XXXV.

Die Stärke der Freundschaft.

[67] Man kann mit guten Grund behaupten, daß, ob gleich die wahre Liebe schon eine sehr seltsame Sache ist, jedoch die wahre Freundschaft noch weit seltsamer ist, und daß man die Gleichgültigkeit, welche daher entstehet, wenn man von seinen Freunden betrogen worden ist, nicht so weit treiben solle, daß solche alle Empfindlichkeit für das ihnen zustossende Unglück verbanne. Man sahe bey la Capelle, als solches von dem Vicomte von Türenne belagert wurde, und A. 1630. den dritten August capitulirte, ein sehr merkwürdiges Exempel einer Freundschaft, welche zwey Spanier sehr fest verknüpfte. Nachdem einer von ihnen beyden in dem Laufgraben einen Musketenschuß bekam, so lief der andere, so bald er davon Nachricht erhielte, in der Hofnung ihm zu Hülfe zu kommen, herbey, fand ihn aber tod ausgestrecket auf der Erden liegen; in seiner ersten Bewegung fiel er auf seinen Freund nieder und umarmete ihn; inzwischen war die Bewegung, die er in sich spürte, in diesem Augenblick so heftig, daß er selbst zugleich vor Kummer des Todes war. Der Erzherzog wurde selbst beweget, da man ihm solches erzählete, und befahl, daß die beyden Körper in einen Sarg sollten geleget, und mit allen Ehrenbezeigungen nach[68] Avesnes geführet werden, wo er sie mit vieler Pracht in der Stiftskirche begraben, und ihnen ein Denkmaal von Marmor aufrichten liese.1


Annales Belgiques, Douay. p. 436.

Fußnoten

1 Herr von Sacy, ein Mitglied der königlichen französischen Academie der Wissenschaften, hat diesen merkwürdigen Umstand in seinem schönen Tractat von der Freundschaft, nicht unbemerket, gelassen.


Quelle:
[Dumonchaux, Pierre-Joseph-Antoine] : Medicinische Anecdoten. 1. Theil, Frankfurt und Leipzig 1767 [Nachdruck München o. J.], S. 67-69.
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