11. Auf Herrn Ilgens Leichbestattung

[50] 1632-1633.


Wer sagts, geehrter Man, itzt neuer Himmelsbürger,

daß euch sei Leid geschehn, indem der wilde Würger,

dem euch Gott zahm hieß sein, sich auch an euch gemacht

und durch sein scharfes Recht, wie Alles, umgebracht?

Wer sagts, euch sei nicht wol, als etwan eure Lieben,

die über euren Fall sich billich hoch betrüben

und ernstlich traurig sein? Wir Andern, die wir euch

am Blute nicht verwandt, doch nach der Liebe gleich,

die uns gesampt verknüpft, erkennen euer Glücke

und höchste Seligkeit. Ihr habt die Welt zurücke

und Alles, was sie ist. Die Erde laßt ihr stehn

und könnt mit sicherm Fuß itzt auf den Wolken gehn,

die sich euch unterstreun. Ihr selbsten würdet sagen,

wenn eine solche Wahl euch würde fürgeschlagen,

ihr soltet kehren um: Bewahre mich mein Gott,

daß ich aus Freud' in Leid, aus Leben in den Tod,

aus Ruh' in Stürme zög'! ach! allzuwahr, in Stürme.

Was ist es seit der Zeit, daß schädliche Geschwürme,

die Krieger, unser Land mit sich auch angesteckt,

da immer eines noch in tausent Junge heckt

und hat sich wol besaamt? Was ist es, soll ich sprechen,

wol anders seit der Zeit, als wenn die Klippen brechen,

die Äolus verwahrt, die Winde reißen aus

und brausen durch die Welt? Da krachet manches Haus,

manch edler Bau zerbricht. Wir haben es gesehen,

ach leider! allzusehr, wie uns bisher geschehen,

wie uns der Kriegessturm hat hin und her verweht,

die Städte durchgesaust, die Dörfer umgedreht,[50]

daß Nichts ihm ähnlich ist. Zumitten in dem Wesen,

da es am ärgsten war, seid, Vater, ihr genesen;

genesen seid ihr nun und denkt nicht einmal dran,

was euch der arge Feind für Dampf hat angetan,

darüber ihr erlagt. Der Eidam ist erfreuet,

den ihr euch schicktet vor. Die Tochter springt und schreiet:

komt Vater, Vater komt! Das liebe junge Paar

empfängt euch, wie es soll, sampt aller Geister Schaar,

die Gott stets um sich hat. Wir wündschen uns ingleichen,

daß wir doch an den Ort auch mögen bald gereichen,

da keine Furcht mehr ist, da wir in Wahrheit sehn,

es sei auch uns, wie euch, in Allem wol geschehn.


Quelle:
Paul Fleming: Deutsche Gedichte, Band 1 und 2, Stuttgart 1865, S. 50-51.
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