4.

[175] Auf diesen Felsen möcht' ich Hütten baun,

Ein treuer Gast dem abgeschiednen Eiland,

Nicht um nach Süden, heimatwärts, zu schaun,

So wie gen Ithaka der Dulder weiland,

Nein, um des Festlands dürres Einerlei

Im Meereshauch auf ewig zu vergessen;

Hier weht das Banner Albions, und frei

Hat hier von je ein freies Volk gesessen.


Laßt mich willkomm an Eurem Herde sein,

Als Bürger grüße jeder mich, als Bruder,

Legt in die schwache Rechte mir hinein

Statt eines Wanderstabs ein tüchtig Ruder,

Lehrt auf den Dünen mich den Robbenfang

Und andre Kiel' als Gänsekiele führen;

Müd' war ich's, beim Allmächtigen, schon lang,

Sie täglich sonder Ziel und Rast zu rühren!


Gib mir die Hand, du schönes Fischerkind,

Sei du mein Weib, mein Engel, meine Muse,

Auf daß ich werde, was die Deinen sind,

Ein wackrer Lotsen-Mann in blauer Bluse;

Streich mir die alten Falten von der Stirn[175]

Und die Gedanken-Runzeln aus den Brauen,

Fortan soll nur dein Kuß, du schmucke Dirn',

Und Arbeitsschweiß auf diesen Schläfen tauen.


Hinein ins Bad! des Staubes letzten Rest,

Daß ihn hinweg der Schaum der Welle spüle!

Wie dehnt die Brust, so enge, so gepreßt,

Sich selig aus in dieses Morgens Kühle!

Den alten Adam tauch' ich opfernd ein,

Du, weihe, Meer, mich selbst zum neuen Lose,

Laß mich gesund und dein auf ewig sein,

Wenn ich entsteige deinem Mutterschoße!

Quelle:
Franz von Dingelstedt: Lieder eines kosmopolitischen Nachtwächters, Tübingen 1978, S. 175-176.
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Lieder eines kosmopolitischen Nachtwächters (Deutsche Texte)