12. Szene

[303] Volles Mondlicht.

Faust – Mephisto – die Königin.


KÖNIGIN kommt schnell, ein Tuch verschleiernd übergeworfen.

Bleib! Geh' zur Tafel nicht! Es droht

dir von Verräterhand der Tod!

MEPHISTOPHELES.

Solch' Todesurteil läßt sich unterschreiben,

das Leben will zu Leben treiben!


Ab.


KÖNIGIN.

Ob Recht, ob Unrecht diesen Weg mich trieb –

Ich weiß es nicht. Ich will es auch nicht wissen!

Ein Mann mag wägen, wo das Rechte blieb –

Wir Frauen fühlen, was wir müssen!

Magst du ein Mörder, ein Verräter heißen,

mit aller dunklen Macht in Bindung stehen:

Ich hab' das Lichte aus dir strahlen sehen,

sie sollen dich nicht vor den Henker reißen!

Drum flieh! Der König sinnt dir Böses an:

Man hat mit tausend schwarzen Taten

auch deinen Namen ihm verraten!

Dies Festmahl dient nur einem argen Plan.

Leb wohl, mein Freund! Frag' nie um mich,

es geht um Größeres: Rette dich!

FAUST.

Bleib! Wunderbare! Ist es wahr,

daß solches Licht auf Erden lebt?!

Was soll mir Tod noch und Gefahr,

wenn mich Erlösung schon erhebt?!

Wie Balsam fließt es in die Wunden,

die mein zerriss'ner Busen trägt:

Ich hab das eine, eine Herz gefunden,

das an mich glaubt und mit mir schlägt!

Kriecht nur heran! Hier steh' ich reich und frei

und lache eurer Stümperei!

KÖNIGIN.

Verwegener! Dein Wort ist Tod!

Schon hör' ich Lärm – – – den König nahen!

FAUST reißt sie an sich.

Hier ist dein König! Dein Gebot!

Sie sollen schau'n, was nie sie sahen:[303]

Zwei Menschen, die aus reiner Welt

ein hoher Geist verbunden hält!


Lärm nähert sich.


Quelle:
Bruno Ertler: Dramatische Werke. Wien 1957, S. 303-304.
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