XLV. Brief

[82] Theurer Liebling! – Warum sah ich Dich heute nicht über die Brükke gehen? – – Diese Kleinigkeit machte mir Kummer, denn ich wußte nicht samt meinem Fernglas, was aus Dir geworden wäre. –

Wenn Du nur wohl bist, wenn Du nur keinen Verdruß hast, o dann will ich ja gerne zufrieden seyn. Friz! – Gatte! – Beßter, Einziger, ich leide wieder Angst, der[82] leichtsinnige Schark kam heute vom Wohlleben halb taumelnd nach Hause und sagte mir, er hätte sich mit Holbaur gar trefflich unterhalten, besonders hätten sie wieder vieles von mir geschwärmt. – Sein spöttischer Ton, womit er dies alles aussprach, ließ mich vermuthen, das Verrätherei vorhanden sey, und gleich fiel mir Holbaurs schändlicher Karakter ein. – Schark hatte Lust weiter zu sprechen, aber zum Glükke wurden wir von einigen freundschaftlichen Besuchen unterbrochen, und er verließ mich ohne weitere Erklährung. – Hat der Bube Holbaur geplaudert, dann soll ihm Gott gnädig seyn! – Wenn er es anders wieder wagt mein Zimmer zu betreten! O daß Du Beßter noch nicht öffentlich auftreten darfst, daß Du noch in der Stille mit mir die Schikanen des Lasters dulden mußt, das thut mir weh, weh bis zu Thränen. –

Deine Gedult werde ich Dir auch einstens hinlänglich vergelten, wenn es einem armen zerknirschten Geschöpf anders möglich ist, Dir Freuden des Lebens zu verschaffen. – Sey zufrieden, Du Liebling, an meinem guten Willen soll es nicht fehlen, macht uns das Schiksal auch Kummer, so soll es doch nicht über uns Meister werden, denn wenn auch alle Hofnungen niedergedonnert werden, so bleibt uns doch das Glük der Liebe!

Was machst Du wohl izt? – Quälen Dich etwa Deine Eltern wieder? – Herr Jesus, Friz, was das mir fremd ist, nicht von den Seinigen geliebt zu werden! – Da ich doch die ganze Zeit meines Lebens auch von den unbedeutendsten Geschöpfen geliebt worden bin. – Friz, nenne es nicht Eitelkeit, es ist vielmehr Hang zum Frieden, den ich mit jedermann stiften möchte, und mit Deinen Eltern vollends, die mir um Deinetwillen so großen Werth haben. Was kann ich dafür, daß meine Familie nicht reich, nicht von stiftsmäßigem Adel ist? – Was kann ich dafür, daß meine Eltern[83] mich so frühe zur Waise machten, und einem schröklichen Schiksal Preiß gaben? – – Es war der Vorsicht Werk, und die dürfen Christen nicht tadeln. – Glaube mir, besäße ich Hochmuth, so würde ich diesen Wunsch der Versöhnung mit Deinen Eltern unterdrükken, aber ich kann es nicht lassen, ich muß es Dir sagen, es ist mir fast unerträglich, daß sie Vorurtheil wider mich haben, schon viele Thränen hat es mich gekostet. –

Wenn Du sie von meinem Herzen, von meiner Liebe, von meiner Rechtschaffenheit nicht zu überzeugen vermagst, so sage mir lieber gar nichts mehr von ihnen, denn es geht mir immer ein Stich durch's Herz, wenn ich den Namen derjenigen höre, die mich unschuldig von sich stoßen, es ist hart, Friz, für ein fühlendes Herz, Ungerechtigkeiten zu dulden! – – Lebe wohl, und vergiß nicht Deine liebende Gattinn. –

Quelle:
Marianne Ehrmann: Nina’s Briefe an ihren Geliebten, [o. O. ] 1788, S. 82-84.
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