Neunter Auftritt.

[234] Landrath, bald darauf Reitknecht.


LANDRATH hervorstürzend. Nun ist alles verloren! Nun ist alles vorbei! Da geht mein Todfeind hin und führt sie mit sich fort als sichre Beute. Er wird die Stunde zu benutzen wissen, mit ihr allein im Park, beim stillen Abendschein, wo jedes Herz zur Milde, zum Gewähren schon gestimmt ist; o es ist aus mit mir, hin, alles hin, mein ganzes Lebensglück verspielt für alle Zeit! Er wirft sich auf die Bank. Wie kann aber auch ein vernünftiger gesetzter Mann, ein Landrath, springen und tanzen wie besessen? Es ist unglaublich! – Zum Kreisfahnenschwenker hätten sie mich machen sollen, nicht zum Landrath! O Elise hat ganz recht, mich lächerlich zu finden! Der Reitknecht tritt rechts auf. Franz, wo kommst Du her? hast Du die Pferde da?[234]

REITKNECHT. Die Pferde? I bewahre, Herr Landrath, ich komme bloß von der Meierei.

LANDRATH. Von der Meierei? So bist Du wohl dem Fräulein und einem gewissen Herrn begegnet?

REITKNECHT. Dem Herrn von Kiel, ja wohl, Herr Landrath. Sie spazierten zusammen ganz vergnügt. Sie können sie noch einholen, denn sie gingen gar nicht schnell; sie hatten sich so viel zu erzählen und zu lachen –

LANDRATH. Zu lachen! – Da hatten sie Recht und ich weiß, von wem die Rede war. Franz, sattle die Pferde schnell, ich muß fort, auf der Stelle.

REITKNECHT. Fort von hier, Herr Landrath? –

LANDRATH. Fort, sag' ich Dir, in fünf Minuten müssen wir das Schloß im Rücken haben.

REITKNECHT. Aber Ihre Sachen? –

LANDRATH. Die bleiben hier, man kann sie mir nachschicken, ich setze keinen Fuß mehr in's Schloß. – Höre, Franz, kein Mensch soll wissen, daß ich fort will, hörst Du?

REITKNECHT. Schon recht.

LANDRATH. Du sagst also Niemand, daß wir abreisen.

REITKNECHT. Aber der Köchin doch.

LANDRATH. Niemand.

REITKNECHT. Bloß Adje sagen –

LANDRATH. Franz, willst Du mich toll machen?

REITKNECHT. I, behüte mich der Himmel![235]

LANDRATH. Du sagst also kein Wort, wirfst den Pferden das Zeug auf, schnell, schnell, als ob der Satan Dir im Nacken wäre, sprengst um den Garten herum und hältst hier außerhalb der Mauer. Ich warte hier. Sobald Du ankommst, pfeifst Du, ich steige über die Mauer und fort geht's über Stock und Stein!

REITKNECHT. Aber so in die Nacht hinein –

LANDRATH. Je dunkler, desto besser.

REITKNECHT. Es kommt ein Gewitter herauf.

LANDRATH. O schlüg' es mich doch hundert Klafter tief in die Erde hinein!

REITKNECHT. Aber liebster Herr –

LANDRATH. Kerl, ich bringe Dich um! Schaff mir mein Pferd, oder –!

REITKNECHT. Ja doch, ja – Im Ablaufen. so hab' ich ihn ja mein Lebtag nicht gesehn.


Quelle:
Eduard Devrient: Dramatische und dramaturgische Schriften, Leipzig 1846, S. 234-236.
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