4. Auf seiner Stiefmutter Absterben (1633 December), welches er in fremden Landen erfuhre

[455] Ich sehe noch die Angst des fürchtenden Gesichtes,

als, Mutter, ich vor euch mit halber Freude trat,

und um zu reisen aus gewollten Urlaub bat,

den ich euch fast zwung' ab. Das Urtheil des Gerichtes


und der gebrochne Stab des strengen Bösewichtes

geht allzufrüh' an euch. Ach, daß des Himmels Rat

mich damals euch nicht ließ, da er gewußt schon hat,

ich würde mehr nicht sehn den Schatten eures Lichtes.


Verzeiht mirs, Selige, hab' ich euch da betrübt

und etwas Fremdes mehr als euren Wundsch geliebt!

Was Gott beschlossen hat, ist mir und euch geschehen,


was nun ist hinter euch, das hab' ich noch vor mir.

Will er, so will auch ich noch heute mit Begier

euch in der Ewigkeit mit diesen Augen sehen.
[455]

Quelle:
Paul Fleming: Deutsche Gedichte, Band 1 und 2, Stuttgart 1865, S. 455-456.
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