XIII. Brief

[25] Nachts um eilf Uhr.


Endlich ist es ruhig auf meinem Zimmer, und ich kann Wort halten, und noch ein wenig vom heutigen Tag schwäzzen, den ich so mittelmäßig zufrieden verlebte. Ganz zufrieden würde ich blos an Deinem Busen gewesen seyn. Dank Dir also Beßter für dein heutiges Briefchen. – Es war so schön, so voll guten Herzens, daß mich deine Sorgfalt bis zu Thränen rührte!

Mein Gott! Was Du für ein herrliches Herz besizzest, wie Du mit Deiner feurigen Einbildungskraft hineindringst[25] in's feine Gefühl der Liebe, das nicht für jeden gemacht ist. – Könnte ich es Dir doch noch einstens in der unendlichen Ewigkeit vergelten! – Wie wohl es mir thut, auch einmal so gut behandelt zu werden, wie ich sonst Andere behandelte. Der Schöpfer schuf Dich nur für mich zum Lohn, zur Vergeltung meiner ausgestandenen Leiden. Fahre fort, Theurer, mein Herz zu entzükken, und diejenigen die es so oft zerrißen, sollen durch Dein Betragen beschämt und von ihrem Gewißen gepeinigt werden! –

O du Guter, aller Guten! – Du wirst also einstens meine Thränen stillen? – An deinem Busen, in Deinen Armen sollen alle meine Leiden ihr Ende erreichen? – Ha! – Gedanke des Trostes, der Erquikkung, der Wonne! – Es ist mir so ängstlich freudig um's Herz, ich fühle schon zum voraus die Glükseligkeit, die meiner wartet, wenn ich nur diesen Augenblik hinstürzen könnte an Dein Herz! – Ach! – dann wollte ich mich ausweinen, dann sollten sie fließen die Thränen meines zur Schwermuth geneigten Gemüths! – Denke, lieber Friz, wenn mir recht wohl ist, dann fühle ich in mir einen gewißen Hang zur Traurigkeit, und wenn auch alle meine Wünsche befriedigt sind, so schmelzt meine Seele doch hin zur seligsten Melankolie! –

Es muß doch in meinem Körper mit der Gesundheit nicht gut stehen, denn es liegt heute wieder so schwer auf meiner Brust, als ob ich ein Verbrechen begangen hätte! – Gräme Dich aber ja nicht, Friz, es wird beßer werden, ich habe heute wieder zu sehr der Zukunft nachgehängt. – Aber um Gotteswillen zanke mich nicht; ich war nicht Herr über mich! –

Freundinn Sch... hat mich mit Gewalt beim Essen behalten, und dann schleppte sie mich zu einer andern Freundinn, bis ich mich endlich gegen acht Uhr los machte. – Die Mädchen, die in der Gesellschaft gegenwärtig waren,[26] haben mich mit Blumen beschenkt, und da diese drei Sträußchen so sehr auf uns paßen, so schikke ich sie Dir. – –

Betrachte einmal das weiße Röschen, es ist mein Sinnbild, vom Sturme etwas welk, aber doch im Urstoff rein! – Das rothe hingegen ist gerade in seiner Blüthe, und wird nicht so leicht welken, wenn nicht gar zu viele Stürme seine Wangen bleichen. Bei der schönen, unverfälschten Farbe dieser Blumen beschwöre ich Dich, ewig, ewig, (es mag dazwischen kommen was da will,) und wenn es das Schröklichste wäre, Dich nie von mir reißen zu laßen!!! –

Könntest Du je wanken, könnte Dich je etwas schwach machen, dann magst Du mit meinem Fluche beladen, den langsamen Tod dieser Blumen sterben!!! –

Nina.

Quelle:
Marianne Ehrmann: Nina’s Briefe an ihren Geliebten, [o. O. ] 1788, S. 25-27.
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