74. An Filenen

[523] Itzt, itzt bereu' ich erst, was ich verbrochen habe.

Dein wolgemeinter Rat, Filena, tauret mich.

Ich schlug es in den Wind, wie sehr du mühtest dich,

daß ich doch solte nicht so scheiden von dir abe.


Eia, da hab ich's nun, wormit ich mich so labe!

Der Kummer stellt sich ein, der Mangel findet sich,

es geht an Furcht und Not. Da steh' ich Armer, ich

und bin bei Leben auch schon halb in meinem Grabe.


Verzeih mir, teurer Schatz, daß ich dich so verletzt.

Ich selbsten habe mich in größtes Leid gesetzt.

Und weil es ist an dem, daß ich mich nur muß letzen


mit dir durch diesen Brief, so bitt' ich, edler Schein,

laß mir diß hauen tief an einen hohen Stein:

»Der eh starb, als er starb, der ließ ihm dieses setzen.«
[523]

Quelle:
Paul Fleming: Deutsche Gedichte, Band 1 und 2, Stuttgart 1865, S. 523-524.
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