Das Drey und zwentzigst Capitel.
Wie der Sophist seine Würst sampt eim neuen par Schuh und Stümpff darvon pracht: Welchs einen schweren Proceß wider die andere Meister verursacht.

[227] Der gedacht Sophistisch Redner Herr von Bruchmatt hett kaum seine Red geendet, da fingen Kundlob, Huldvolck unnd Wolgeart also an zulachen, daß sie meinten Leber und Miltz solt ihn zersprungen sein, nicht anders als Crassus, da er einen behodeten Esel sah seins gleichen munds disteln schlemmen, unnd als Philemon, da er ein Maulthier sah die Feigen fressen, die man zu dem Mittagimbiß für ein ander Maul het zubereitet, der auch also lacht, daß ihm der Geystauffgebend Nestel zersprang. Oder wie das Frauenzimmer des Ulmischen Fartzenden Legaten lacht, da er den Furtz hieß herumbher gehn: ihr finds ins Bebels Bibel. Hierzu fing auch Meister Janotus von Mattbruch weidlich an zulachen, eben so sehr als sie, das ihnen das wasser in den augen gestund, durch die hefftige erregung der Substantz des Hirnes, dadurch diese zäherliche feuchtigkeiten außgetrocknet und zu dem gesichtlichen Glid oder Optischen Nerfen außzurinnen getriben worden. Darmit sie fein augenscheinlich den Heraclytisenden Democritum und Democrytisenden Heraclitum anmaseten. Dann es steckt viel freud inn der Weinkanten, mehr als im gauckelsack.[227]

Als nun die Storcken außgelacht, berhatschlagt sich Gargantua mit seim Hofgesind was zuthun sey. Da geful dem Rhumbrecht von Hohen Lobsteig, daß man diesen schönen Redner wider über den Wein schicket, dem er abgesagt hat.

Und weil er ihnen dannoch auch alle kurtzweil und mehr lachen gemacht als alle Witzboldi unnd Visonasi, so erkanten sie, daß man ihm die Stangen mit Würst, inn seiner Ehrwürdigen Red gedacht, zustelte, sambt eim par Schu und Hosen, drey hundert Fudern Prennholtzes des alten Lastmesses, fünff unnd zweintzig Fudern Weins, eim Bett mit treifachen decken von Gänßfedern, eim durchlöcherten Fußschämel, wie viel auff der Kürßnerlaub zu Straßburg stehen, sambt dem Lollhafen der darunder gehört, und ein zimmlich weite Schwäbische tieffe Schüssel, welche stuck er zuvor in seiner Red gesagt hat, daß sie nötig zu außpringung seines alters weren.

Solches ward alles, wie es der Rhat beschlossen, vollpracht: Ohn das Gargantoa zweiffelt man möcht nicht also auff der stätt ein gerecht gesäß für seine Adeliche Proportz gehaben: Auch nit errahten, auff welche weiß sie dem Legaten a Latere vom Zigeltach, wol anstünden unnd gezimmeten, endweder auff Martingalisch, welchs ein FallPruck ist für den hindersten Wächter des besser zuschissen: oder auff Seländisch, Pottfagerisch unnd Schiffmännisch, gut für die räudige, unnd sonst dem Zansteurerlein unnd gsäs stümpflin meh raum zugeben, Oder auff Schweitzerisch, das Geschirr warm bey einander zuhalten, und glat anliegig zuzeigen das man wol befidelochet ist. Oder uff stockfischschwäntzenart, auß sorg die niren zuerstöcken. Oder auff Caracosisch, und Gasconisch, hauß darin zuhalten. Oder auff Spanisch und hörpauckisch, viech darin zuziehen, und für ein Postküssen zuprauchen: Dann er wußt, das er ohn das zu seiner alten thoritet keine Landsknechtische hosen trug, sonst möchten ihne die Hund an den zotten halten, wann er ins Kloster gieng unnd stieg, oder die Hecken die auffgeblassenen hosen, wie die Baurenkütel, für ihr recht anfordern. auch kein Braunschweigisch Plaß bälg, Sackpfeiffen und Schmaltzhäfen, dan sein Orden war, Euntes docete: wan man auff Gutschen terminirt unnd reformiert.[228]

Derhalben that er, wie der Türckisch Keyser Selim, welcher als er aller Nationen kleidung het malen lassen, unnd an den Teutschen und Frantzosen kam, wußt er nit was er denselbigen für ein latz machen solt: derhalben ließ er sie nackend malen, unnd ihnen ein ballen thuch mit elen unnd spissen außzumessen geben, darauß möchten sie ihnen latz unnd gsäß machen so wunderfundsam unnd so offt veränderlich wie sie ihmer wolten: Dann der Teuffel mahl oder schreib disen fundschwangern Kleidfuhrierern und hosenquartierern ein Formularbuch von kleidern für, wie man wol heut den Notariis fürkauet unnd fürspeiet: Ja wie die Cantzelärmel der unformularigen und unconcordirenden Welt heut Gebett Formular vorschreiben. Darumb, weil Gargantzumol diesem Herrlin keinen überzug zu seim Leyst wußt, gab er ihm Burgundischer elen wolgemessen siben weiß thuches, das mocht er nach dem model seines leibs verkleiden unnd färben wie er wolte die stümpff oben ans gesäß, oder unden an die Schu.

Das holtz ward ihm von der Zunfft der Kärchelzieher heim gefärtiget, so trugen die ploen Meister in artibus das Mußkar und die würst an stangen wie die Schuster zu Marck, im Trab und Triumpf daher, das es sah als wan man den Meyer von Londen einsetzet, oder, unvergleichen, einen dieb zu seiner letzten erhöhung geleytet. Aber Meister Janot von Bruchmeid trug das thuch allein, unnd prangt daher wie ein Ochs am Kolwagen. Als diß einer auß den Magistern sahe, genannt Joder Haubenschlappius, von Badowiler zeigt er ihm an, wie dises seinem Aratorischen staat nit gezimme, sonder es einem under ihnen gebe. Ha sagt Ehr Janotus, Esel, Eselskopff, du schlisest nit in modo & figura. Seh da, wazu einem nutz sind die suppositiones, & parva logicalia? Pannus pro quo supponit? Confusè, Antwort Hauben Schlappius, & distributivè: Ich frag nicht du Esel, Sprach Janot, quomodo supponit, Sonder Pro quo: Das heißt, pro Tibiis meis. Unnd derhalben will ichs egomet tragen, sicut Suppositum portat Appositum. Und ob du schon die Bratwürst trägst, ist doch dasselb das Concretum, das ist, die würst mein, aber das abstractum, das ist, das übergezogen lederle dein. Ehem, das ist auß einer andern schmiden. Also pracht er Heimduckisch[229] mit seim Supponiren unnd abstrahirn den Plunder heim, unnd hett die hund zu gefärten.

Aber das best war, das diser alt Huster kecklich inn offentlicher versamlung unnd audientz zu den Maturin, inn der Sorbon gehalten, noch einmal seine Würst unnd Hosen fordert. Die ihm doch gleich Peremptorie worden abgeschlagen, weil er sie vom Herren Garkantenvoll einmal für alle mal hat empfangen, laut der Information darüber auffgericht. Dagegen repliciert er, das solchs wer von Gratis her und auß des fremden Herrn Gnädiger Freigabe: durch welche sie darumb nit ihres verheissens weren relevirt unnd entschlagen. Diß unangesehen, ward ihm zur antwort, daß er sich eines billichen vernüg, unnd nit ein Bettlermeitlin, noch diß von ihnen gewärtig sey. Was: billich, sagt Janotus Latzmat, billichkeit gilt doch nit hierinn: ihr schelmische Bößwicht, vel dic Ertzverrähter, ex nunc prout ex tunc, ihr seit nicht eins Sautrecks werd: uff dem Herrgots boden sind nicht ärgere lauren als ihr seyt. Ich weiß es nur zu wol, Ich kenn euch, wer euch kent der kauft euch nicht. Nicht hincket vor dem Lamen: Ich hab solche Büberey auch mit euch getriben: Ich kan dem Dib die händ im Sack erwischen. Beim Heiligen Miltz, ich will bei dem König euch die strey machen, unnd alle die arglistige bubenstück, die ihr hierin kocht unnd Prüttelt, entdecken: Und da wett ich daß ich aussetzig werd, wann er euch nit alle laßt lebendig de facto verprennen, als Florentzer, Verräter, Ketzer unnd verführer, als aller Tugend unnd Gottsfeind: Ihr Gottsdieb und Gottverräter, & salvo iure addendi, Mit vorbehalt solche Titul zu bessern unnd zumehren. Auff solche wort rufften sie all Blasphemavit, und stelten darüber ärtickul wider ihne. Er zu seim theyl unerschrocken citirt sie ad instantiam, unnd setzt ihnen einen tag. Inn summa der Proceß ward von dem hoffgericht unnd Parlament angenommen, da hangt es noch. Die Magistri nostri gelobten ihre Röck nit eh außzubürsten, noch ihre Läuß ab zusträlen, hingegen Janot Mattlatz sampt seim anhang die Nasen noch den Arß nicht ehe zuwischen, es sey dan durch einen endlichen spruch entscheiden. Von disem gelübd an, sind sie biß auff den heutigen Tag Lausige und Rotzige Unfläter gepliben: dann das Dollosisch Kammergericht hatt[230] noch nit alle allegaten unnd probaten inn defectum, unnd passus dubios recht ergrabelet, unnd erstrabelt. Das urteil soll auff neheste Griechische Calendas, das ist, auff der Juden Christag, unnd der Genffer Liechtmeß außgesprochen werden. Wie ihr dann wißt daß dise Rechtsklügler mehr als die natur künnen, unnd wider ihre eigene articuln thun. Dann die artickel der Parisischen schul, darauß die Parlement ersetzt werden, lauten, Gott allein könn unendliche sachen machen: Die Natur mach nichts unabsterblich: Sondern allem dem sie ein anfang gibt, dem geb sie auch ein endschafft: Nam omnia orta cadunt. etc. Hingegen dise Daukauer, Muckenkauer, Kamelschlucker, Häuserschlucker, Goldvernagelte Zungen, die recht sprechen, nicht recht thun, Halßstürtzer guter wörter inn Parim vom Puteo, die Liebhaber der Rubricpfenning, der Hern de Auricuria & de Terra rubea: Und sonst Jacobs von Beutingarus: Unnd Saturnische Weisenfresser, machen die Proceß unnd rechtfertigung bey ihnen anhängig, unnd nimmer abhängig noch abgängig, sondern jhe mehr zugängig unnd verlängig, unendlich und unabsterblich. Damit sie deß Spartanischen Chilons spruch, der im Delphischen Tempel zu gedechtnuß geheiliget stund, bestettiget haben, welcher laut, die Armseligkeit sey deß processes unnd Rechtfertigens gefertin und ehgemal, unnd alle Rechtfertiger seyen armselig oder werdens. Dann viel eh erlangt ein end solcher hinderstelliger Gäul leben, als das Recht welchs sie fürgeben: Was hilffts als dann, wann der kopff ab ist, daß man den Hut halt? unnd daß man den außgeloffenen Wein mit mäl auff trocknet, wie der Türck vor Siget die Pfützen mit wollsecken. Gemalte vögel sind wol gewiß zuschissen aber nit zugeniesen. Was gehst auff steltzen, daß der stümpff schonst, und fällst gar in treck. Meinst die Leut seyen Katzen, weil sie Haar am Bauch haben?

Quelle:
Johann Fischart: Geschichtklitterung (Gargantua). Düsseldorf 1963, S. 227-231.
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