Der dritte Auftritt.

[69] Cato. Cäsar.


CÄSAR.

Nun Cato, endlich ist der Wunsch mir eingetroffen,

Daß ich mit dir einmal vertraulich sprechen kann.

Ich biethe Wälschland itzt in dir den Frieden an.

Komm, schleuß ihn selbst mit mir, und mach der Noth ein Ende!

Das hartbedrängte Rom sieht bloß auf unsre Hände.

Versammle deinen Rath, und schaff auf diesen Tag,

Daß jedermann die Frucht der Eintracht ärnten mag.

Die ganze Bürgerschaft verbanne Haß und Rache;

Indem ich dich, nebst mir, zum Bürgermeister mache.

CATO.

Wie frech und unverschämt trägst du mir solches an?

Da mir nur Volk und Rath die Würde geben kann.

Denkst du die Tugend denn mit Lastern zu ermüden?

Wir suchen bloß nach Recht und Billigkeit den Frieden![69]

Regiert ein einzig Haupt das große Rom allein:

So wollen wir mit Lust daraus verbannet seyn.

Ja, Cäsar, weg von hier mit Königen und Ketten!

Der Römer Ueberrest will noch die Freyheit retten:

Und läßt sich das nicht thun, so sind wir doch nicht dein!

Der Afrikanersand soll unsre Freystadt seyn:

Hier hab ich selber schon ein Grab für mich erlesen.

Doch Cäsar, laß uns Rom, wie es vorhin gewesen!

Komm ohne Kriegesvolk, komm ohne Waffen hin,

Komm so, wie ich mich da zu zeigen willens bin:

Alsdann, so wird man sehn, wer endlich von uns beyden

Triumph und Ruhm erlangt, und welcher Rom muß meiden.

CÄSAR.

Was hab ich denn gethan? Der Deutschen tapfres Blut,

Verehrt durch meinen Dienst der Römer Heldenmuth.

Die Meere waren mir kein Hinderniß im Siegen,

Ich bin den Ocean der Briten überstiegen;

Und doch versaget mir der ungerechte Rath,

Weil mich Pompejus haßt, ein schlechtes Consulat?

Man will mein tapfres Schwert im Frieden kraftlos machen,

Man giebt mir Aufruhr schuld; und was mein Schweiß, mein Wachen,

Mein eignes Blut erkämpft, des Staates höchstes Amt,

Fällt meinen Feinden zu! Das, das hat mich entflammt!

Halb rasend fieng ich an der Römer Feind zu werden:

Vergebens waffnet sich der ganze Kreis der Erden:

Ich schlug ihn doch, und nahm den Rest zu Gnaden an,

Nachdem ich ihn besiegt: was hab ich nun gethan?[70]

CATO.

Aus Rachgier, Cäsar, ward das Schwert von dir gezücket:

Da nun Pompejens Fall den Zorn bereits ersticket;

Warum behältst du noch die oberste Gewalt?

Daraus erhellt ja klar, daß man dich billig schalt.

Tyrannen schmücken stets ihr Thun mit List und Ränken:

Die Worte sind oft gut; die That lehrt was sie denken.

Man gab dir mit Bedacht kein römisch Consulat:

Du warest viel zu groß und mächtig für den Staat.

Und wozu war dir wohl das Vaterland verbunden?

Du hattest als ein Held viel Länder überwunden;

Rom hatte triumphirt: doch, das war deine Pflicht?

Ein Bürger dient dem Staat, der Staat dem Bürger nicht.

Die Schuld ist offenbar; dein Vorwand ist vergebens!

Den Gracchus, wie du weist, beraubte man des Lebens:

Du hast noch mehr verwirkt!

CÄSAR.

Wo will der Eifer hin?

Vergißt man denn, daß ich ein Ueberwinder bin,

Und daß die Römer mich um Gnade bitten müssen?

CATO.

Wer voller Unschuld ist, will nichts von Gnade wissen.

Denk, Cäsar, denk einmal an deine Grausamkeit!

Und wünsche dir vielmehr, daß die Vergessenheit

Den unerhörten Stolz, der dich bethört, begrabe.

Auch Sylla, den ich oft darum gepriesen habe,

Entsagte von sich selbst der Herrschaft und Gewalt;

Und fand auch in der That der Römer Gnade bald.[71]

Dem Beyspiel folge nach: so wird dir dein Verbrechen,

Vieleicht auch noch geschenkt. Ich selbst will für dich sprechen!

Wie nun? Du schweigst allhier? O Rom! O Vaterland!

Hast du dem Barbar nicht viel gutes zugewandt?

Und er bestimmt dir stets ein härteres Geschicke!

Die Götter zeigen uns viel zornerfüllte Blicke:

Rom streitet mit sich selbst: die Mutter haßt den Sohn;

Der Legionen Zahl spricht ihren Brüdern Hohn;

Man sieht der Römer Blut auf Römerhände spritzen;

Die Helden, welche sonst Gesetz und Rechte schützen,

Ersticken die Natur, und schänden ihr Geboth;

Die Väter streben nur nach ihrer Kinder Tod,

Die Kinder suchen nichts, als ihrer Väter Leichen!

Die Mütter sind bemüht dem Jammer zu entweichen,

Und stürzen sich zuvor in beyder bloßes Schwert.

Die Herrschaft, Cäsar, ists, was deine Brust begehrt!

CÄSAR.

Und du verlangest nichts, als Unglück und Verderben!

Du willst entfernt von Rom in Gram und Kummer sterben;

Nur stets geschlagen seyn; und daß ich eifersvoll

Die Hände stets im Blut der Römer baden soll.

Den Frieden schlägst du aus, und hassest doch das Kriegen:

An wem wird wohl die Schuld des ganzen Unglücks liegen?

Ist dir der Römer Blut so werth und hoch geschätzt;

Warum hast du dich stets den Göttern widersetzt?[72]

Hat ihre Gunst sich nicht vorlängst für mich erkläret?

Sie haben mir bisher noch stets den Sieg gewähret.

Ich mach' auch wirklich Rom vom Untergange frey:

Und doch bedünkt es ihm, daß ich sehr strafbar sey.

Du willst dem Siege stets Gesetz und Regeln geben:

O! laß mich doch nur selbst nach Ruhm und Ehre streben!

Als Sylla Sieger war, und als auf einen Tag,

Der Römer ganze Zahl zu seinen Füssen lag;

Da konnt er ohne Schimpf den Zepter von sich legen:

Allein ich muß allhier auch meinen Ruhm erwägen.

Das hieße: Cäsars Muth war endlich doch zu klein!

Und kurz: wo Cäsar herrscht, wird alles glücklich seyn.

Denn wahrlich! überall wohin mein Schwert gekommen,

Hat auch der Thränen Zahl ganz merklich abgenommen.

Auch Rom sieht täglich schon ein prächtig Schauspiel an:

Kurz, meine Hand thut mehr, als jemand wünschen kann.

Ich will ja nichts, als Rom und Wälschland glücklich machen!

CATO.

Verderben willst du sie! das zeigt der Lauf der Sachen!

Dein Stolz giebt dir das Recht, das du zur Herrschaft hast;

Die Stimmen kauftest du, da du der Schulden Last,

Die manchen Bürger drückt, verschwendrisch aufgehoben:

Nur Lastern zum Behuf verübst du Tugendproben.[73]

Tyrannen müssen oft der Tugend Freunde seyn;

Die Wuth versteckt sich nur in einer Wohlthat Schein:

Auch ihre Gütigkeit ist billig zu bestrafen.

CÄSAR.

Wie? kann denn Cäsars Zorn bey solchem Frevel schlafen?

Erwäg es: wenn ich zürn, so ist ein Augenblick

Schon lang und groß genug zu deinem Ungelück.

CATO.

Wenn ich nicht hoffen darf, die Freyheit zu erwerben:

So bin ich alt genug, und will ganz freudig sterben.

CÄSAR.

Ach, weiche dem Geschick!

CATO.

Mein Schicksal heißt: sey frey!

CÄSAR.

Glaub, daß man auch beglückt am Tyberstrome sey!

CATO.

Die Tyber soll mich nicht an ihrem Ufer sehen,

Bevor durch meinen Arm die Rettung Roms geschehen.

CÄSAR.

Erhalte doch vielmehr nur erst dein eigen Haupt![74]

Es ist ein großer Schimpf, wenn man Tyrannen glaubt,

Und gar von ihrer Hand sein Leben will erhalten.

Der größte Ruhm ist der: sich rächen und erkalten!

CÄSAR.

Du trittst mir allzu nah!

CATO.

Ich diene Rom getreu,

Und ehre doch zugleich der Götter Rath dabey.

CÄSAR.

Die Götter haben mir den Beyfall längst gegeben:

Erkenne diesen Wink; hör auf zu widerstreben!

CATO.

In meinem Herzen ist ihr Ausspruch sonnenklar:

Und wäre dieses nicht, so würde mich fürwahr

Der Henker in der Brust mit scharfen Martern plagen:

Itzt aber weis ich nichts von dieser Quaal zu sagen.

Wenn ein Tarquin entspringt, sind hundert Bruter da,

Die man noch nie gebückt zu deinen Füssen sah.

Man spricht dereinst von uns, wie wir von unsern Vätern:

Sie straften Könige; wir thun es an Verräthern.

CÄSAR.

Ach! Cato, schone mich mit der Verrätherey;

Und lege sie vielmehr Pompejens Anhang bey.[75]

Vieleicht gedenkest du, Pharnaces wird dich stützen!

Allein es ist umsonst: er will euch gar nicht schützen.

Nicht längst hat er an mich zween Bothen abgesandt,

Die machten mir von ihm den schnöden Zweck bekannt:

Er suche heimlich dir den Dolch ins Herz zu drücken,

Und wolle deinen Kopf zu mir ins Lager schicken.

Ich nahm sie beyde fest: sie sind gefesselt hier.

Nun strafe sie, und sprich: was tadelst du an mir?

CATO.

Ja, Cäsar, es ist wahr! Die Großmuth muß ich loben;

Allein dein Stolz taugt nichts: sonst solltest du die Proben,

Von meiner Ehrfurcht sehn. Doch, stellt Pharnaz mir nach,

Und sucht er meinen Kopf, so wie man dir versprach:

So steht der Bösewicht mir zwar nach Leib und Leben;

Doch du bist grausamer!

CÄSAR.

Wer? ich?

CATO.

Du bist es eben;

Von dir wird Rom und mir die Freyheit selbst geraubt.

Gerechte Götter! ach! wer hätte das geglaubt?

Kann ein tyrannisch Herz noch so viel Großmuth hegen?

O wärest du geneigt die Waffen abzulegen!

Itzt bin ich voller Scham, ja fast verzweiflungsvoll;[76]

Daß ich dich ehren muß, da ich dich hassen soll.

Laß nach der Grausamkeit die Güte triumphiren!

Laß Rom in Freyheit stehn, und Rath und Volk regieren!

Und mache, daß dich einst das hohe Lob vergnügt:

»Seht! Cäsar ist ein Held, der auch sich selbst besiegt.

Er war uns sonst verhaßt: itzt müssen wir ihn lieben:

Durch seine Huld sind wir vom Joche frey geblieben.

Erst drohte seine Macht uns lauter Sklaverey;

Und itzo sind wir bloß durch seine Gnade frey.«

Wiewohl, es ist umsonst. Kein Ruhm kann dich bewegen.

Der Laster schnöder Glanz kann dich viel stärker regen.

Du stammst von Göttern her; allein du zeigst es schlecht:

Und bist ja, wie man sieht, der tollen Ehrsucht Knecht!

Willst du dich darum nur zum Götterchor erheben,

Um aller Menschlichkeit gar gute Nacht zu geben?

Bist du der Götter Sohn, so zeig auch, was du bist:

Doch wisse, daß ihr Thun nur Huld und Sanftmuth ist.

Allein die Zeit vergeht: du bleibst bey deinen Sinnen,

Und lässest dich Vernunft und Tugend nicht gewinnen.

Leb wohl! ich mache gleich dem Rathe selber kund,

Was dein Verlangen ist. Da mag ihr eigner Mund

Den letzten Ausspruch thun. Erwählt man das Verderben:

So thu mans immerhin! ich will viel lieber sterben!


Er geht ab.[77]


CÄSAR.

O welch ein edles Herz! Wär ich nicht, was ich bin;

Ich wünschte mir nichts mehr, als Catons freyen Sinn,

Der keinen König will. Jedoch wer kömmt gegangen?

Mich dünkt, es ist Pharnaz. Was wird er doch verlangen?


Quelle:
Johann Christoph Gottsched: Ausgewählte Werke. Herausgegeben von Joachim Birke, Band 2: Sämtliche Dramen, Berlin 1968/1970, S. 69-78.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Aristophanes

Die Wolken. (Nephelai)

Die Wolken. (Nephelai)

Aristophanes hielt die Wolken für sein gelungenstes Werk und war entsprechend enttäuscht als sie bei den Dionysien des Jahres 423 v. Chr. nur den dritten Platz belegten. Ein Spottstück auf das damals neumodische, vermeintliche Wissen derer, die »die schlechtere Sache zur besseren« machen.

68 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Frühromantik

Große Erzählungen der Frühromantik

1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.

396 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon