Zwanzigster Auftritt

[442] Die Vorigen. Siegmund. Simon. Damis. Der Magister.


CLEON. Endlich erlebe ich die Freude, die ich mir lange gewünscht habe. Ich will Sie, meine Herren, mit keiner weitläuftigen Rede aufhalten. Die Absicht unserer Zusammenkunft ist Ihnen allerseits bekannt. Kurz, meine lieben Töchter, ich erteile euch meinen väterlichen Segen und meine Einwilligung. Er sieht Lottchen weinen. Weine nicht, Lottchen, du machst mich sonst auch weichmütig.

LOTTCHEN. Meine Tränen sind Tränen der Liebe. Ich habe also Ihre Einwilligung zu meiner Wahl? Ich danke Ihnen recht kindlich dafür.

SIMON zu Lottchen. Aber, meine liebe Mamsell, Sie wollen ... Wie?

DAMIS. Ach, liebste Jungfer Schwester, ich bitte Sie ...

LOTTCHEN. Was bitten Sie? Wollen Sie Julchen von meinen Händen empfangen? Sie führt sie zu ihm. Hier ist sie. Ich stifte die glücklichste Liebe. Und Sie, Herr Siegmund ...

SIEGMUND. Ich nehme Ihr Herz mit der vollkommenster Erkenntlichkeit an und biete Ihnen diese Hand ...

LOTTCHEN. Unwürdiger! Mein Vermögen kann ich Ihnen schenken; aber nicht mein Herz. Bitten Sie meinem Vater und der übrigen Gesellschaft, die Sie in mir beleidiget haben, Ihre begangene Niederträchtigkeit ab. Ich habe sie Ihnen schon vergeben, ohne mich zu bekümmern, ob Sie diese Vergebung verdienen. Zum Vormunde. Und Ihnen, mein Herr, küsse ich die Hand für Ihre[442] Aufrichtigkeit. Wenn ich jemals mich wieder zur Liebe entschließe: so haben Sie das erste Recht auf mein Herz. Zu Siegmunden. Sie aber werden so billig sein und, ohne sich zu verantworten, uns verlassen.

SIEGMUND. Recht gern. Indem er geht. Verflucht ist die Liebe!

DAMIS. Nicht die Liebe, nur die Untreue. Dies ist ihr Lohn.

LOTTCHEN sie ruft ihm noch nach. Sie werden morgen durch meine Veranstaltung so viel Geld erhalten, daß Sie künftig weniger Ursache haben, ein redliches Herz zu hintergehn.

CLEON. Lottchen, was machst du? Ich bin alles zufrieden. Du hast ja mehr Einsicht als ich.

JULCHEN. O liebe Schwester, wie groß ist dein Herz! Gott weiß es, daß ich keine Schuld an seinem Verbrechen habe. O wenn ich dich doch so glücklich sähe als mich!

DER MAGISTER. Ich bin ruhig, daß ich das Laster durch mich entdeckt und durch sich selbst bestraft sehe. So geht es. Wenn man nicht strenge gegen sich selbst ist: so rächen sich unsere Ausschweifungen für die Nachsicht, die wir mit unsern Fehlern haben.

SIMON zu Lottchen. Ich, meine Freundin, würde das Recht, das Sie mir künftig auf Ihr Herz erteilet haben, heute noch behaupten, wenn ich Ihnen nicht schon das Wort gegeben hätte, an dieses Glück niemals zu denken. Ich bin belohnt genug, daß Sie mich Ihrer nicht für unwürdig halten, und daß der Untreue bestraft ist.

LOTTCHEN. O Himmel! laß es dem Betrüger nicht übelgehen. Wie redlich habe ich ihn geliebt, und wie unglücklich bin ich durch die Liebe geworden! Doch nicht die Liebe, die Torheit des Liebhabers hat mich unglücklich gemacht. Bedauren Sie mich.



Ende des dritten und letzten Aufzugs.


Quelle:
Christian Fürchtegott Gellert: Werke, Band 1, Frankfurt a.M. 1979, S. 442-443.
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