Wer regieren wil / der můß hören / vnd nicht hören / sehen vnnd nit sehen.

[174] Die weisen Heyden haben auß der vernunfft vnd erfarung geschlossen / daß kein tyrannei vnd gezwungen Regiment lang bestehen mag. Denn wer die leut mit lauter in[174] gezwang regiern wil / der legt auff sich aller menschen haß vnnd feindtschafft / Oderunt quem metuunt. Das haben erfaren alle Tyrannen auff erden.

Keyser Friderich hat ein Sprichwort gehabt / das einem Fürsten wol gezimpt / Qui nescit dissimulare, nescit imperare, Wer nicht kan lassen für ohren vnnd augen gehen / vnnd durch die finger sehen / der kan auch nicht regieren / Das wirt jn freilich die erfarung gelert haben.


Denn regieren freundtlich vnd mit willen /

Thůt vil haß vnd haders stillen.

Wer mit dem kopff wil oben auß /

Der thůt vil schaden / vnd richt nichts auß.


Sol ein Fürst vnnd Herr wol regieren / so můß er vil dings nicht wissen wöllen / sonderlich was nit offentlich wider den gemeynen friden dienet / nit bald mit der faust greiffen auff die / so etwas alleyn wider sein person reden oder thůn / sonst würd er ein feindtschafft über die andern haben. Wo aber etwas verbrochen wirt wider den gemeinen friden / das sol er wissen wöllen / vnd weydlich straffen.

Denn mit gůten worten / vnd harten straffen behalt mann den pöfel im regiment. Gütig sol mann iederman sein / kompt jm aber einer in die kluppen / den halt er fest / vnnd gebare mit jm / da sich andere daran stossen / Wie einer gesagt hat / Es ist vil besser einen frommen man vnbegabt / denn einen bůben vngestrafft. Auff ein zeit ist ein meerräuber zum grossen Alexander gefangen gefürt worden / vnnd da jhn Alexander fragte / wie er also kün were / vnd sich vnderstünde die leut zuberauben. Gab der meerräuber antwort / Ich můß ein meerräuber heyssen / dieweil ichs: hů mit einem kleinen schiflin / aber ob du schon solchs thůst mit vil schiffen / so heyßt mann dich doch einen König. Alexander verbeyß das / vnnd ließ jn loß. König Pyrrho wurden verrathen etlich knecht zu Tarent / die auff einn abent in der zech vil böses vnd vntrews geredt hetten. Da aber einer sagt in der verhöre / es were / vnd wo sie mehr weins gehabt hetten / so wolten sie jn gar erwürgt haben / ließ er sie loß / vnnd rechet nit das bei dem trunck geschehen war.

Der Philosophus Diogenes / da Alexanders vatter Philippus Griechenland bekrieget / gieng ins Philippi heerläger / vnnd als bald jhn Philippus ansichtig ward / schrie er laut Catascopos, ein kundtschaffter / ein kund schaffter. Darauff antwort Diogenes / Du hast es errathen / dann ich bin alleyn darumb herkommen /daß ich sehen wil / ob du vnsinnig seiest / wie mann von dir sagt / dann du möchtest in deinem Königreich Macedonien gůt gemach vnd růhe haben / vnd legst dich gleich wol an die Griechen / mit gefahr deines leibs vnn deines lebens. Philippus hört es / vnn ließ[175] jn wider gehn. Von dem Keyser Domitiano sagt mann zu Rom vil böser stück / Da jm aber dieselbigen / so solchs geredt hetten / angeben wurden / sagt er: In libera ciuitate oportet etiam linguas esse liberas, In einer freien stat můß mann freie zungē haben / Dann es mag einer reden was er wil / er hat aber darumm nit was er wil. Reden můß mann leiden / aber übel that můß mann straffen. Also strafft Hiltebrandt Dieterich võ Bern / seins gähen zorns halben.


Es sprach meyster Hiltebrandt /

Von Garten ein weiser Weigant /

Wöllen jr sein ein weiser man /

So lasset red für ohren gan.

Quelle:
Egenolff, Christian: Sprichwörter / Schöne / Weise Klugredenn. Darinnen Teutscher vnd anderer Spraach-en Höfflichkeit [...] In Etliche Tausent zusamen bracht, Frankfurt/Main 1552. [Nachdruck Berlin 1968], S. 174-176.
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