Steur dich nit auff dein witz.

[367] Er darff keins spiegels / er weyß wol daß er gelert oder schön ist. Sich zuferr ann laden lassen. Es ist aber kein gemeyner angeborner laster / dann eygen lieb vnd wolgefallen / die macht das land voll narren. Ein ieder gibt jhm selbs gewunnen / vnnd verleurt niemand vor jm selbs kein sach. Nun ist aber menschliche witz eitel thorheyt vor Gott / die mann můß verlieren / wil mann mit der weißheyt von oben herab /angethon werden. Die demůt aber / so verzagt / fein mit sorgen nachhin schleicht / vnnd fürsichtig alle gefahr erwigt / die ist sicher / vnnd bleibt lenger in jrer einfalt / dann die andern mit der vile jrer künst vnd geld / vnd erschleichen / ja weil sie all ding mit vortheyl angehen / in vnd mit jrer schwach heyt vnnd thorheyt mehr dann jhener stärck / reichthumb vnd witz vnd gehn gemach weiter / dann jhene lauffen. Was auff geblasen / ist ler / vnnd alleyn voll dünst vnnd wind / also alle vermessenheyt / je höher sie steigt / je schwerer plumpet der last ins Meer. Der aber nicht mehr auff sich nimpt / dann er ertragen /der kompt nicht vmb: So mann aber das liedlin zuhoch anfahet zusingen / vnd den bogen überspannen wil / so schnellet er entzwey / vnd můst mitten im lied bestecken.

Als ein freudig Rosss inn krieg eilet / sprach zu ihme ein Mülesel / er solt seines weychen[367] bauchs warnemen / vnnd nicht also zu seinem verderben eilen. Das Pferdt sprach: O du zagtes Müllerthier / Sůch dir etwa ein höle vnnd verkriech dich zun Meusen / Lieff in dem in die feind / vnnd ward in der schlacht tödtlich verwundt. Der Esel kam auff die walstat / fand es halb todt / lacht sein / vnnd můste das pferdt den spott zum schaden haben.

Nun auß der angbornen eygnen lieb kompt daß einem ieden sein weise am besten gefellt / Ob gleich der Aff vnnd Eul inn spiegel sihet / so ist doch die natur inn vihe vnnd leuthen so blindt / daß iede creatur mit eygner liebe besessen / sich selbs nicht kennet / sihet oder sehen kan. Seinn lastersack auff dem rucken hangen / vnnd sein kühaut an der stirn überschriben / kan er nicht lesen oder sehen. Ist er dann vor eim spigel / so kompt alle schrifft letz / daß ers aber nicht lesen kan. Darumb bleibet der mensch ewig inn seinen eygnen sachen vnnd gegen jhm selbs blindt vnnd ein narr / vnnd sihet der pfaw nur sein schönen federn / der bock sein gehörn an / die füß wil aber der pfaw / vnnd den hindern der bock nicht sehen / mann zeyg jms dann.

Wann wir nun vns von aussen also sůchen / vnnd dem spiegel / vnnd nicht mehr vnserem gewissen / das tausent zeug ist / trawen / vnnd ein maul lassen ma chen / so findt mann allweg federwüsch vnnd füchsschwäntz / die den falben hengst streichen / den affen träen / vnnd bescheren / Das süß vmbs maul streichen / vnd das ist das köder damit mann die narren fahet. Mit der Landes / vnd dem liedlin placebo fahrt mann die narren / spricht Salomon / Wie das fewr das Silber / also probiert des lobenden mund die narren / wer jm das lob andechtig laßt eingehen / bezeugt damit daß er ein Narr ist. Also fahet mann die thörechten meuß /so mann jn ein specklin auff die fallen legt / Zu den gscheiden ratzen vnd katzen můß mann ein ander köder haben. Wider dise geidnarren klingen die Sprichwörter: Er reckt den schwantz übers näst auß. Er macht sich breyt. Er helt sich selbs feucht. Er darff keines spiegels. Er weyb wol daß er reich / schön /gelert ist. Er feret hoch daher. Er laßt sich weit hinauß / Er thůt sich hoch herfür.

Was sich nun also auffbrüst / vnd wie Lucifer /sich etwas sein / vnnd Gott gleich duncken laßt / der můß hinunder vom himel gestürtzet in die hell / vnd wie Dedalus / Icarus vnd Phaeton / den wagen verfüren.

Quelle:
Egenolff, Christian: Sprichwörter / Schöne / Weise Klugredenn. Darinnen Teutscher vnd anderer Spraach-en Höfflichkeit [...] In Etliche Tausent zusamen bracht, Frankfurt/Main 1552. [Nachdruck Berlin 1968], S. 367-368.
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