Vierte Szene

[817] Wald. Man hört in der Ferne Hörnerklang, der nach und nach verhallt. Plauen und Graf von Schwarzburg treten auf.


PLAUEN in die Szene hinaussprechend.

Laßt nur die Roß verschnaufen noch, wir kommen

Vor Nacht doch immer nach Marienburg.


Zu Schwarzburg.[817]


Wo sind wir hier?

SCHWARZBURG.

Das ist der Wald von Schaken.

Dorthin liegt Rehden, hier geht's nach dem Haupthaus.

PLAUEN.

Da klingt die Jagd recht fröhlich noch herüber.

SCHWARZBURG.

Und alle Vögel singen zum Valet.

PLAUEN.

Laß uns ein wenig rasten hier im Grünen.


Sie lagern sich auf den Rasen.


Sieh, wie die Sonne herrlich untergeht

Und Feld und Strom und Wald in Feuer löst,

Als wollt sie all mit sich hinübernehmen.

Ein königlich Gestirn! Ich wollt, ich hätte

Mein Haus bestellt, wie sie, und schiede so.

SCHWARZBURG.

Sprich nicht vom Scheiden, Herr, schau nun einmal

Auch hinter dich und freu des reichen Blicks dich

Auf das, was du vollbracht.

PLAUEN.

Täusch dich nicht, Günther!

Ich glaubt es auch, es wäre was, den Orden

Herauszuschlagen aus der höchsten Not.

Was nützt's dem Greis, ihn aus der Haft zu lösen?

Er taumelt in der ungewohnten Luft.

Das Unglück fand sie zag, das Glück hoffärtig

So rennt die Zeit uns um, die Gott gegeben

In unsre Hand, sie zu ihm aufzurichten.

SCHWARZBURG.

Wie und du wendest dich, und gibst uns auf?

PLAUEN.

So gebe Gott mich auf, wenn ich das tue!

Nein, an den frischen Morgen glaub ich fest,

Solang die Sonn noch einzle Höhn vergoldet

Und einer noch das Rechte will, wie du.

Dich, Schwarzburg, traf ich überall, wo's galt,

Und komm ich nicht lebendig aus dem Handel:

Ich wüßte keinen sonst dich setzt ich gern

Zum Erben ein der freudigen Gedanken.

SCHWARZBURG.

Mein Herzblut, Herr, für dich! doch einsam nicht,

An deiner Seite denk ich einst zu fechten.

PLAUEN.

Gleichviel, wenn es nur ausgefochten wird.

Sieh, Günther, junge Ritter nahn aus Deutschland,

Die jetzt, zur Zeit der Not, in kühner Lust

Der ersten morgenfrischen Jugendliebe[818]

Das Kreuz genommen um des Kreuzes willen.

Sie will ich stellen über alle andre,

Wie Sterne über der verworrnen Nacht.

Mit neuer strenger Satzung, wie's mir leuchtend

Bei Tag und Nacht die Seele füllt, will ich

Den Orden rüsten und ein stark Geschlecht

Von Brüdern auferziehn, an die kein Herr

Der Erde fürder mehr Gewalt soll haben,

Weil sie dem höchsten Herren wahrhaft dienen.

Doch dazu brauch ich Krieg, daß er die Seelen

Aufrüttle aus dem Schlaf und erst den Grund

Uns feststampft zu dem Bau.

SCHWARZBURG.

Doch das Kapitel

Beschloß den Frieden jüngst und nimmer fügen

Sie solcher neuen Ordnung sich.

PLAUEN.

Sie müssen!

Du selbst warbst mir das Söldnerheer und führtest

Sie in das Land

SCHWARZBURG.

Herr ich versteh dich nicht.

PLAUEN.

Meinst du, ich dürfte hier noch andre fragen,

Als Gott und mich? Gab mir der Herr das Schwert,

So muß ich's brauchen nun! Da kommt ein Fremder.


Rominta in Ritterkleidung tritt auf.


ROMINTA.

Wer ruht so sorglos dort im Dämmerschein,

Durch den die Mörder schleichen?


Sie erkennt Plauen und sinkt zu seinen Füßen.


Hoher Herr!

PLAUEN.

Was bringst du, wunderlicher Bote, mir?

ROMINTA.

O Herr, brich eilig auf von hier! Trau nicht

Der falschen Stille! Sommerfäden spinnen

Im Zwielicht draußen Netze überm Plan,

Die Wipfel flüstern heimlich zueinander

Und auf den Zehen, wie wir sprechen hier,

Naht leis der Mord!

SCHWARZBURG aufspringend.

Was faselst du von Mord?

PLAUEN zu Rominta.

Dein Auge scheint verstört und sieht Gespenster

In stiller Luft.

ROMINTA.

O glaubt mir doch nur! glaub mir!

Ermorden wollen sie dich hier im Wald.[819]

Der Wirsberg sann es aus und harrt auf Rehden,

Dort sammeln sich die Mörder nach der Tat.

SCHWARZBURG.

Verworrne Mär! Und doch der schwanke Wirsberg

PLAUEN.

Wer bist du selbst? ich sah dich nie vorher.

ROMINTA.

O hätt auch ich dich nimmermehr gesehn!

PLAUEN.

Und suchst und warnst mich doch?

ROMINTA.

O frag mich nicht!

Ich lieb den Stern, kann er auch mein nicht werden,

Ich lieb den Blitz in Nacht, wenn er auch tötet,

So unermeßlich groß ist ja die Liebe!


Sie verbirgt ihr Gesicht an seinen Knien.


PLAUEN aufstehend.

Was ist dir denn? Du zitterst ja Du weinst

ROMINTA.

O fragt nicht weiter, unbarmherz'ge Männer!

Schwingt auf die Roß euch! draußen, wenn die Nacht

Mich dicht verhüllt, will ich dir alles sagen.

Mit meiner Brust will ich dein Herz beschirmen,

Und bin ich tot, gedenkst du meiner doch!

PLAUEN der sie aufmerksam betrachtet hat.

Seltsamer Knab. So junges Herz vergiftet

Mit Falschheit nicht der Augen reinen Quell.

So sage denn: ist Rehden schon bemannt?

ROMINTA.

Seitwärts vom Schlosse lagern fremde Scharen,

Geheimnisvoll in Schluchten rings zerstreut,

Doch auf der Burg, als ich vorüberritt,

War's leer und still vom Grund noch bis zur Zinne.

PLAUEN.

Wohlan! so will ich hin! Zeig uns den Weg!

Dein Leben haftet mir für deine Zunge.

SCHWARZBURG.

Bedenke! so allein in Wald und Nacht

PLAUEN.

Ich kenn die Schlüfte dort, rechts an den Wällen

Gelangen ungesehen wir ans Tor.

SCHWARZBURG.

Und wenn der Knabe wirklich wahr gesprochen?

PLAUEN.

So faß ich die Verräter, eh sie's denken,

Und lehr den Wirsberg, ehrlich sein

Mit seinem treuen Herrn! Frisch auf nach Rehden!


Alle ab.

[820] Nikolaus von Renys und Friedrich von Kinthenau treten auf.


KINTHENAU.

Er weilt im Walde noch das ist der Kreuzweg,

Hier muß er durch. Der Pfad ist schmal, sie pflegen

Zu Fuße hier den kurzen Weg zu gehn,

Derweil die Knecht am Saum des Waldes reiten.

Drei wackre Burschen lauern dort am Busch,

Sie sollen uns des Plauen Jagdtroß greifen.

RENYS.

Der Mond ist schon herauf. Wo bleibt der Wirsberg?

KINTHENAU.

Laß ihn! so schwerer wiegt am Zahlungstage

Des Dankes Schuld, wenn wir's allein vollbringen.

RENYS.

Ich wollt, es wär vorüber. Dieses Rauschen

Der Wälder durch die weite Einsamkeit,

Es macht mich noch verrückt.

KINTHENAU.

Horch, Pferdetritt!

STIMME draußen.

Führt dort die Roß herum und wartet drunten.

RENYS.

Ein Ordensmantel schimmert bleich

KINTHENAU.

Er ist's!

KÜCHMEISTER auftretend.

Eine schöne, klare Nacht

RENYS mit gezogenem Schwert auf ihn eindringend.

Mach Platz da, Dränger!

KINTHENAU ihm in den Arm fallend.

Zurück! Küchmeister ist's! Verfluchtes Blendwerk!

KÜCHMEISTER sie verwundert ansehend.

Was soll's, ihr Herrn? im Harnisch hier?

KINTHENAU.

Verzeiht

Wo zieht Ihr hin so spät noch?

KÜCHMEISTER.

Zum Kapitel

Nach der Marienburg. Ich aber meine,

Ihr hieltet hier für einen Höhern mich.

KINTHENAU nach einer Pause.

Und wär's nun so den Ihr im Sinne führt,

Ihr seid sein Feind und habt des guten Grund,

Er kränkt' Euch hart.

KÜCHMEISTER.

Das tat er, und ich will's

Ausfechten mit ihm doch was kümmert's Euch?

KINTHENAU.

Es könnte leicht die Nacht verhaltnem Groll

Das Schwert zur Rache reichen.


Man hört Lärm und Waffengeklirr.[821]


KÜCHMEISTER.

Horch, da zuckt

Das Schwert schon! Merkt ich's doch: Dem Meister gilt's!

Denkt, Buben ihr, daß ich im Finstern morde?

Den Plau'n regierte Gottes Hand, gen Rehden

Sah ich ihn sturmschnell eben ziehn.

KINTHENAU.

Gen Rehden?

So ist verloren alles!

KÜCHMEISTER.

Und kein Haar

Krümmt ihr dem Plau'n! nur über meine Leiche

Erreichst du ihn, Rebell! Zieh, grauer Sünder!


Er zieht.


RENYS der immer mürrisch schweigend dagestanden, plötzlich mit bloßem Schwert vortretend.

Nun denn! hervor! ich haß dich, Henkershelfer,

Gleichwie den Plau'n, und eure ganze Horde!


Sie fechten.


KINTHENAU zurücktretend.

Da drängt Küchmeisters Schar heran mit Fackeln,

Wie Furien rings aus allen Hecken wachsend!

Wir sind verraten! Fort! ich flieh nach Polen!

Mach Platz dem Wahnsinn, wem sein Hirn noch festhält!


Ab.

Küchmeisters Diener mit Fackeln treten auf.


ERSTER DIENER.

Wer eilte dort hinunter? Setzt ihm nach!

ZWEITER.

Laßt, laßt! dort ist der Bluthund!

DRITTER.

Helft dem Herrn!


Sie mischen sich in den Kampf. Renys wird verwundet.


RENYS.

Verflucht der falsche Boden, der das Blut

Der eignen Kinder trinkt! Molch, Schierling schieße

Aus jedem Tropfen und verpest die Luft!

Verflucht der Orden! und in Fluch verkehre

Berauschend sich sein Glück, Macht, Gold daß trunken

Dereinst von wilder Gier, wie Hunde einer

Den andern würgt bis alles öde wüst.


Er stirbt.


KÜCHMEISTER.

Der Wütende ist still auf ewig. Tragt ihn

Hinunter auf ein Saumroß und dann fort

Aus diesem Wald, wo Mord die Nacht befleckt.

Weh Plauen dir, der solchen Sturm geweckt!


Renys wird fortgetragen.

Alle ab.


Quelle:
Joseph von Eichendorff: Werke., Bd. 1, München 1970 ff., S. 817-822.
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