Achtes Capitel.

Metamorphose.

[20] Als ich ein wenig um mich her sahe, ward ich etwa zwanzig Schritt vor mir etwas Blaues gewahr. Wie ein Mensch sahe es nicht aus, und ein Thier konnte es auch nicht seyn. Ich ging also getrost darauf zu, und fand einen vollständigen Manns-Anzug. Es waren ein Paar schwarze Hosen, ein gelbes Westchen, ein blauer Ueberrock und ein Paar Halbstiefeln.[20]

»Der ist gewiß beym Baden ertrunken,« – sagte ich, und im Augenblicke fiel mir ein Gedanke ein. Der Rock schien mir ganz zu meiner Größe zu passen – also mußte es auch das Uebrige seyn. – »Ich will mich als ein Junge verkleiden,« – sagte ich, – »so soll mich kein Mensch erkennen!« –

Gesagt, gethan! Ich nahm die Kleidungsstücke, begab mich in das dickste Gebüsch und fing meine Metamorphose, wiewohl nicht ohne Herzklopfen, an. Die Hosen besonders kamen mir gar zu possierlich vor, auch saßen sie mir wie angegossen. Es war ein ganz eignes Gefühl, das mir erst lange nachher erklärlich geworden ist.

Mit Rock, Weste und Stiefeln ging es schneller, alles schien für mich gemacht zu seyn. Ich setzte mir den runden Hut in die Augen und spiegelte mich in meinen blanken Rockknöpfen mit innigem Wohlgefallen. Zu[21] gleicher Zeit fand ich eine Schreibtafel in meiner Tasche, worin ein Paß von einem Schüler aus – berg war. – »Gefunden! Gefunden!« – rief ich – »Es soll mir alles glücken!« –

Mit der neuen Kleidung war auch neuer Muth gekommen. Ich trug meinen Rock, Corsett u.s.w. an das Ufer, und freute mich schon im voraus über die Angst meiner Stiefmutter, wenn sie die wahrscheinliche Nachricht von meinem Tode erhalten würde. Nachher schnitt ich mir einen derben Haselstock ab, und beschloß, im nächsten Dorfe zu frühstücken.

Quelle:
Christian Althing: Hannchens Hin- und Herzüge nebst der Geschichte dreyer Hochzeitsnächte. Leipzig 21807, S. 20-22.
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