Zweifel

[119] Könnt es jemals denn verblühen,

Dieses Glänzen, dieses Licht,

Das durch Arbeit, Sorgen, Mühen

Wie der Tag durch Wolken bricht,[119]

Blumen, die so farbig glühen,

Um das öde Leben flicht?


Golden sind des Himmels Säume,

Abwärts ziehen Furcht und Nacht,

Rüstig rauschen Ström und Bäume

Und die heitre Runde lacht,

Ach, das sind nicht leere Träume,

Was im Busen da erwacht!


Bunt verschlingen sich die Gänge,

Tost die Menge her und hin,

Schallen zwischendrein Gesänge,

Die durchs Ganze golden ziehn,

Still begegnet im Gedränge

Dir des Lebens ernster Sinn.


Und das Herz denkt sich verloren,

Besser andrer Tun und Wust,

Fühlt sich wieder dann erkoren,

Ewig einsam doch die Brust.

O des Wechsels, o des Toren,

O der Schmerzen, o der Lust!


Quelle:
Joseph von Eichendorff: Werke., Bd. 1, München 1970 ff., S. 119-120.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Gedichte (Ausgabe 1841)
Gedichte
Fünfzig Gedichte
Und es schweifen leise Schauer: Gedichte (Lyrik)
Sämtliche Gedichte und Versepen
Gedichte (Fiction, Poetry & Drama)