LXI.

Ein Abgang des Blutes, der zu gleicher Zeit bey den Blutigeln, und einer Baronneßin, welcher man solche an den Hintern angeleget hatte, erfolget war.

[126] Das Wort Sympathie ist uns Aerzten eben das, was den Newtonianern die Attraction ist. Es zeiget einen unbekannten Umstand an, den es aber nicht erkläret. Und wie wollte man die sympathetischen Wirkungen erklären, die ich erzählen werde? Die Frau Baronneßin von Rois – – litte vor drey Jahren ganz ausserordentlich an Hämmorrhoidal-Umständen. Sie entschlosse sich, sich Blutigel ansetzen zu lassen, welche ihr die gewünschte Beruhigung verschaften, so daß die Schmerzen nachliesen. Man behielte die Blutigel in einer schönen cristallenen Flasche auf; man gab ihnen alle Tage frisches Wasser, anfänglich färbten sie das Wasser, wie ganz natürlich, weil sie sich reinigen musten; endlich aber, da man das Wasser oft genug verändert hatte, beschmutzten sie es nicht mehr. Die Frau von R – – – bekam zwischen dieser Zeit ihre monatliche Reinigung; dieser[126] Umstand hindert nicht, den Blutigeln, die man aufbehalten will, frisches Wasser zu geben: folglich that sie es auch, bemerkte aber dabey, daß dieses Wasser mit Blutge färbet war; sie verwunderte sich darüber; des andern Morgens war das neue Wasser wieder roth, und so fort alle Tage, so lang bis ihre Zeit vorbey war. Man kann sich die Verwunderung leicht vorstellen, die eine solche Wahrnehmung verursachet. Man goß wieder frisches Wasser in die Flasche, welches alle Tage fort rein und hell bliebe. Ohngefähr einen Monat nachher bekam sie ihre Zeit wieder, man lief zu den Blutigeln, und fande daß sie solches gleichfals ahndeten: mit einem Wort, bis jetzo da ich dieses schreibe (im Monat Julius 1761.) hat man diese Bemerkung dreymal wiederholet. Zwey Aerzte, und ein Chirurgus, die ich, wenn man es verlangte, nennen wollte, werden die Wahrheit dieser Sache bezeugen. Man schreye nunmehro noch ferner wider den Ritter Digby und sein sympathetisches Pulver! Wie vieles wäre von diesen Blutigeln zu sagen!

Quelle:
[Dumonchaux, Pierre-Joseph-Antoine] : Medicinische Anecdoten. 1. Theil, Frankfurt und Leipzig 1767 [Nachdruck München o. J.], S. 126-127.
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