An Jungfer L.A.V. Kulmus

[86] 1732.


Schmäht, ihr Lästrer unsrer Kunst,

Schmäht, ihr tollen Dichterfeinde!

Unsrer Flammen reine Brunst;

Schmäht der Dichtkunst wahre Freunde.

Eurer schnöden Zungen Gift

Kann die Tugend nicht erschrecken;

Denn was ihren Glanz nicht trifft,

Kann denselben nicht beflecken.


Seht Petrarchens Beyspiel an,

Wie beständig konnt er lieben?

Ist er nicht der Tugendbahn

Lebenslang getreu verblieben?

Laurens Schönheit, Geist und Witz,

Sammt der edlen Seele Gaben,

Waren einzig Stral und Blitz,

Die sein Herz entzündet haben.


Weit entfernt, und doch getreu,

Kaum ein einzigmal gesprochen,

Gleichwohl sonder Häucheley

Sein Gelübde nicht gebrochen;

Dieses sind für eure Brut

Wahrlich viel zu edle Proben;

Doch dafern ihrs gleichfalls thut,

Will ich euch gedoppelt loben.


Aber nein! ihr könnt es nicht,

Das gehört für edle Seelen,[87]

Die sich kein verführend Licht,

Statt des Leitgestirnes, wählen.

Dichter, die der Himmel treibt,

Lieben nur des Himmels Kinder.

Nur die Glut, die irdisch bleibt,

Die verlodert auch geschwinder.


Auch in Laurens Tode gar

Kann sein Lieben nicht erkalten.

Nein, er will es, wie es war,

Bis zur kalten Gruft erhalten.

O, was Wunder! daß sie noch

In Petrarchens Liedern lebet,

Da er ihrer Liebe Joch

Auch zerdrümmert noch erhebet.


Schönste Laura dieser Zeit!

So wird dich dein Dichter ehren!

Denn von Unbeständigkeit

Sollst du wahrlich niemals hören.

Bist du doch des Himmels Kind,

Der mich selbst zu dir geführet:

Darum bleib ich treu gesinnt,

Bis mein letzter Puls sich rühret.

Quelle:
Johann Christoph Gottsched: Ausgewählte Werke. Band 1: Gedichte und Gedichtübertragungen, Berlin 1968/1970, S. 86-88.
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