LVIII.

Von einem jungen Menschen, dem ein dreytägiges Fieber den Gebrauch der Sprache dergestalt benahme, daß er täglich nur eine Stunde lang reden konnte.

[122] Dieser junge Mensch, den das dreytägige Fieber in seinem vierzehenden Jahr stumm machte, war von Wittemberg; er konnte seit dieser Zeit des Tages über nur eine Stunde lang reden, und zwar gerad von zwölf Uhr zu Mittag an bis um ein Uhr. Man glaubte anfänglich, es mögte etwas Bosheit hinter seinem Umstand verstecket seyn, und züchtigte ihn deswegen einigemal mit Schlägen;[122] man sahe aber nachgehends wohl, daß es etwas mehrers als ein blosser Eigensinn bey ihm war. Seine Zunge war wie eine Art einer Feder, die nicht eher als nach dem Verlauf von vier und zwanzig Stunden losgienge. Es half nichts daß man die Uhren zurückstellte oder fortrichtete, um zu sehen, ob ihm der Schall von zwölf Schlägen die Zunge lösen würde, er richtete sich gar nicht im geringsten darnach; sondern er fieng entweder eher oder später als die Uhr Zwölfe schlug an zu reden, nachdem man solche zurück gestellet, oder fortgerichtet hatte. Er redete, wenn er sich auf dem Land befande, und aus dem Schall der Glocken nicht wissen konnte, welche Zeit es war, zu seiner gewöhnlichen Stunde, so daß man ihn sicher für den wahrhaftigen Mittag halten konnte. Man that alles was man konnte ihm zu helfen, es waren aber alle angewandte Bemühungen und Mittel vergebens.


Miscell. curiosa Rep. des Lett. Octobr. 1685 tom 5. pag. 1091.

Quelle:
[Dumonchaux, Pierre-Joseph-Antoine] : Medicinische Anecdoten. 1. Theil, Frankfurt und Leipzig 1767 [Nachdruck München o. J.], S. 122-123.
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