XLVIII. Brief

[88] Guten Morgen, Lieber, Beßter, guten Morgen! – Bist Du nicht wieder beßer? – O sage doch zu meiner Glükseligkeit, ja! – – Sag es Friz, sonst flieht mich alle Heiterkeit, und dauernder schwarzer Gram wird mein Loos! – –

Muntere Dich auf, Theuerster! – Muntere Dich auf, bald müßen sich unsere Leiden enden! – – Oder zieht sich die Sache noch in die Länge, so will ich dich bitten, sie mit Gewalt zu enden. – Nicht wahr, Friz, Du willst? – – Mit diesem festen Zutrauen in Deine Thätigkeit will ich mich jezt beruhigen. –

Als Du gestern fort warst, wollte Holbaur noch zu mir, mein Mädchen wies ihn ab, der Kerl wird immer dringender, bald glaube ich, daß er von Schark bestochen ist. – – Gott im Himmel, glauben denn die Elenden, daß sie mich von Dir abwendig machen können? – – Meine Liebe für Dich ist ja so allmächtig, meine Gutheit und Dankbarkeit zu feurig, als daß ich Dich nicht ewig lieben sollte. – Sonst wäre ich ja mehr als Heuchlerinn. –

Siehst Du, wie es mir bey solchen Ueberlegungen gleich im Kopf stürmt! – Wie dieser Kopf meinen Grundsäzzen fest folgen muß, weil mein Herz für Alles außer Dir eiskalt schlägt.

Aufrichtigkeit unter zwei Liebenden ist die erste Tugend zur standhaften Liebe, und wenn mich der höchste Richter diesen Augenblik zu sich riefe, so weis ich nichts, gar nichts, was er und Du nicht wüßtest. – Kurz, wir sind zwo Seelen, die ein Verbrechen an der Natur begiengen, wenn wir uns je trennten. Ha! – Was trennen! – So etwas ist ja unmöglich, und wenn es von meiner Seite je möglich seyn[88] könnte, so wollte ich mir lieber das Gehirn an der Wand zum Voraus versprüzzen, als Dich Liebling der Tugend, Dich, guter, braver, herrlicher Jüngling, zu hintergehen!!! –

Höre diesen Schwur allgewaltige Gottheit! zum Zeichen meiner äußersten Liebe, und Du, höre ihn auch Friz von Deiner teutsch gesinnten

Nina.

Quelle:
Marianne Ehrmann: Nina’s Briefe an ihren Geliebten, [o. O. ] 1788, S. 88-89.
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