Siebentes Capitel.

Flucht.

[17] »Ja ich will fort,« – sagte ich, – »es kann mir nirgends schlimmer gehen!« – Der Seiger schlug eben drey Uhr. Ich hatte nur wenig Stunden geschlafen, aber meine Erbitterung gab mir Muth und Kraft. – »Gehe es, wie es wolle,« – fuhr ich fort, – »in diesem Hause ist meines Bleibens nicht mehr.« – Nachdem ich einen gewissen Theil mit Oel gerieben hatte, waren alle Schmerzen vergangen.

Es war Sonntag; ich stand auf und zog mich an, als wollt' ich in die Kirche gehen: aber mein Plan war gemacht. Ich hatte ein[18] kleines goldnes Kettchen und sechs Thaler erspartes Geld. Es lautete in die Frühpredigt.

Als ich in das Feld kam, fing meine erste Hitze zu verrauchen an. – »Wenn sie dich einholen?« – sagte ich, – »wie wird es dir gehen! – Sie wird dich zu Tode peitschen lassen.« – Einen Augenblick war ich beynahe entschlossen umzukehren, aber die Thürme des Städtchens verschwanden aus meinem Gesichte, und es wurde mir leichter ums Herz.

Ich fand jetzt einen Stundenstein und sahe, daß ich auf dem Wege nach D– war. – »Nein, nein,« – sagte ich zu mir selbst – »Es wird dir gewiß nicht fehlen. Du kannst nähen und stricken; ein bischen Clavier klimpern und auch französisch parliren. – Und sollte ich mich erst als Kindermädchen vermiethen. – Aller Anfang ist schwer; aber es wird gewiß gut gehen.« –[19]

Unter diesem hoffnungsvollen Selbstgespräch kam ich in ein Wäldchen, wo der Weg am Flusse hinlief. Ich beschloß, ein wenig auszuruhen und setzte mich am Ufer auf einen Baumklotz nieder.

Quelle:
Christian Althing: Hannchens Hin- und Herzüge nebst der Geschichte dreyer Hochzeitsnächte. Leipzig 21807, S. 17-20.
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