[825] Vor Tagesanbruch. Freies Feld, im Hintergrunde sieht man verlöschende Lagerfeuer. Graf Günther von Schwarzburg führt rasch den Jost von Hohenkirch an der Hand herbei.
SCHWARZBURG.
Dort lagert rings das neue Söldnerheer
Sie schlafen alle noch, komm, komm tritt sachte
Mit deiner Botschaft auf, daß du den Tag
Nicht weckst, der leise auf den Höhen schlummert.
Ich weiß hier sollt ich von dem Meister hören.
Warum von Rehden sandt er mich hierher?
Woher die Eil, das Söldnerheer zu ordnen?
Zerstört ist ja der Anschlag der Rebellen.
HOHENKIRCH.
Ihr laßt mich nicht zu Worte kommen, Herr[825]
SCHWARZBURG.
Ich habe Furcht vor dir und deinem Worte
Und möchte gern die Angst mir noch verschwatzen.
Nun denn in Gottes Namen rede nur!
HOHENKIRCH.
Der Meister läßt Euch seinen Gruß entbieten:
Versammelt sei'n die Herrn nun zum Kapitel
Ihr wüßtet schon das sei die rechte Zeit.
Drum sollt Ihr rasch nun gen Marienburg
Die Söldner führen, und das Tor besetzen,
Und keinem ein- und auszugehn verstatten,
Bis er es selbst Euch heißt.
SCHWARZBURG.
O meine Ahnung!
HOHENKIRCH.
Was sinnt Ihr so?
SCHWARZBURG.
Nun, das ist eine Botschaft!
Ich bitt dich, Jost, geh, ruh dir an den Zelten,
Nur einen Augenblick laß mich allein!
Hohenkirch ab.
SCHWARZBURG allein.
Herrgott, Herrgott! das also, Plauen, war
Das ferne Wetterleuchten deiner Seele,
Das oft in stillen Stunden mich erschreckt!
Und nun das Wetter unversehns hereinbricht,
Steh ich allein hier auf des Landes Hut
Und schaudere die Sturmglock anzuziehn!
Fort! nach Marienburg reit ich allein,
Sein Knie umklammre ich und fleh und weich nicht,
Er darf, er soll nicht weitergehn! Was hülf es?
Unbeugsam ist sein Sinn, und solchem Willen
Dient die geschäft'ge Welt, die er verschüchtert.
Heraus stellt er sich einsam vor die Welt,
Wie 'n schlechtes Bild sie anders umzuzeichnen.
Wer darf je sagen von sich selbst, er habe
Recht gegen seine Zeit? Was ist die Meinung
Des einzelnen im Sturm der Weltgeschichte,
Die über uns ein höhrer Meister dichtet,
Uns unverständlich und nach andern Regeln.
Nicht rühren soll er mit der Menschenhand
An diesem Ritterbund, den Gott gefügt,
Dem ich verschworen mich mit tausend Eiden!
O Heinrich! Heinrich, Herzensbruder! wärst du
Im dicksten Schlachtgewühl, ich hieb' dich raus!
Nun, lieber Meister, kann ich's nicht Leb wohl!
Tu du, was du für recht erkannt ich auch![826]
Wir sind doch eines Fels verschiedne Quellen,
Ein Meer ja ist es, das wir redlich suchen
Gott richte da, wer von uns beiden irrte!
In die Szene rufend.
He, Hohenkirch!
HOHENKIRCH auftretend.
Ich harre Eurer Antwort.
SCHWARZBURG.
Weißt du des Meisters Plan und rechte Absicht?
HOHENKIRCH.
Nicht mehr, als ich Euch eben sagte, Herr.
SCHWARZBURG.
Nun denn, wenn du ihn liebst, so flieg zurück
Jetzt nach Marienburg und sag dem Meister:
Ich wüßt im ganzen Land hier keinen Feind,
Der stünd in Polen vor der Tür. Dorthin
Führt ich das Söldnerheer und woll es legen
Auf Straßburg, Soldau, Ortelsburg, wo ich
Des Ordens weiteren Befehl erwarte.
Nun reite schnell und Gott beschütz den Meister!
Hohenkirch geht ab.
Will denn das Morgenrot heut nicht herauf?
In den Hintergrund rufend.
Auf! rührt die Trommeln, laßt zum Aufbruch blasen!
Ab.
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