Was mir fehlte

[30] Wenn andre Fortunens Schiff gekapert,

Mit meinen Versuchen hat's immer gehapert,

Auf halbem Weg', auf der Enterbrücke,

Glitt immer ich aus. War's Schicksalstücke?

War's irgend ein großes Unterlassen?

Ein falsches die Sach' am Schopfe Fassen?

War's Schwachsein in den vier Elementen,

In Wissen, Ordnung, Fleiß und Talenten?

Oder war's – ach, suche nicht zu weit,

Was mir fehlte, war: Sinn für Feierlichkeit.


Ich blicke zurück. Gott sei gesegnet,

Wem bin ich nicht alles im Leben begegnet!

Machthabern aller Arten und Grade,

Vom Hof, von der Börse, von der Parade,

»Damens« mit und ohne Schnitzer,

Portiers, Hauswirte, Hausbesitzer,[30]

Ich konnte mich allen bequem bequemen,

Aber feierlich konnt' ich sie nicht nehmen.


Das rächt sich schließlich bei den Leuten,

Ein jeder möchte was Rechts bedeuten,

Und steht mal was in Sicht oder Frage,

So sagt ein Reskript am nächsten Tage:

»Nach bestem Wissen und Gewissen,

Er läßt doch den rechten Ernst vermissen,

Alle Dinge sind ihm immer nur Schein,

Er ist ein Fremdling, er paßt nicht hinein,

Und ob das Feierlichste gescheh',

Er sagt von jedem nur: Fa il Re.«


Suche nicht weiter. Man bringt es nicht weit

Bei fehlendem Sinn für Feierlichkeit.


Quelle:
Theodor Fontane: Sämtliche Werke. Bd. 1–25, Band 20, München 1959–1975, S. 30-31.
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