Dritte Szene

[887] Einsamer Waldplatz. Flitt tritt auf, sieht sich nach allen Seiten um und pfeift dann auf dem Finger. Knoll erscheint im Hintergrunde und beantwortet das Signal auf dieselbe Weise.


FLITT. Bist du toll! Wozu pfeifst du erst, Hanswurst, wenn du selber schon da bist?

KNOLL. Damegogen und Karbonaden! das ist der Komment so, wo's was Verschworenes gibt.

FLITT. Ich bitt dich, liebstes Ungeheuer, möchtest du nicht die Güte haben und hier deinen Rachen ein wenig zähmen? Du kommst schon wieder wie ein Haifisch dahergefahren und schnappst nach den Trümmern deiner in Tertia gestrandeten Gelehrsamkeit. – Sprich, alter bemooster Tertianer, sind die Pferde am Walde bereit?

KNOLL. Rosse und Karosse und alle Madrigalien nebst Impertinenzen sind zu der Entführung prädesteniert.

FLITT. Ich glaube gar, du hast deine alte fliegende Kalesche mitgebracht, in der du immer zum Ochsenmarkt fährst, mit deinem Brustbild von gelben Zwecken an der Tür. Die rumpelt ja in der Nacht, daß man uns bis zum andern Morgen hört, und hängt von der einen Seite hintenüber; ich hoffe, sie sollen dich, wenn's einmal flink über die Steine geht, draus verlieren wie einen Sack voll Kaldaunen.

KNOLL. Labet egal! Es wird mich niemand in die Tasche stecken. – Aber warum treten Ew. Gnaden hier Ihrem eigenen Schatten auf die Fersen im Mondscheine? Warum sind Sie nicht schon im Garten, auf dem Place de Grandefuß? Sie haben doch dort nicht etwa ein Haar drin gefunden?

FLITT. Nein, sondern einen ganzen Schopf von Haaren; ich weiß nicht, welchem Querkopf er angehören mochte. Dort ist es nicht geheuer. Aber es tut nichts. Wir wollen die[887] Gräfin hier erwarten, hier muß sie durchaus vorüberkommen, wenn sie zu dem verabredeten Platze geht. Gib acht! sobald sie kommt, stellst du dich als chinesisches Lusthaus oder umgestülpte Baumwurzel zur Seite – für den Notfall – ich aber bringe die Gräfin über die Rosen und Vergißmeinnicht lieblicher Redensarten zu den Pferden, du begleitest uns immerfort in einiger Entfernung wie eine Batterie von schweren Stücken und triffst mit uns zugleich am Wagen ein. – Gelingt es, Knoll, so will ich dich mit kalekutischen Hähnen und Rinderkeulen vollstopfen und dann in goldene Reifen schlagen –

KNOLL. Schlagen? – Ja, ich hoffe, wir sollen heute hier die schönsten Prügel bekommen. Aber es verschlägt nichts. So ein Spaß ist schon ein Dutzend Beulen und Rippenstöße wert; mir kommen sie nicht so leicht durch den Speck.

FLITT. O du gemeine Seele! – O du sanguinische, materialistische Talggrube, in der der Teufel nichts tut, als Schmalz kochen, den er nächstens als Speckschwarte in seinem Schornstein aufhängen wird, den –

KNOLL. Silentium! da ist sie, da ist sie! Ich nehme meinen Abtritt. Er tritt hinter die Kulissen.

FLITT. Wahrhaftig, da kommt die Gräfin wie die bleiche Furcht dahergeflattert. Sie wird noch den Nelkenstrauß verlieren – wie der grüne Schleier im Winde fliegt! –

SCHLENDER noch in der vorigen Damenkleidung mit herabgelassenem Schleier, atemlos hereinstürzend. Flitt – rette mich! – Verraten – Offiziere und zehn oder hundert Gemeine und blanke Schwerter und Dolche und alles hinter mir drein! –

FLITT. Wo? ich hoffe doch nicht gar. – Nun gilt es rasch sein! Schnelle Pferde sind bereit, ergebene Treue denkt an alles. –

SCHLENDER. Was? –

FLITT. Der starke Gott der Liebe steht voll Schwermut uns zur Seite, und bei dem ersten Morgenstrahl beschirmt ein Strohdach zwei beglückte Herzen!

SCHLENDER. Wie?

FLITT. Um Gottes willen! nur keinen Laut jetzt, sonst sind wir alle verloren –

SCHLENDER. Aber –

FLITT. Nur still, nur fort! – Schlendern mit einem Arm umfassend und fortführend, für sich. Süße Beute! Nun laß die Narren mit ihren Wünschelruten angeln, ich hab den Schatz gehoben. –[888] Schlau muß man sein!


Ab mit Schlender.


KNOLL aus seinem Hinterhalte den andern rasch folgend. Katabomben und Sonaten, ich deck das champs de canaille! –


Quelle:
Joseph von Eichendorff: Werke., Bd. 1, München 1970 ff., S. 887-889.
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