Achtes Kapitel

[204] Jetzt dünkte mich Alles den Schneckengang zu gehen. Meine Leute liefen sich aus den Athem, und doch hatte ich sie nie so unerträglich langsam gefunden. Endlich waren sie zur Abreise bereit, und mein Wagen flog auf den Weg nach Berlin.

Welche Tage! welche endlosen Nächte! ehe wir die geliebte Stadt erreichten. Wir waren noch zehn Meilen davon, und schon wollte mir die Brust vor Sehnsucht und Ungeduld zerspringen. Ich bat, ich flehte, ich versprach, die Pferde stürzten, und wir waren noch immer nicht da. –[204]

Endlich erblickten wir die Thurmspitzen, und jetzt ward mir der Wagen zu enge. Ich eilte im Fluge vorauf, und in wenig Minuten stand ich vor Sophien, stumm vor Schmerz und Entzücken.

Holdselig lächelnd, reichte sie mir die Hand. Ich sah es: sie hatte mir vergeben und die Ruhe war in das schuldlose Herz zurückgekehrt. Ach ohne mich, wäre sie nie daraus gewichen! –

Sie kam meinen Fragen nach Marien zuvor. Man sprach von einer Heyrath welche die Mutter begünstigte; aber Marie hatte sich standhaft geweigert.

Das unbändige Klopfen meines Herzens nahm zu, und ohne weiter Rücksicht auf Sophie zu nehmen, drang ich mit Ungestüm darauf Marien vorgestellt zu werden.

Sophie machte mehrere Schwierigkeiten. Ich überwand sie alle, und am folgenden[205] Tage – doch wozu eine Beschreibung, welche die Wirklichkeit nimmermehr erreichen kann! ich sah sie wieder, und fühlte: daß man nur einmal liebt.[206]

Quelle:
Karoline Auguste Ferdinandine Fischer: Gustavs Verirrungen. Leipzig 1801, S. 204-207.
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