XI.

Jäher Tod der Negern, welcher der Zuruckziehung des Zäpfleins zugeschrieben wird.

[17] Galenus erzählet einen Zufall, dessen Wahrheit ziemlich verdächtig zu seyn scheinet, ob solche[17] gleich durch unterschiedliche neuere Berichte der Reisenden bestätiget wird. Die Neger-Sclaven, welche man einschiffet, gerathen öfters in Verzweiflung, weil sie in der Meynung stehen, daß man sie aus keiner andern Ursache nach Amerika führe, als um sie zu fressen, und da sie in ihrem Zustand aller Mittel sich zu entleiben beraubet sind, so sind sie darauf verfallen, sich durch die einzige Bewegung des Zäpfleins zu ersticken, welches sie so genau und stark zu verschliessen wissen, daß sie, indem sie den Athem gänzlich hemmen, plötzlich des Todes sind, ohne daß man diesen Zufall weder vorhersehen noch verhindern kan. Als der Herr Dodart, welcher an dieser Sache zweifelte, sich deswegen bey einigen Seeofficiern erkundigte, so versicherte ihn einer der vornemsten Beamten, der die Einschiffung der Negern zu besorgen hatte, daß er zwey Fälle von dieser Art an zwey jungen Negern mit angesehen habe, welche, da sie in dem Schiff sassen, in jedermanns Angesicht plötzlich des Todes waren. Man kann übrigens nicht muthmassen, daß sie an Gift sterben; dann diese Negern sind so blos wie die Hand, und man durchsuchet sie allenthalben ehe man sie einschiffet, weil sich ihre Furcht alsdann verdoppelt. Ueberdieses zeiget sich an den Körpern dieser Elenden nicht die geringste Spur eines Giftes. Aber alle diese Zeugnisse befriedigen den Herrn Dodart noch nicht; und es ist auch in der That nach[18] seiner Meynung nicht leicht zu begreifen, wie sich ein Mensch auf solche Art durch eine freywillige Bewegung wie solche beschaffen seyn möge, mit der Zunge, mit dem Zäpflein oder mit den Lippen desselben, ersticken könne. Keine freywillige Bewegung, kann, und wenn sie auch noch so hartnäckig genöthiget wird, bis zur Entweichung der Sinnen getrieben werden, dann so bald es so weit gekommen ist, so fängt sich die maschinenmäßige Bewegung des Athemholens wieder an, ohne den Befehl des Willens zu erwarten, und treibet wiederum ihr natürliches Spiel.

Quelle:
[Dumonchaux, Pierre-Joseph-Antoine] : Medicinische Anecdoten. 1. Theil, Frankfurt und Leipzig 1767 [Nachdruck München o. J.], S. 17-19.
Lizenz: