XVII. Brief

[34] Abends.


Gerade neun Uhr, und dem Himmel sey Dank, ich bin endlich allein. Nun will ich mich ein wenig an Dich schmiegen, holdes Liebchen, Dich küßen, und mit Dir in Gedanken das fühlen, was wir schon so oft zusammen fühlten.

Daß Du heute wieder mein einziger Gedanke warst, das weißt Du gewiß, nicht wahr? – – – Ich komme von Madame K... wir geriethen zusammen ins Philosophieren über die Männer, die Frau zog eigensinnig über alle los, und wollte durchaus keine Ausnahme unter deinem Geschlecht zugeben. – Sie behauptet durchaus, alle Männer giengen blos auf den Genuß aus. – – Und ich sagte: nein, und zehenmal nein! – –[34]

Mein Herz sagte mir heimlich, daß diese Frau nie einen Friz müße gekannt haben, und es wurde mir bei dieser Erinnerung so wohl, so wohl! – – –

Endlich las ich ihr Deine und meine Briefe, aus der Geschichte mit deinem ersten Mädchen vor, dann fieng sie an recht gütig ihr Näschen zu rümpfen, und schwärmte in feurigem Beifall über deine herrliche Art zu lieben! – Auch schimpfte sie dabei tüchtig über das Bürgermensch, die zu Deiner Speichellekkerinn noch zu niedrig wäre. – –

»Das mus ein vortreflicher junger Mann seyn!« – – Fuhr sie fort – »Aber Sie haben ihn auch mit aller Macht in Ihren Briefen vertheidigt. – Unser Geschlecht wird Ihnen gram werden, weil Sie so drauf los ziehen! –«

Ich antwortete – »Ja sehen Sie meine Beßte! – Ich kann in der Liebe keinen Betrug dulden, aber bei Gott, auch selbst nicht betrügen!« – –

»O das weis ich, das weis ich! – (Versezte sie) nur hält es etwas lange, bis Sie recht lieben, aber dann gehts auch bei Ihnen zu, wie im himmlischen Paradiese! – Ei, will doch gerne sehen, welcher Sterbliche den Schark wird austilgen können!« – – –

Da lenkte ich ein, sonst hätte sie mich vielleicht gefangen. – Dann zog sie äußerst schalkhaft über Schark los und machte mich lachen. – Auch fragte sie mich, ob ich noch darauf bestünde, mit ihm förmlich zu brechen? – – – Oder ob Schark schon wieder mein einfältiges gutes Herz erweicht hätte? – – »Nein! – sagte ich – ich reise!«

»Aber Sie kommen doch wieder?« – – O ja, stotterte ich. »Nicht wahr, Friz bringt mir dann Ihre Briefe?« – – »Freilich, das wird er gern thun!« – Oder etwa nicht Friz? – Ich dächte doch, das schöne sprechende schwarze Auge einer Dame könnte Dir wohl ein Bischen gefallen. Und wenn sein Weibchen noch dazu abwesend ist, die er bis jezt nur[35] noch platonisch lieben darf! – Es ist mir, als sähe ich Dich schon gegen ihr über sizzen, hinlänglich schüchtern, um deine Nina nicht zu beleidigen. O du Lieber, Lieber, Götterwonne ist mir der Gedanke an Deine Rechtschaffenheit! – Begreife, wenn Du kannst, meine völlige Verehrung für Deine Grundsäzze, die mich einstens zum glüklichsten Weibe machen werden. Ich fühle der Seligkeiten zu viel, wenn ich in unsere künftige Tage hinblikke, daß mich immer die tiefste Schwermuth dabei überfällt. – –

Ob es denn gewiß wahr werden wird, das Bild meiner reizenden Fantasie? – Tödtlich lang werden mir wenigstens die Stunden bis dorthin scheinen, o Friz, was ich noch Thränen werde vergießen müßen, eh ich ganz, um nie wieder zu scheiden, an deinen Busen hinsinken darf! – Gott! – Es liegt viel Wonne in der Erwartung, aber auch viel Leiden in der Trennung. Trennung! – Gott! – Kann ich das Wort denken .... Ein Herz, wie das meinige, Einsamkeit, Liebe, Schwermuth, Herr Gott im Himmel! – Die Entfernung von Dir wird mir hart, hart auffallen!!! –

Und doch muß ich, ich muß von Dir fort, um Verdrießlichkeiten auszuweichen, ich muß, weil Du es haben willst, weil Du es gut findest. Nicht die große Welt ist es, die ich ungern verlaße, Du weist ja, Friz, daß ich sie haße. – Aber Dich, Sohn der Liebe, soll ich zurük laßen, unter Deinen Feinden zurüklaßen? – Gott! – Ich fange schon wieder zu jammern an, vergieb, und nimm es für gränzenlose Liebe von Deiner beßten

Nina.[36]

Quelle:
Marianne Ehrmann: Nina’s Briefe an ihren Geliebten, [o. O. ] 1788, S. 34-37.
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