMERZIENRATH. Als etwa der Landrath – meinst Du nicht?

ELISE. Freilich, vertrauen kann man dem gewiß.

KOMMERZIENRATH eifrig. Gewiß, gewiß. Das ist ein zuverlässiger Mann, ein tüchtiger Oekonom, so jung und schon Landrath. –

ELISE maulend. Ach, was hab' ich davon?

KOMMERZIENRATH. Was, Du –? Ja freilich, Du hast nichts davon, ganz recht. O glaube auch ja nicht, daß ich Dich für ihn stimmen will, Du mußt allein wissen, was Du zu thun hast; ich rede dem Vetter Adolph bei Dir nicht das Wort.

ELISE. Das brauchen Sie auch nicht; denken Sie, ich weiß es nicht, daß er ein vortrefflicher Mensch ist?[170]

KOMMERZIENRATH eifrig. Gewiß vortrefflich! Und für einen Landmann wie fein gebildet, in schönen Wissenschaften erfahren.

ELISE. O, er macht selbst Verse und hat das tiefste Gefühl für alles Schöne und Große –

KOMMERZIENRATH. So? So? – Na höre, Kind, am Ende liebst Du den?

ELISE. Was fällt Ihnen ein, Onkel, wie kann man einen Mann lieben, der noch nie ein Wort von Liebe gesprochen hat?

KOMMERZIENRATH. So? – Kann man das nicht? – Na, das verstehe ich nicht. – Aber freilich, man behauptet, die besten Ehen würden unter unähnlichen Naturen geschlossen, und wenn man so bedenkt: der Vetter ist ernst, Du munter, er schweigsam, Du – –

ELISE. Ich eine Plappertasche.

KOMMERZIENRATH. Ach was – ich meine, er ist verständig –

ELISE. Und ich unverständig, das wollten Sie doch sagen? –

KOMMERZIENRATH. Nein, nur unbesonnen wollt' ich sagen, und meine, so eine Melange von diesen Eigenschaften gäbe eine gute dauerhafte Composition. Herr von Kiel dagegen –

ELISE. Der taugt so wenig als ich, meinen Sie?

KOMMERZIENRATH. O Mädchen, sey nicht so vorlaut, Du machst mich ganz verdreht.[171]

ELISE. Nun, wenn an uns beiden nichts ist, so hätten wir uns im Ehestande nichts vorzuwerfen, könnten uns mit einander trösten.

KOMMERZIENRATH. Ich sage ja nichts gegen Herrn von Kiel, er ist ein liebenswürdiger Cavalier, meinetwegen, ich rede keinem das Wort, Du siehst ja, ich bin ganz parteilos. Es ist Deine Sache, bedenke Du das Ende, ich wasche meine Hände in Unschuld, Du sollst mir einmal keine Vorwürfe machen können. Ich rathe zu nichts, überlege Dir Alles, übereile Dich ja nicht, aber heute noch mußt Du Dich entschließen; denn kommt Frau von Kiel und Du weißt noch nicht, was Du willst, so giebt es Spektakel, das sag' ich Dir! Ab durch die Mitte.


Quelle:
Eduard Devrient: Dramatische und dramaturgische Schriften, Leipzig 1846, S. 168-172.
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