Zwölftes Kapitel.

[299] Nähert sich immer mehr dem Ende.


Nachdem Jones völlig angezogen war, begleitete er seinen Onkel nach der Wohnung des Herrn Western. Er war wirklich eine von den schönsten Figuren, welche jemals gesehen worden, und seine Person allein würde schon den größten Teil des weiblichen Geschlechts in ihn verliebt gemacht haben; jedoch wir hoffen, es habe schon sattsam aus dieser Geschichte erhellt, daß die Natur, als sie ihn bildete, nicht, wie sie wohl zuweilen thut, sich bloßerdings auf dieses Verdienst verließ, um ihr Kunstwerk zu empfehlen.

Sophie, welche bei all ihrem Zorne sich gleichfalls auf's vorteilhafteste angekleidet hatte (aus was für Ursachen, das lasse ich meine Leserinnen ausmachen), trat in so außerordentlicher Schönheit daher, daß selbst Alwerth, als er sie sah, sich nicht enthalten konnte, dem Junker Western leise ins Ohr zu sagen, er glaube, sie sei das schönste Geschöpf auf der Welt. Worauf Western mit einem Geflüster, das alle Gegenwärtige verstehen konnten, antwortete: »Dest' besser für Thom's; denn 'n Schelm will 'ch sein, wenn s' Thom's nicht in d' Lappen kriegen soll!« Sophie ward bei diesen Worten so rot wie Scharlach, unterdessen daß Jones im Gesicht fast ebenso blaß wurde und fast von seinem Stuhl gesunken wäre.

Kaum war der Theetisch weggenommen, als Western den Herrn Alwerth aus dem Zimmer zerrte und ihm sagte, er habe ihm was Wichtiges zu sagen, er müsse also den Augenblick allein mit ihm sprechen, ehe er es wieder vergäße.

Die Verliebten waren nun bei einander allein; und es wird, wie ich nicht zweifle, vielen von meinen Lesern wunderbar scheinen, daß zwei Personen, die einander soviel zu sagen hatten, als noch ihre Unterredung mit Gefahr und Schwierigkeiten verknüpft war, die so begierig schienen, einander in die Arme zu laufen, als sich noch so viele Gräben und Schlagbäume auf ihrem Wege befanden, jetzt, da sie ganz gemächliche Freiheit hatten, einander zu sagen, was sie wollten, eine ziemliche Zeit stumm und unbeweglich da saßen; dergestalt, daß ein Fremder von mäßiger Scharfsichtigkeit gar wohl hätte schließen können, sie wären einander ganz gleichgültig. Aber so war's nun einmal, so wunderbar es auch scheinen mag! Beide saßen da mit auf die Erde gewandtem Blick und beobachteten einige Minuten durch ein totes Stillschweigen.

Während dieser Zwischenzeit strebte Jones ein-oder ein paarmal zu sprechen; aber es war ihm durchaus unmöglich. Er murmelte oder vielmehr seufzte bloß ein paar abgebrochene Worte; als Sophie endlich teils aus Mitleid mit ihm, teils um das Gespräch von dem Gegenstande abzulenken, welchen er, wie sie wohl wußte, aufzuwerfen bemüht war, sagte:

»Gewiß, Herr Jones, Sie sind der glücklichste Mann von der Welt bei dieser Entdeckung.« – »Können Sie mich wirklich für so glücklich halten, gnädiges Fräulein,« sagte Jones mit Seufzen, »derweil ich mir Ihr Mißfallen zugezogen habe?« – »Was das[300] betrifft, Herr Jones,« sagte sie, »so wissen Sie am besten, ob Sie es verdient haben!« – »In der That, gnädiges Fräulein,« antwortete er, »Sie selbst sind ebenso gut von allen meinen Verschuldungen unterrichtet. Madame Miller hat Sie mit der ganzen Wahrheit bekannt gemacht. O, meine Sophie, soll ich niemals auf Verzeihung hoffen dürfen?« – »Ich sollte denken, Herr Jones,« sagte sie, »ich dürfte mich auf Ihre eigne Gerechtigkeit berufen und es Ihnen selbst überlassen, ein Urteil über Ihre eigene Aufführung zu sprechen!« – »Ach, gnädiges Fräulein,« antwortete er, »ich flehe Ihre Gnade an, und nicht Ihre Gerechtigkeit. Die Gerechtigkeit, ich weiß es, muß mich verurteilen – aber nicht des Briefs wegen, den ich an Frau von Bellaston gesendet habe. Von diesem haben Sie, ich beteur' es auf's feierlichste, eine getreue Nachricht erhalten.« Er legte alsdann ein großes Gewicht auf die Versicherungen, die ihm Nachtigall gegeben, daß er ihm einen gerechten Vorwand an die Hand geben wolle, abzubrechen, wenn die Dame, wider alles ihr Erwarten, seinen Antrag hätte annehmen wollen; dabei bekannte er aber, daß er sich einer großen Unvorsichtigkeit schuldig gemacht, indem er ihr einen solchen Brief in die Gewalt gegeben; »wofür ich,« sagte er, »durch die Wirkungen, die er auf Sie gethan hat, sehr teuer habe bezahlen müssen.«

»Ich will und kann,« sagte sie, »von diesem Briefe nicht anders denken, als Sie wollen, daß ich denken soll. Mein Betragen, glaube ich, zeigt Ihnen deutlich genug, daß ich nicht meine, daß eben viel an dieser Sache gewesen sei. Aber, Herr Jones, habe ich außerdem nicht sonst noch genug übelzunehmen? Nach dem, was zu Upton vorging, sich so bald wieder in eine Liebessache mit einem andern Frauenzimmer einzulassen, derweil ich mir einbildete und Sie es vorgaben, daß Ihr Herz meinetwegen blutete! – In der That, Sie haben ganz seltsam gehandelt! Kann ich die Leidenschaft, die Sie mir beteuern wollten, für aufrichtig halten? Oder wenn ich's auch kann: was für Glückseligkeit kann ich mir von einem Manne versprechen, der so sehr der Unbeständigkeit unterworfen ist?« – »O meine Sophie!« sprach er, »zweifeln Sie nicht an der Aufrichtigkeit der reinsten Flamme, die nur jemals in einer menschlichen Brust gelodert hat. Denken Sie, verehrungswürdigste Seele, an meine unglückliche Lage, an meine Verzweiflung. – Hätte ich, meine teuerste Sophie, mir nur mit der entferntesten Hoffnung schmeicheln können, daß es mir jemals erlaubt sein würde, mich, wie jetzt, zu Ihren Füßen werfen zu dürfen; es wäre nicht in der Macht irgend eines andern weiblichen Geschöpfs gewesen, mir nur einen Gedanken einzuflößen, den die strengste, züchtigste Keuschheit verwerflich befunden haben könnte. Unbeständigkeit gegen Sie! – O Sophie, wenn Sie so viele Güte haben können, mir das Vergangne zu verzeihen, so lassen Sie keine grausame Besorgnis fürs Zukünftige Ihr Mitleid gegen mich verschließen. Keine Reue ist jemals so aufrichtig gewesen! O, lassen Sie mich solche mit meinem Himmel in diesem mir so teuren Busen aussöhnen.« – »Aufrichtige Reue, Herr Jones,« antwortete sie, »erhält Verzeihung für[301] einen Sünder; aber sie erhält sie von einem, der ein zuverlässiger Richter von dieser Aufrichtigkeit ist. Der Verstand eines Menschen kann hintergangen werden, und es gibt kein unfehlbares Mittel, es zu verhindern. Sie müssen indessen erwarten, daß, wenn mich Ihre Reue dahin bringen kann, Ihnen zu verzeihn, ich wenigstens auf den stärksten Proben von der Aufrichtigkeit dieser Reue bestehe!« – »O, nennen Sie mir jede Probe, die in meinem Vermögen steht!« antwortete Jones mit großer Lebhaftigkeit. – »Zeit,« erwiderte sie, »die Zeit allein, Herr Jones, kann mich überzeugen, daß Sie das Vergangne wirklich bereuen, und den festen Vorsatz haben, diese ausschweifende Lebensart zu verlassen, wegen welcher, wenn ich Sie für fähig hielte, darin zu beharren, ich Sie verabscheuen würde.« – »Glauben Sie das nicht,« rief Jones; »auf meinen Knieen bitt' ich Sie, flehe ich um Ihr Vertrauen! Und ich werd' es mir zum angelegentlichsten Geschäft meines Lebens machen, dies Vertrauen zu verdienen!« – »Nun, so lassen Sie es denn,« sagte sie, »das Geschäft einesteils Ihres Leben sein, mir zu zeigen, daß Sie es verdienen. Mich deucht, ich habe mich deutlich genug erklärt, wenn ich Sie versichre, daß, wenn ich sehe, Sie verdienen mein Vertrauen, Sie es auch erhalten sollen. Können Sie erwarten, Herr Jones, daß ich, nach dem, was vorgegangen ist, Ihnen so bloß auf Ihr Wort glauben werde?«

Er erwiderte: »Trauen Sie mir nicht auf mein bloßes Wort! Ich habe ein besseres Unterpfand, einen Bürgen für meine Beständigkeit, den es unmöglich ist zu sehen und noch zu zweifeln.«

»Welchen Bürgen?« sagte Sophie mit einiger Verwunderung. – »Den will ich Ihnen zeigen, meine verehrungswürdigste Sophie,« rief Jones, indem er ihre Hand ergriff und sie nach ihrem Spiegel führte. »Da, sehen Sie da! In dieser liebenswürdigen Bildung, in dieser Gestalt, diesem Wuchse, diesen Augen, in dieser Seele, welche aus diesen Augen spricht! Kann der Mann, der durch den Besitz von diesem allem beglückt wird, unbeständig sein? Unmöglich, Sophie! Den leichtsinnigsten Menschen, der jemals in der Welt gelebt hat, würden Sie beständig machen. Sie könnten nicht dran zweifeln, wenn Sie sich durch andre als Ihre eignen Augen sehen könnten.« Sophie errötete und lächelte halb; zwang aber ihre Stirn wieder ein wenig in Falten und sagte: »Wenn ich aus dem Vergangnen auf die Zukunft schließen soll, so wird mein Bild ebensowenig in Ihrem Herzen haften, wenn ich Ihnen aus dem Gesichte bin, als es in diesem Spiegel haftet, wenn ich aus diesem Zimmer gehe.« – »Beim Himmel! bei allem, was heilig ist!« sagte Jones, »es ist nicht einen Augenblick aus meinem Herzen gewesen. Die zarte Empfindsamkeit Ihres Geschlechts kann sich die grobartigere des unsrigen nicht vorstellen; ebensowenig, wie gewisse Liebschaften das geringste mit dem Herzen zu schaffen haben.« – »Ich werde mich niemals mit einem Manne verbinden,« erwiderte Sophie sehr ernsthaft, »der seine Empfindungen nicht bis zu dem Grade verfeinern lernt, daß es ihm ebensowohl, als mir selbst, unmöglich werde, einen solchen Unterschied zu machen.« – »Ich will es lernen,«[302] sagte Jones, »und hab' es bereits gelernt. Der erste Augenblick der Hoffnung, daß Sophie meine Gattin werden könnte, hat mich's auf einmal gelehrt, und alle übrigen ihres Geschlechts blieben von dem Augenblick an ebensowenig der Gegenstand der Begierden meiner Sinne, als der Leidenschaft meines Herzens.« – »Wohl!« sagte Sophie; »den Beweis hiervon muß mir die Zeit geben. Ihre Lage, Herr Jones, hat sich jetzt geändert, und ich versichre Sie, ich freue mich über diese Veränderung. Es wird Ihnen nunmehr nicht an Gelegenheiten fehlen, in der Nähe um mich zu sein und mich zu überzeugen, daß auch Ihr Gemüt geändert sei.« – »O, meine vortrefflichste Sophie,« rief Jones, »wie soll ich dir für diese Güte danken? Und sind Sie wirklich so gütig, zu gestehn, daß Sie sich über meine Glückseligkeit freuen. – Glauben Sie mir, gnädiges Fräulein, Sie allein haben mir diese Glückseligkeit erst recht schmackhaft gemacht, weil ich ihr die teuerste Hoffnung verdanke. O, meine Sophie, lassen Sie es keine entfernte Hoffnung sein. – Ich will Ihren Befehlen gar gern gehorsamen. Ich will es nicht wagen, auf etwas weiter zu dringen, als Sie mir erlauben. Aber lassen Sie sich erbitten, bestimmen Sie keine zu lange Prüfungszeit! O, sagen Sie mir, wann darf ich erwarten, daß Sie von dem, was so höchst feierlich wahr ist, überzeugt sein wollen?« – »Da ich einmal freiwillig mich so weit erklärt habe, Herr Jones,« sagte sie, »so erwart' ich, daß Sie nicht weiter in mich dringen. Einmal für allemal verlang' ich das.« – »O sehen Sie nicht so unfreundlich aus, meine Sophie,« rief er. »Nein, ich dringe nicht, ich unterstehe mich's nicht, in Sie zu dringen; aber erlauben Sie mir gütigst, daß ich noch einmal bitten darf, wenigstens eine Zeit zu bestimmen. O erwägen Sie doch die Ungeduld der Liebe.« – »Nun, vielleicht ein Jahr,« sagte sie. – »O meine Sophie,« rief er aus, »Sie sprechen von einer Ewigkeit.« – »Nun, vielleicht wird es etwas kürzer!« sagte sie; »Sie müssen mich aber nicht quälen. Wenn Ihre Liebe zu mir von der Beschaffenheit ist, wie Sie sagen, so, dächt' ich, könnten Sie nunmehr ruhig sein.« – »Ruhig, Sophie? Nennen Sie die jauchzende Fröhlichkeit über mein Glück mit keinem so kalten Namen! – O, entzückender Gedanke! bin ich nicht versichert, daß der selige Tag kommen wird, da ich Sie die Meinige nennen darf; wo keine Furcht mehr sein wird; wo ich das teure, unermeßliche, unaussprechliche, Seelen erhebende Vergnügen genießen werde, meine Sophie glücklich zu machen?« – »In der That, Herr Jones,« sagte sie, »dieser Tag steht in Ihrer eignen Macht.« – »O mein teuerstes, mein göttlichstes Mädchen,« schrie er, »diese Worte setzen mich außer mir vor Freuden! Aber ich muß, ich will diesen teuren Lippen danken, die mir ein so liebliches Urteil gesprochen haben.« Er faßte sie hierauf in seine Arme, und küßte sie mit einer Lebhaftigkeit, wie er's vorher noch niemals gewagt hatte.

In diesem Augenblicke stürzte Western, der eine Zeitlang an der Thüre gelauscht hatte, ins Zimmer, und mit seiner Jägerstimme, und in seiner Weidmannssprache, hub er an zu schreien: »Frisch auf, Gesell! Frisch auf! huseh! So ist's recht, ihr Honigkinder![303] O, so ist's recht! Nu, ist nun all's vorbei? Hat sie schon g'sagt, Junker, welch'n Tag? Was? Ist's morgen? Nicht? Ist's übermorgen?« »Nicht 'n Minute soll's länger aufg'schob'n sein, als übermorgen, d'rauf hab' ich mein'n Kopp gesetzt.« – »Ich muß Sie bitten, liebster Herr Western,« sagte Jones, »lassen Sie mich nicht Ursach sein, daß –« – »Ursach hin, Ursach her!« schrie Western. »Was Teufel, hast' d' zu wimmern! Ich meint' d' wärst 'n Kerl gewesen, der 'n besser Faust hätte, als dich so durch 'n paar tücksche Jungfernsprünge in'n Graben werfen zu lassen! Ich sag' dir's, 's ist alles pur Tanterlantant! D'r Donner! sie sieht'n Pfaffen mit'm Buch noch ger'n heut' Abend! Thät's nicht, Fiekchen? Komm g'steh, sei nur einmal 'n ehrlich's Mädchen! Was? Hast' kein Maul? w'rum sprichst' nicht?« – »Was soll ich bekennen, lieber Papa, da es scheint, daß Sie mit meinen Gedanken so vertraulich bekannt sind.« – »Das is m'r nochmal 'n gut's Mädchen! Und sagst also Ja?« – »Nein, in der That, lieber Papa,« sagte Sophie, »ich habe noch nicht Ja gesagt.« – »Und willst 'n nicht morgen haben, oder übermorgen?« sagte Western. – »In der That, lieber Papa,« sagte sie, »das ist mein Wille gar nicht.« – »Aber ich will d'r wohl sagen,« erwidert' er, »w'rum's dein Will' gar nicht ist! 'S macht bloß, weil d' immer so gern ungehorsam bist, und dein'n Vater immer placken und plag'n magst.« – »Ich bitte Sie, lieber Herr Western,« sagte Jones, der sich dazwischen legte. – »Auch du bist auch 'n recht'r Märzhase!« schrie Western. »Als ich's ihr verbot, da war's 'n Geseufze, 'n Gewimmer, und 'n Geschmachte und 'n Geschreibe! Nu, nun ich vor dich stimme, nun stimmt sie konträr! Sie hat 'n Widerspruchsgeist, das ist's all's. Sie ist viel zu groß schon, sich von ihr'n Vater leiten zu lassen und regieren; das ist's Ende vom Lied! Wenn man's beim Licht besieht, s' thut's bloß mir weh' zu thun, und m'r konträr zu sein.« – »Was wollen denn mein lieber Papa, was soll ich thun?« sagte Sophie. – »Was 'ch will? was d' thun sollst?« sagte er. »D' Hand sollst 'n geben diesen augenblickl'chen Augenblick.« – »Nun Papa,« sagte Sophie, »ich will Ihnen gehorchen.« – »Da nehmen Sie meine Hand, Herr Jones.« – »Recht so! Und hast' nun noch was einzuwenden? Willst 'n hab'n morgen früh?« sagte Western. – »Ich will Ihnen gehorsam sein, lieber Papa.« – »Nu, so soll's denn morgen früh sein.« – »Weil Sie's denn so haben wollen, lieber Papa,« sagte Sophie, »so mag es morgen früh sein.« – Jones fiel hier auf seine Kniee, und küßte ihre Hand in Verzückungen der Freude, unterdessen daß Western im Zimmer hüpfte und tanzte, und bald darauf ausrief: »Wo Donner steckt denn nun der Alwerth? Da steckt er draußen bei dem Schuft vom Lurrendrayer, dem Dowling; und hätt' wohl ganz was andere zu thun.« Er machte sich auf die Fersen, ihn zu suchen, und gab den Verlobten Raum, ein paar Minuten allein zu genießen.

Er kam aber mit Herrn Alwerth zurück und sagte: »Wenn S' mir nicht glaub'n woll'n, so könn'n S' ihr selb nur frag'n; da ist sie! – Hast 'n nicht dein Jawort g'geben, Fieke, daß dich[304] morgen trauen lass'n willst? Na, sprich!« – »Papa haben es so befohlen, und ich unterstehe mich nicht, ungehorsam zu sein.« – »Ich hoffe, mein Fräulein,« sagte Alwerth, »daß mein Neffe sich so vieler Güte würdig machen und allezeit, so gut als ich selbst die Ehre zu schätzen wissen werde, die Sie meiner Familie erzeigt haben. Eine Verbindung mit einem so liebenswürdigen, so vortrefflichen Frauenzimmer würde der größten Familie im Reiche wirklich Ehre machen.« – »Ja wohl!« rief Western. »Aberst, wenn ich das Funzeln so länger hätt' ansehen können: Näh, ich will nicht! näh, ich mag nicht! und das Schmeck'n und Lecken, wie die Katz' um 'n Brei, so konnt'n Sie auf die Ehr' lang' gewart't hab'n. Ich mußt' mein' ganze väterlich' Autorität herauskehren, um sie darzu zu kriegen.« – »Ich hoffe nicht, Herr Nachbar,« sagte Herr Alwerth. »Ich hoffe nicht, daß der geringste Zwang angewendet ist!« – »Nu ja, da hab'n wir's wieder!« schrie Western. »Meinethalben sag' ihr lieber, daß s'e wieder auf d' Hinterfüß' tritt! – Sag' nur dein' Zusage thut dir herzlich leid; thut's nicht, Fieke?« – »In der That, Papa, es reut mich nicht, und ich glaube auch nicht, daß mich irgend eine Zusage gereuen soll, die ich dem Herrn Jones gethan habe.« – »Dann, Neffe,« sagte Alwerth, »wünsch' ich dir von Herzen Glück; denn ich denke, du bist der glücklichste unter allen Menschen. Und Sie, liebstes Fräulein, werden mir erlauben, daß ich Ihnen bei dieser freudigen Gelegenheit gleichfalls meinen Glückwunsch abstatte. Ich glaube in der That, Sie haben Ihr Herz und Hand einem Manne geschenkt, der Ihren hohen Wert nie verkennen, und der sich zum wenigsten äußerst bestreben wird, sich Ihrer würdig zu machen.« – »Bestreben?« schrie Western, »ja, das, sollt' ich mein'n, wird er! – Hör' Alwerth! ich setz' dir funfhundert Pfund an 'n Viertel, wir haben dir morgen über neun Mond'n 'n fixen Jungen! Aber sag' m'r, was magst' am liebsten? Willst' Burgunder hab'n, oder Champagner, oder was willste? Denn 'n lust'gen Abend woll'n w'r haben 's soll noch nicht so her'gang'n sein!« – »In der That, lieber Nachbar,« sagte Alwerth, »Sie müssen mich entschuldigen, sowohl mein Neffe, als ich, hatten uns versprochen, ehe wir noch vermuten konnten, daß dieses Glück so nahe würde.« – »Versprechen?« sagte der Junker, »was zu versprechen. Ich lass' Euch nicht los diesen Abend, 's gehe wie's will! 'r sollt mit uns essen, da ist bei Gott Gnade!« – »Sie müssen mir verzeihen, mein teuerster Freund,« antwortete Alwerth. »Ich habe meine feierliche Zusage gegeben, und Sie wissen, die brech' ich niemals.« – »Nu, so sagt's doch, wo ist's? wo habt 'r Euch versprochen?« rief der Junker. – Alwerth sagte es ihm hierauf, und nannte ihm auch die Gesellschaft, – »Je, nun Hagel!« antwortete der Junker, »'ch will mit d'r gehn, und Fieke soll auch mit geh'n! denn 'ch muß d'n Abend mit 'r zubringen, und 's wär doch barsch wenn m'r Thom's und 's Mädchen aus 'nander reißen wollt'n.« – Dies Anerbieten ward augenblicklich von Alwerth angenommen, und Sophie gab ihre Einwilligung, nachdem sie vorher[305] von ihrem Vater das Versprechen erhalten hatte, daß er kein Wort von ihrer Verlobung erwähnen wollte.

Quelle:
Fielding, Henry: Tom Jones oder die Geschichte eines Findelkindes. Stuttgart [1883], Band 3, S. 299-306.
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