10. Philyrena.

Laß es sein, mein Sinn, und schweige,

stelle deine Seufzer ein!

Schlechte Seelen, die sind feige,

die nur von der Erden sein.

Denke, denke, was du denkst,

daß du dich so abekränkst!


Ein beherzetes Gemüte

weichet keinem Glücke nicht,

es erfrischet sein Geblüte

wenn den andern ihres bricht,

lacht und weinet nicht zu viel,

will stets was sein Glücke will.


Wenn der Stahl den Stein bestreichet,

so wird er erst rein und scharf.

Du, mein Sinn, bists, der ihm gleichet,

der auch Glanz und Schärfe darf.

Unfall ists, der auf uns wacht

und die Männer mänlich macht.


Ein bewehreter Soldate,

der vor keinem Tode zagt,

suchet ihm zu früh und spate

einen Feind, mit dem ers wagt.

Ein groß Herze bricht heraus,

fordert stets sein Unglück aus.


Mein! was nützet doch das Klagen,

daß die Liebste nicht ist hier?

Mißtreu ists, so wir verzagen,

sie ist allzeit ähnlich ihr.

Wahrer Liebe treue Pflicht

mindert sich durch Absein nicht.


Dennoch ist sie in dem Herzen,

ist sie aus den Augen schon.

Dieses, was du nennest Schmerzen,

ist der rechte Liebe Lohn,

die sie fühlet gleich wie du

und noch duppelt mehr darzu.


Philyrena, die du liebest,

liebet dich noch wie vorhin.

Umb die du dich so betrübest,

wirst du wieder sehn, mein Sinn,

und das wird dir lieber sein

als auf Regen Sonnenschein!


Kommet bald, ihr schönen Tage,

komme bald, du süße Zeit,

daß ich frei und fröhlich sage:

Weg, erblaßte Traurigkeit!

Philyrena, meine Zier,

ist und bleibet stets bei mir.


Quelle:
Paul Fleming: Deutsche Gedichte, Band 1 und 2, Stuttgart 1865, S. 77,403.
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