Sickingens Vermächtniß

[310] Einst lag die Welt in Nacht befangen,

Kein hell Gestirn war aufgegangen,

Nur eine matte Sternenpracht

Hinflimmerte durch tiefe Nacht.


Jetzt ist die Leuchte angezündet,

Der Tag erstritten und verkündet,

Und nur ein Uebel wolkendicht

Verdämmert uns das Sonnenlicht.


Jedweder sieht die Nacht gelichtet,

Zur Sonn ist jeder Blick gerichtet,

Wir harren, ob der Nebel sinkt,

Der Strahl erwärmend zu uns dringt.
[310]

Wir spähen, tappen, rathen, suchen,

Es geht ein Beten und ein Fluchen

Umsonst besteigen wir den Thurm,

Eins thut uns noth – es ist der Sturm.

Quelle:
Ludwig Eichrodt: Leben und Liebe, Frankfurt a.M. 1856, S. 310-311.
Lizenz:
Kategorien: