Fünftes Kapitel

[151] »Helft! helft! er ertrinkt!« – rief sie – »wir ertrinken Alle!«

Bey den letzten Worten sank ihre Stimme so hoffnungslos; daß das Herz mir vor innigem Mitleiden erbebte.

Länger hielt ich mich nicht! – mit unaussprechlicher Reue schloß ich sie in meine Arme. »Mein theures, geliebtes Mädchen! – rief ich – Erwache! erwache! – nein, du wirst nicht sterben! Du bist gerettet! bist in meinen Armen! –

Jetzt schlug sie die Augen auf. – Welch ein Blick! – er verrieth meine ganze Schuld und alle ihre Leiden.[151]

»Großer Gott!« – rief sie – »also ist es wahr! also ist es doch kein« – Traum wollte sie sagen – aber hier sah sie sich um und verstummte. –

»Ja!« – sagte ich – »mein süßes Mädchen! es war ein Traum! aber daß ich dich unaussprechlich liebe, daß ich dich in meinen Armen halte, das ist Wahrheit! –

Ach wie sehr fühlte ich diese Wahrheit! – zwar war ich fest entschlossen alles wieder gut zu machen; meine Sinnlichkeit zu bekämpfen; ihre Unschuld zu ehren; sie wo möglich zu einer Verbindung mit irgend einem rechtschaffenen Manne zu bereden. – – Aber ach! so reizend, so duldend war sie nie gewesen – so tief hatte mich ihr Anblick niemahls erschüttert.

»Fliehe! fliehe!« – rief mein guter Engel – »noch ist es Zeit!« –

In der That, ich riß mich auf von ihrem Lager – ich wollte gehen. – Aber[152] da sah sie mich an mit ihren großen schmachtenden Augen, als müßte sie auf ewig von mir Abschied nehmen.

Ich trat zurück – – und bald war es zu spät zum Fliehen. – –

Nein! diesen Flecken in meinem Leben werden niemals die Thränen der bittersten Reue vertilgen! wohl giebt es einen Himmel und eine Hölle! denn sie sind in unserm eigenem Herzen![153]

Quelle:
Karoline Auguste Ferdinandine Fischer: Gustavs Verirrungen. Leipzig 1801, S. 151-154.
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