Epigonenthum

[206] Was schleppet ihr in müßgen Frohnen

Ein Pfündchen zu dem Haufen Gold?

Ihr seid und bleibet Epigonen,

Ihr mögt euch stellen, wie ihr wollt!


So hör ich unsre Weisen sagen,

Und fühle fast, sie haben Recht,

Doch nicht sogleich will ich verzagen,

Denn auch ein Pfündchen Gold ist ächt.
[206]

Doch sei es Gold! Heraufgegraben

Tief aus den Schachten des Gemüths

Doch goldne Tugend soll er haben

Der Klang und Schimmer eures Lieds!


O suchet mehr, als nur zu glänzen,

Und denket an ein altes Wort,

Wollt ihr bereichern und ergänzen

Der Dichtung Nibelungenhort!


Ihr sollt nicht künsteln, nie erheucheln

Zum Selbstgenuß ein Herzensfest,

Ihr sollt nicht falschen Göttern schmeicheln,

Wenn euch die innre Macht verläßt.


Gebt Leidenschaft! euch selbst! so findet

Ihr ohne Künste Form und Ton,

Glaubt an die Welt, die ihr verkündet!

Der Lügner nur ist Epigon.

Quelle:
Ludwig Eichrodt: Leben und Liebe, Frankfurt a.M. 1856, S. 206-207.
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