Marcus Herz, gestorben den 20sten Januar 1803

[187] Tausenden, (und auch mir!) hat er das Leben verlängert,

Nur das seinige hat leider! sein Eifer verkürzt.

Und doch hätt' er so gern sich länger des Lebens gefreuet;

Aber federleicht wog es ihm gegen die Pflicht.


Lauschend mit spähendem Blick', erforscht' an der dunkelen Werkstatt

Der Natur, sein Geist ihre verheimlichte Kraft.

Hofft' er, irgend den Kreis des menschlichen Wissens und Wohlseyns

Noch erweitert zu sehn, um eine Linie nur:[188]

Wie erheiterte sich sein Auge! Wie freut' er der Nachwelt

Glückes, sich im voraus, gleich als genöß' er es selbst.


Eine Gattin war sein, mit immer noch blühenden Reitzen,

Hatte der Lenze sie gleich zwanzig schon mit ihm verlebt.

Doch es konnt' ihr Reitz im ersten Frühlinge schwinden,

Klein war dieser Verlust, blieb ihr der schönere Geist,

Blieb der zarte Scherz nur immer in ihrem Gefolge,

Und lebendig der Wunsch, heiter den Gatten zu sehn,

Und der bescheidene Sinn, der alle Tugenden hebet,

Wie der Puder den Grund einer Aurikel verschönt.
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Welch ein liebender Kreis von weisen Freunden umgab ihn!

Jeder schätzte den Arzt, Denker und Spötter in ihm;

Aber alle noch mehr den Mann, deß Leben ein Einklang

Süßerer Töne war, als sie die Stoa noch gab.

Gleich den Weisen Athens liebt' er die fröhlichen Zirkel;

Seine Sorgen allein blieben im Herzen versteckt;

Alles opfert' er sonst auf dem Altare der Freundschaft,

Seinen Witz und Wein, seine Erfahrungen gern.

Von den Pfeilen, geschnellt von fremden Bogen, ging keiner

Je verloren für ihn; wie er behende sie fing![190]

Und wie schickt' er sie oft, bei lächelndem Munde, mit Rosen

Ihre Spitzen besteckt, hurtig dem Schützen zurück!


Und so glich sein Lebensgenuß den schlängelnden Gängen

Eines englischen Parks, ja! noch verdoppelt sogar!

Denn die Armuth hatt' am kalten eisernen Arme

Ihn in früherer Zeit rauhere Pfade geführt.

Ach! drum hätt' er so gern sich länger des Lebens gefreuet,

Aber federleicht wog es ihm gegen die Pflicht,

Und so verließ er uns früh! Ihn tadlen möchte die Freundschaft,

Nur die Bewunderung hält jeglichen Tadel zurück.

Quelle:
Leopold Friedrich Günther von Goeckingk: Gedichte. Teil 1–4, Teil 3, Frankfurt a.M. 1821, S. 187-191.
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