XVIII. Brief

[37] Lieber Herzens-Friz, als Du mich verließest, da wiedmete ich mich so ganz der Seligkeit des Nachdenkens, träumte wieder alle Küße hindurch, die wir einander schon gegeben, und war so glüklich! – Es vergeht doch kein Tag, wo ich nicht neue gute Entdekkungen an Dir mache. – – Nicht wahr, was meine dumme Zagheit heute wieder für Schimären in die Zukunft schuf, und wie Du sie alle mit Feuer zu meiner Beruhigung widerlegtest.

Bei Gott! – Beßter, auch nur Deine heftige Liebe kann Dir alle die Gedult eingeben, ein so furchtsames Ding, wie ich bin, zu ertragen, eine Schwache, die aus lauter Liebe vor jeder Mükke zittert! – Sage mir, Friz, woher kömmt denn diese rasende Furcht, Dich zu verlieren? – O es ist Liebe, tiefe noch nie gefühlte Liebe! – Fühlst Du es nicht, Beßter, daß ich stündlich unruhiger werde? – – Daß ich sowohl als Du mit tausend Leidenschaften kämpfe, daß ich kindisch mit Dir schäkkere, ungedultig Dich erwarte? – Und dann manchmal an Deiner Seite mit starren Augen gegen den Himmel blikke, um die Dauer dieser Wonne zu erflehen! – Hast Du wohl in Deinen Idealen so ein Geschöpf geträumt; bist Du nun zufrieden, Schwärmer, mit Deiner Nina? – Freust Du Dich wohl, daß Dein schon lange gesuchtes Ideal wahr wurde? –

Suche einmal in der hiesigen Stadt so ein Pärchen, wie wir beide sind; schwerlich wirst Du es finden, denn die meisten hiesigen flatterhaften Jungen gehören ins Tollhaus, und die Mädchen mit ihren kalten eiteln Herzen in den Gänsestall! – Hätte doch mein Lebtag nicht geglaubt, daß es so[37] um die hiesige Jugend aussähe! – Ewigen Dank dem Himmel, daß Du mir noch unverdorben übrig bleibest! –

Doch weiter! – Als Du fort warst, kam Schark, ich sollte Dir zwar Klugheit halber nichts mehr von ihm sagen, aber jezt muß ich es thun, damit Du doch auch etwas zu lachen bekömmst, denn nun begehe ich doch keinen Meineid mehr, wenn ich mich über ihn lustig mache. – –

Denke Dir nur, wie wir beide so beisammen am Fenster standen, führten die Leute plözlich einen Ochsen vorbei, der ein Bein gebrochen, da lief denn der kindische Bube, wie eine wahre Frazze, dem Spektakel nach, und ich und mein Mädchen lachten uns fast zu Tode darüber! – Endlich kehrte er zurük, und es wurde bei uns zu Nacht gespeißt, da hab ich ihm denn mit einer gewißen Kälte abscheuliche Brokken hingeworfen, bis er endlich darüber stuzte, und mich fragte ob ich toll wäre, daß ich ihn so satirisch hunzen könnte? – –

Auf einmal gieng er an mein Nacht-Tischchen, und fragte mich wieder, was denn das Geschriebene in dem Buch, (das Du mir geschenket) zu bedeuten hätte? – – Hm! – sagte ich, doch gewiß keine Untreue! – Dann war er mäuschenstille und gieng.

Gewiß, lieber Friz, ich verachte ihn täglich mehr, ich fühle, daß er mich durch den Umgang mit seinen Kreaturen schändlich erniedrigt hat, ich fühle, daß ich fort muß, ich fühle, daß sich mein Stolz bei seinem Anblik empört, ich fühle aber auch, daß es die Klugheit erfodert, sich zu mäßigen.

Mein Gott, wer hätte dies je gedacht? – Aber weg davon! Sage mir, Lieber, was Du jezt machest: – Gewiß auf Deiner Altane sizzen, ein Pfeifchen rauchen und an mich denken? – – O diese Dämmerungs-Stunde ist so herrlich für die Liebe! – So stille, so hinreißend, so entfernt vom Kummer, so feierlich, so kühl, ach! – wäre ich nur bei Dir! –[38]

Doch fort mit Deiner Nina ins Bett, mit Deinem Bildniß an ihrem Busen, mit Deinem Andenken im Herzen, und so soll ihr leztes Wort gute Nacht Friz seyn! – Ha! – Du schöner reizender Name, der meine Glükseligkeit ausmacht! – – – – –

Nina.


Ich muß das geschloßne Billet wieder aufreißen, ich muß Dir den heutigen Traum erzählen, der mich sehr ängstigte! – Herr Gott! – Was ich für unglükselige Affekten besizze! – Bedenke einmal, ich traf Dich mit einem Mädchen bei einer Zusammenkunft! – Um Gottes willen, was ich da in Wuth ausbrach!!! – Siehst Du, Friz, auch ohne Genuß kann man vor Eifersucht rasend werden! – Bei Gott! – Ich war ganz unsinnig! – Ich wälzte mich wie eine Verrükte im Traum herum, dann gerieth ich in solche Hizze, daß mich das Nasenbluten aufwekte. – Es ist mir heute gar nicht wohl, dieser Traum hat mich entsezlich zusammen geschlagen, und doch sey dem Ewigen knieend Dank gesagt, er war blos eine Lüge! – Da, Friz, dieser vom Traume naße Kuß soll Dir beweisen, was ich fühle! – Lebe wohl bis auf Wiedersehen! Deine

Nina.

Quelle:
Marianne Ehrmann: Nina’s Briefe an ihren Geliebten, [o. O. ] 1788, S. 37-39.
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