Die Harmlosen

[104] So lang uns aus den Bechern

Ein volles Leben lacht,

So mag die Welt uns lächern,

Die sich Gedanken macht;

Gedanken, ob es schicklich,

Zu tollen bei dem Wein –

Wir wollen nichts als glücklich

Und ungeschoren sein!


Ein Häuflein von Gedanken

Durchbrauset jetzt die Welt,

Und aus den alten Schranken

Tritt ein verjüngter Held.

Er wird dereinst besiegen

Die alte morsche Macht,

Das stolze Reich der Lügen

Umstürzen über Nacht.
[104]

Wir halten an den Bechern,

Sie trösten heut allein –

Bis Zeit ist, von den Dächern

Zu predigen vom Wein!

Es soll der Wein der Reben

Verscheuchen jeden Schmerz;

Der Liebe Wein beleben

Berauschen jedes Herz!


So lange drum gebunden

Die Zunge und der Arm,

Verzechen wir die Stunden,

Verjubeln wir den Harm.

Wir fragen nicht, ob schicklich,

Zu tollen bei dem Wein –

Und wollen nichts als glücklich

Und ungeschoren sein.

Quelle:
Ludwig Eichrodt: Leben und Liebe, Frankfurt a.M. 1856, S. 104-105.
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