XXIV. Brief

[48] Guten Morgen lieber Herzens-Friz! – Hast Du wohl geschlafen? – Ich so – so –. Die ganze Nacht über dachte ich dem feurigen Grad Deiner Liebe nach, und fand, daß Dir kein anderer Sterblicher das Gleichgewicht halten würde. – Sey nicht böse, Lieber, wenn ich Dich manchmal mit meiner Zärtlichkeit quäle, verkenne nur das Wort Weib nicht in mir, denn schwach bleibt dieses Wort immer, und wenn es auch hundertmal eine Denkerinn ausdrükken kann.

Anhaltendes Unglük hat mir sogar die süße Hofnung geraubt, mich über etwas mit wahrer Gewißheit freuen zu können! – Es ist nicht meine Schuld, es ist die Schuld des Schiksals, habe Gedult mit mir, Du wirst mich einstens beßer stimmen, wenn ich an Deiner Seite bin. – Du kennst mich, und was braucht es mehr, als die Wärme Deines schlagenden Busens um ganz Dein zweites Selbst zu werden? – – Ich bin so ein verzagtes Ding, Glükseligkeit in der Liebe ist mir so neu, und ich taumle denn so im Rausch dieser Liebe dahin, ohne es recht faßen zu können. – Du kennst meine Begriffe in der Liebe, weist daß ich durch sie noch nie glüklich war, ist es nun zu wundern, daß sie mir den Kopf schwindeln macht? – Beruhige mich, so gut Du kannst, das ist alles, wofür ich Dir ewig danken will! –

Ist das nicht ärgerlich! Nun unterbricht mich gar jemand!! O ich wollte, daß .... Ich höre Holbaurs Stimme. Ha! – Der elende Kerl, soll mir bald vom Halse geschafft werden! – Gieb nur Acht! – –[48]

Hier magst Du unsere wörtliche Unterredung lesen. –

Holbaur.

Madame sind doch nicht böse, daß ich mir die Freiheit nehme, sie zu besuchen? – Seit Ihrer Bekanntschaft mit Schark, bekömmt man Sie ja gar nicht mehr zu sehen; und die schönen Wittwen sollten sich doch auch der Welt zeigen. –

Ich.

Wozu mein Herr, sollte ich mich mehr der Welt zeigen, um mir vorheucheln zu laßen, oder selbst heucheln zu lernen? – Meine Eroberungen sind schon gemacht, und ich zweifle, ob sie mich je reuen werden. –

Holbaur.

Darunter wird doch Schark nicht gezählt? – –

Ich.

Und warum nicht? – –

Holbaur.

Hm! – Ich meine nur so, weil er mich eben so wenig der Mann dünkt, der Sie verdient, als andere, die um Ihre Hand buhlen. –

(Das war auf Dich gemünzt!)

Ich.

Habe ich Sie mein Herr je zum Rathgeber aufgefodert? – Oder sind Sie von ihren eignen Verdiensten so sehr überzeugt, daß sie glauben, andere mit solcher Gewißheit verdunkeln zu können? – Wenn ich Ihr stumpfes Gefühl nicht kennte, bald würde ich Sie aus Neid zum Nebenbuhler fähig glauben. –

Holbaur.

Ich Nebenbuhler? – Holbaur, und Nebenbuhler! Ha! – Ha! – Soll ich Ihnen beweisen, daß ich es nicht bin? –[49]

Ich.

Ich wenigstens erinnere mich nicht, Sie je zu solchen Hofnungen verleitet zu haben. – So viel ich mich erinnere, so haben Sie sich in meine Bekanntschaft eingedrungen, ich duldete Sie gewißer Ursachen wegen ...

Holbaur.

Und daran thaten Sie sehr klug, sonst würde ich erst vor wenigen Stunden Anlaß gefunden haben, mich an Ihnen zu rächen. – Ob das gleich meine Sache nicht ist. –

Ich.

Sich an mir zu rächen? – – Laßen sie mich doch den Anlaß hören; verschobene Rache ist oft gefährlicher, als die Rache selbst. –

Holbaur.

Der Anlaß ist ganz natürlich. Sie unterhalten eine Bekanntschaft mit dem jungen G.... Seine Aeltern und Verwandten sind dagegen, und suchten dieses und jenes, von mir zu erfahren, weil sie wißen, daß ich Sie zuweilen besuche. – –

Ich.

Und warum haben Sie denn das, Dieses und Jenes, nicht erzählt, wenn sie etwas von Diesem und Jenem wißen? –

Holbaur.

Gott bewahre mich, daß ich ihre Freuden stören sollte! – Der junge G... ist ein guter Junge, ob er gleich zuweilen ein Bischen braußt! –

Ich.

Das mag Sie wohl von fernern Plaudereien abhalten, denn sie wißen doch recht gut, daß sich G... nicht auf der Nase tanzen läßt. –[50]

Holbaur.

O, er war immer mein Freund, und erst heute sprachen wir beide von Ihnen mit der wärmsten Entzükkung. –


(Hier fiel mir die Unterredung ein, die Du einstens mit ihm hattest, als er Dich von mir abwendig zu machen suchte. Und ich hätte den satanischen Lügner gerne bei dieser Heuchelei zum Zimmer hinaus geworfen; aber die Politik hieß mich schweigen. – Sonst stekt sich die Kanaille noch hinter Schark und schmiedet neue Kabalen. –)

Ich.

Daß mein Freund G.... mir gut ist, weis ich, ob aber Sie es so gut mit mir meinen, ist eine andere Frage? –

Holbaur.

O wüßten Sie....

Ich.

Stille mein Herr, ich höre draußen rufen! –


(Hier trat nun gerade mein Mädchen ins Zimmer.)


Siehst Du Friz, nun ist es deutlich und klar, der Bube hat Absichten auf mich. – O dürfte ich ihm doch das nächstemal die Thüre weisen! – Aber denn verfolgt er uns noch ärger, besonders izt, da er schon beinahe von unserer Liebe überzeugt ist. –

Ich kann den zudringlichen Kerl auch gar nicht mit Spott vom Halse bringen, er fühlt keine Grobheit, kümmert sich um nichts, am wenigsten um finstere mürrische Gesichter. O es ist eine abscheuliche Sache um einen Mann ohne Ehrengefühl! – Deine beste

Nina.[51]

Quelle:
Marianne Ehrmann: Nina’s Briefe an ihren Geliebten, [o. O. ] 1788, S. 48-52.
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