Die Danaide

[71] Wenn der Tag verdämmert, steigen Sterne,

Morgenrot führt neuen Tag herein,

Endlos rauscht es aus der dunklen Ferne,

Ach, wann wird die letzte Welle sein?


Sind denn unerschöpflich jene Schalen?

Immer steigt und fließt die volle Flut,

Und es ist ein Meer von tiefen Qualen

Und es ist ein tiefes Meer von Blut.


Schöpfen muß ich, bis der letzte Tropfen

Zitternd hier an meinem Siebe hängt.

Könnten Klagen diese Quellen stopfen,

Wäre längst der Strom zurückgedrängt.


Schöpfe, schöpfe, müde Danaide,

Schweige, dulde, denn die Fluten schwellt

Nur dein Jammer, der vom heißen Lide

Tränenschwer in deine Schale fällt.


Quelle:
Gustav Falke: Ausgewählte Gedichte. Hamburg 1908, S. 71.
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