13. Auf des Hochedlen Herrn Peter Krußbiorn, Königl. Schwedischen Residenten in der Moskow u.s.w., seines erstgebornen Söhnleins Absterben

[274] 1635.


Himmel auf und zu den Engeln,

da man weiß von keinen Mängeln,

Himmel auf und selbst zu Gott

ist der reine Geist geflogen;

da, da wird er aufgezogen,

da, da ißt er Engelbrot.


Süße Seele, soll ich klagen

und mit deinen Eltern sagen:

»Allzu zeitlich, kurzer Gast!?«

Nein! Selbst sie auch müssen sprechen,

doch mit reichen Tränenbächen:

»Wol dir, daß du Ruhe hast!«


Edel' Eltern, seids geständig,

nichts ist unser eigenhändig,

alles Unser' ist geborgt;

bevoraus die süßen Erben

heißt der Höchste zeitlich sterben,

daß sie besser sein versorgt.


Gott, der wechselt stetigs abe,

untermenget Raub und Gabe,

schenket, daß er nehmen kan.

Klaget, was ihr könnet klagen!

Dennoch müßt ihr endlich sagen:

es ist Alles wol getan!
[274]

Laßt den höchsten Vater walten!

Der so lang' hat Haus gehalten,

der wird nun verderben Nichts.

Christen lassen Christum handeln,

folgen, wie er vor will wandeln;

nur ein Heide der versprichts.


Vorgeschickt ist unverloren.

Er hat einen Ort erkoren,

da er bleibt und ihr solt hin.

Lasset denn nach eurem Schatze

und nach seinem edlen Platze

euren Mut und Herzen ziehn!


Tausent sind ihr, die dem Leben

gerne wolten Urlaub geben;

tausent Ander' stehn in Not,

daß sie nicht zu bald verderben.

Eurer Sohn hat sollen sterben,

eh' er wündscht und scheut den Tod.


Übel uns betagten Sündern!

O wie wol geschicht den Kindern,

die bald sagen gute Nacht

und sind unbesorgt der Sachen,

die uns Alten bange machen

für des letzten Richters Macht!


Wenn das Wesen aller Sachen

in der letzten Glut wird krachen,

Alles tot und nichts mehr sein,

denn so soll ein neues Leben

in verjüngter Erden weben,

da uns Gott will setzen ein.


Rücket zu, ihr lieben Sternen,

zeigt es, zeigt es uns von fernen,

zeigts uns stets das edle Bild!

Sein Gebeinlein soll hienieden

um sich haben eitel Frieden,

ganz in Blumen eingehüllt.
[275]

Quelle:
Paul Fleming: Deutsche Gedichte, Band 1 und 2, Stuttgart 1865, S. 274-276.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Deutsche Gedichte
Deutsche Gedichte

Buchempfehlung

Reuter, Christian

L'Honnête Femme oder Die Ehrliche Frau zu Plißine

L'Honnête Femme oder Die Ehrliche Frau zu Plißine

Nachdem Christian Reuter 1694 von seiner Vermieterin auf die Straße gesetzt wird weil er die Miete nicht bezahlt hat, schreibt er eine Karikatur über den kleinbürgerlichen Lebensstil der Wirtin vom »Göldenen Maulaffen«, die einen Studenten vor die Tür setzt, der seine Miete nicht bezahlt.

40 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Sturm und Drang II. Sechs weitere Erzählungen

Geschichten aus dem Sturm und Drang II. Sechs weitere Erzählungen

Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Für den zweiten Band hat Michael Holzinger sechs weitere bewegende Erzählungen des Sturm und Drang ausgewählt.

424 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon