Zweiter Auftritt.

[193] Martin. Gleich darauf Hr. v. Kiel.


MARTIN. 'S ist gut, Herr Kommerzienrath. Beschäftigt ich bei dem Gartengeräth. Das ist so ein Herr, der versteht viel wie man wirthschaften muß. Ich möchte wohl wissen, wie man durch die Welt kommen sollte, ohne die gehörigen Püffe und Schmisse. Durch diese alte, abgenutzte, schäbige, versoffene Welt! Er wirft die Werkzeuge durcheinander.

HERR VON KIEL von rechts. He Martin! laßt doch den Gartenknecht die Scheibe in dem Weingange aufstellen, wir wollen wieder ein wenig schießen.

MARTIN. Schön, gnädiger Herr! Will gehn. Da fällt mir ein, ich soll Ihnen ein Briefchen geben von Mamsell Karline aus dem Kruge.

HERR VON KIEL. Was? An mich? Von Mamsell Karoline? Was fällt euch ein?

MARTIN. Ja wie ich sage. Hat es aus der Tasche gezogen. Da ist es. Sie werden sie ja doch kennen, ich habe Sie ja schon ein paarmal im Kruge bei ihr gesehn.[193]

HERR VON KIEL. Ich war wohl einmal zufällig da.

MARTIN. Ja, ich bin auch immer zufällig da.

HERR VON KIEL hat den Brief genommen, für sich. Wie kann die dumme Liese nur an mich schreiben? Laut. Was soll ich denn damit? Was will sie denn?

MARTIN. Na, das wird wohl drin stehen.

HERR VON KIEL. Gewiß eine Bettelei.

MARTIN. Sie sagte, ich sollte es Ihnen heimlich geben, daß es Niemand sähe; na das hab' ich gethan.

HERR VON KIEL. Ja ja, es wird eine Bettelei seyn, man kennt das schon. Steckt den Brief ein.

MARTIN. Na, das hat die Karline wohl nicht nöthig. Ihr Vater ist ein Mann –

HERR VON KIEL. Ein Mann, der, wie ich höre, schon ein Weilchen mit der Pacht restirt, ein Saufaus wie mancher Andre, der nichts mehr hat.

MARTIN. Ein Saufaus, der nichts hat?

HERR VON KIEL. Nun ja, eine hübsche Tochter hat er.

MARTIN. Eine hübsche Tochter, das ist wahr, aber knapp schenkt sie ein, sehr knapp. Da lob' ich mir den Alten. Und daß er nichts hat, ah, das kann man nicht sagen.

HERR VON KIEL. Nun was hat er denn?

MARTIN. Eine Menge große, dickbäuchige Bouteillen mit doppeltem und einfachem Kümmel, Nelken, feinem Citronen –

HERR VON KIEL lachend. Ach so, nun schon gut.[194]

MARTIN. Anis, feinem Offizier, spanischem Bitter –

HERR VON KIEL. Gut gut, hört nur auf.

MARTIN. Ja ich werde aufhören. Pause.

HERR VON KIEL für sich. Was er nur immer noch da steht? Verdammt, wenn der Kerl etwas merken sollte! Laut. Es ist doch wieder sehr heiß heut.

MARTIN. Sehr heiß, erschrecklich sehr.

HERR VON KIEL. Ihr seht auch recht trocken und durstig aus.

MARTIN. Sehr durstig, abscheulich durstig.

HERR VON KIEL greift in die Tasche. Da wäre es wohl gut zu begießen?

MARTIN. Ja, gießen muß ein ordentlicher Gärtner fleißig, immer gießen.

HERR VON KIEL giebt ihm Geld. Da begießt auf meine Gesundheit. Und da die Wirthstochter doch nicht will, daß man von ihrem Bettelbriefe wissen soll, so haltet reinen Mund.

MARTIN. Den Mund rein halten? ja, i ja, das kann ich schon thun. Fährt sich phlegmatisch mit dem Aermel über den Mund.

HERR VON KIEL. Nichts ausplaudern sollt Ihr; das Maul halten!

MARTIN. Ja so, nun versteh' ich –

HERR VON KIEL. Nun so packt Euch, und laßt die Scheibe aufstellen.[195]

MARTIN. Das werd' ich thun. Im Abgehn. Nur immer hübsch deutlich reden! Geht links ab.


Quelle:
Eduard Devrient: Dramatische und dramaturgische Schriften, Leipzig 1846, S. 193-196.
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