Vierter Auftritt


[139] Fräulein Amalie. Herr von Kaltenbrunn.


HERR VON KALTENBRUNN nimmt die Amalie bei der Hand und springt mit ihr ein paarmal auf und nieder. Sa lustig! mein Schwesterchen, nun werden wir bald so reich sein als der Krösus.

FRÄULEIN AMALIE. Ja, ja! und bald darauf bettelarm wie eine Kirchenmaus.[139]

HERR VON KALTENBRUNN zuckt die Achseln. Worinnen besteht das menschliche Leben anders als in der Abwechslung, meine liebe Amalie?

FRÄULEIN AMALIE. Ei du garstiger Mensch! Wenn du nur das Deine besser zu Rate hieltest. Du klagst dem Doktor vorhin, daß die Oberstin dich darben ließe: kannst du das sagen, du Verschwender?

HERR VON KALTENBRUNN. Und du klagtest, daß sie so stolz wäre: kannst du das sagen, du kleines Lästermaul?

FRÄULEIN AMALIE. Hat sie dir nicht auf der Universität alle Jahre funfzehnhundert Taler gegeben? He?

HERR VON KALTENBRUNN. Und läßt sie dich nicht in ihrem Hause alles so gut mit genießen, als sie selbst es hat? He?

FRÄULEIN AMALIE. Und gibt sie dir nicht itzt alle Monate zwanzig Taler Taschengeld? Ist das Geiz? He?

HERR VON KALTENBRUNN. Und läßt sie dich in ihrer Kutsche nicht oftmals obenan sitzen? Ist das Stolz? He?

FRÄULEIN AMALIE. Aber bei dir ist das Geld nicht angewandt. Wenn ich an ihrer Stelle wäre, ich wollte dir's besser weisen, was Geiz ist!

HERR VON KALTENBRUNN. Und bei dir ist die Güte nicht angewandt. Wenn ich an ihrer Stelle wäre, ich wollte dir's besser weisen, was Stolz ist!

FRÄULEIN AMALIE. Und wie wolltest du das machen?

HERR VON KALTENBRUNN. Den Pantoffel solltest du mir küssen wie dem Papste!

FRÄULEIN AMALIE. Und du solltest mir von jedem Pfennige und Heller Rechnung tun wie ein kleines Kind.

HERR VON KALTENBRUNN. Ha! Wie wollte ich dich nicht betriegen! Er lacht sehr. Die lieben Herren Dames wissen viel, was eine Mannsperson alles braucht.

FRÄULEIN AMALIE. Ach! du solltest mich nicht betrügen! Das sei nur versichert!

HERR VON KALTENBRUNN. Das müßte nicht gut sein!

FRÄULEIN AMALIE. Nun, laß sehn! zum Exempel!

HERR VON KALTENBRUNN. Zum Exempel? Wenn ich dir von der Universität meine Rechnung hätte schicken sollen, so hätte ich dir angerechnet, Er zählt an den Fingern. erstlich für fünfzig Reichstaler Tinte, jedes Jahr.

FRÄULEIN AMALIE lacht sehr. Nun! wer das nicht merkte, der hätte doch auch wohl einen hölzernen Kopf! das glaubte ich dir schon nicht. Siehst du![140]

HERR VON KALTENBRUNN. Nun, warte nur! es kömmt immer feiner! Zum andern sechshundert Taler für Kollegia.

FRÄULEIN AMALIE erschrickt. Sechshundert Taler?

HERR VON KALTENBRUNN. Ja, sechs Privatissima kann ich darunter nicht halten, das ist ausgemacht. Ob ich sie aber gehalten habe, das ist wieder ein anders. Ich kann auch wohl in die ordentlichen Stunden der Lehrer gegangen und ihnen doch auch das wenige Geld noch schuldig geblieben sein. Das kann mein gnädiges Fräulein auch nicht wissen. Siehst du wohl!

FRÄULEIN AMALIE. Nein, nein! ich wollte dich anders kriegen, du sollst mir die Quittungen von den Professoren beilegen. Da wüßte ich's doch!

HERR VON KALTENBRUNN lacht sehr. Je! ich werde ja gute Sauf- und Spielbrüder haben, die mir sechs Quittungen im Namen der Professorum werden schreiben können. Du kennst ja ihre Hände nicht?

FRÄULEIN AMALIE schüttelt den Kopf. Nun, so sehe ich wohl, mit denen sechshundert Talern sieht's mißlich aus: darin könntest du mich leicht betrügen! Aber weiter!

HERR VON KALTENBRUNN. Weiter, vierhundert Taler für Kleider.

FRÄULEIN AMALIE. Vierhundert Taler? Bist du ...

HERR VON KALTENBRUNN. Das wäre für einen Kavalier nicht zuviel. Wenn ich sie nur hätte! Aber ich wollte nicht eine Weste dafür haben.

FRÄULEIN AMALIE. Ei, du müßtest mir die Schneiderzettel schicken.

HERR VON KALTENBRUNN lacht. Ja, ja! die wollte ich dir schicken, und ich hätte doch kein Kleid.

FRÄULEIN AMALIE. Wie wolltst du das machen?

HERR VON KALTENBRUNN lacht. Da ginge ich zu einem guten Freunde, der ein Kleid brauchte, und sagte ihm: Brüderchen, nimm dir ein Kleid nach deinem Gefallen bei dem und dem Schneider aus; aber sage dem Schneider, daß er meinen Namen anstatt deines Namens auf den Zettel setzt. Denn ich habe eine genaue, karge, filzigte, knickerische, geizige, geldgierige, schinderische Schwester zu Hause, die mir kein Geld gibt, und die ich so betriegen muß.

FRÄULEIN AMALIE halb böse, halb lachend. Gehe, du betriegerischer Mensch! ich mag deine gottlosen Praktiken nicht mehr hören.

HERR VON KALTENBRUNN. Potztausend! da kömmt der tolle Hauptmann von Wagehals. Ich kann den tollen Teufel vor meinen Augen nicht leiden. Ich gehe; vertreibe du dir die Zeit allein mit ihm.[141]

FRÄULEIN AMALIE lachend. Ich habe es alle mein Tage gehört, daß ein unreiner Geist den andern vertreibt.

HERR VON KALTENBRUNN droht ihr. Nimm dich nur in acht, daß er nicht etwa mein Schwager wird. Er geht ab.

FRÄULEIN AMALIE lächelnd. Warum denn nicht?


Quelle:
Deutsche Literatur in Entwicklungsreihen. Reihe Aufklärung. Band 6, Leipzig 1933–1935, S. 139-142.
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