Sechstes Kapitel

[115] »Warum lächelte Milly so wehmüthig?« – sagte ich zu mir selbst, als ich von der sonderbaren Scene betäubt zu Hause kam.

»Wie! sollte Gräfin B. wohl gar ihre Leute auf westindisch behandeln? und solltest du vielleicht nichts als ein Sclave mehr für sie seyn? – Dem muß man auf die Spur kommen, und zwar morgenden Tages!« –

Sie selbst führte die Gelegenheit herbey.

»Sie haben eine Eroberung gemacht!« – rief sie mir am folgenden Morgen entgegen – »Milly ist mit ganzer Seele die Ihrige! – Sie hält ordentliche Reden zu[115] Ihrem Lobe, und bemüht sich darin, das Unbegreifliche begreiflich zu machen.«

Ich. Das Unbegreifliche! –

4Sie. Ja, denn sie behauptet: Sie wären ein Mann, und doch zugleich auch keiner. –

Ich. Sonderbar! und das soll zu meinem Lobe gereichen? –

Sie. Allerdings! Daß Sie das Aeussere eines Mannes haben, läugnet sie zwar nicht; aber doch will sie, ich weiß nicht, was, in Ihren Zügen entdeckt haben. – Sie sollen sanft, treu, außerordentlich zärtlich, nichts weniger als ungerecht, auffahrend, tyrannisch oder etwas dem Aehnliches seyn. –

»Nun frage ich Sie aber: ob dies, sobald Sie für einen Mann gelten wollen, nicht der baareste Unsinn ist?« –

Ich. Theure Gräfin! was haben Ihnen doch die Männer gethan? –

[116] Sie. Warten Sie! warten Sie! das muß Ihnen Milly beantworten!

Jetzt sprang sie zur Klingel, und Milly erschien.

»Milly!« – sagte sie – »erzähle dem Herrn doch ein wenig von meinem Manne.

»Ach der Lord« – begann Milly im gebrochnen Teutsch – »war der bravste Herr von der Welt! er liebte seine Leute wie ein Vater, und betete Mylady an.«

»Freylich war er nahe an 60 und Mylady kaum 17. – Er hatte das Podagra, und das machte ihn manchmal ein wenig mürrisch; aber« ....

»Kleine Hexe!« – rief die Gräfin – »was ist das für ein albernes Erzählen? – Ruf mir Robert, ich sehe schon, was da herauskommen wird!« –

Jetzt stand Robert vor uns; ein hübscher, rothwangiger Junge, mit hochgelben Locken.[117]

»Mein Haushofmeister« – sagte die Gräfin zu mir. –

»Höre, Robert!« – fuhr sie, sich zu ihm wendend, fort. – »Milly wollte sich da eben in das Lob meines Mannes vertiefen; du, hoffe ich, wirst ein bessers Gedächtniß haben. Nicht wahr? du hast es noch nicht vergessen: wie ich von ihm gepeinigt worden bin?«

Robert. Nun ja, das ist wahr! Mylady hat viel ausgestanden! –

Die Gräfin. Den ganzen Tag eingesperrt! –

Rob. Und die immerwährenden Klagen! –

Die Gräf. Ja, und Vorwürfe oben drein! wenn ich einmal ausgehen wollte –

Rob. Und ein ganzes Heer Wächter! –

Die Gräf. Als ob ich gleich davon laufen würde! –

[118] Rob. Ach Gott ja! Mylord war sehr wunderlich! aber er liebte Mylady von ganzer Seele. –

Die Gräf. Ja, so sehr, daß er mir beynahe die Luft zugemessen hätte! –

Rob. Freilich! Freilich! – aber nun sollte Mylady das doch endlich einmal vergessen, und Unsereinen ....

Die Gräf. Nun? – was Unsereinen? – heurathen und auch ein Mädchen unglücklich machen lassen? –

Rob. Großer Gott! würde ich dann Milly unglücklich machen?

Die Gräf. Nun! nun! macht mir den Kopf nicht zu warm! sonst könnt ihr's noch erleben, daß ich euch zusammenkuppeln lasse! wenn ihr's denn schlechterdings nicht besser haben wollt. Aber das sage ich euch! kommt mir nachher nicht mit Klagen! –[119]

»Nimmermehr! nimmermehr Mylady!« – rief Robert, und küßte ihr mit Inbrunst die Hand.

Milly hatte gehorcht, und stürzte sich jetzt auf die andre Hand ihrer Gebietherin.

»Schon gut! schon gut!« – sagte die Gräfin – »eßt mich nur nicht ganz auf! Jetzt geht an Eure Arbeit, und daß ich euch heute nicht wieder zusammen erblicke![120]

Quelle:
Karoline Auguste Ferdinandine Fischer: Gustavs Verirrungen. Leipzig 1801, S. 115-121.
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