Erste Szene

[74] Küste der Ostsee. – Sturm und Gewitter. Auf der linken Seite stehen die Zelte des finnischen Lagers.


ROLF blaß und entstellt, führt den Herzog Gothland auf die andre Seite der Bühne.


GOTHLAND.

Wer bist du? Was willst du mir sagen?

ROLF.

Jetzo stehn

Wir an des Meeres lauten Ufern, von

Den Finnenzelten fern genug, – hier kann

Uns niemand stören.

GOTHLAND.

Was du mir

Zu sagen hast, sag kurz; – ich habe Eile,

Denn heute noch geh ich zu Schiff und fliehe

Dies Schwedenland auf immerdar.

ROLF.

Kennt Ihr mich

Nicht mehr?

GOTHLAND.

Fremd ist mir dein Gesicht.

ROLF.

Im Dom

Zu Northal sprach ich Euch zuletzt.

GOTHLAND.

Zu Northal?

Ho! bist du nicht der Bube, welchen ich

Ins Grabgewölb geworfen? – wie entrannst du? –

Der Himmel, der die Untat strafen will,

Betörte deinen Sinn und liefert dich

Nochmals in meine Hände!

ROLF.

Schweigt vom Himmel!

GOTHLAND.

Er ist gerecht!

ROLF.

O schweigt vom Himmel!

GOTHLAND.

Bete,

Denn du mußt sterben!

ROLF.

Bloßes Sterben schreckt

Mich nicht. – Als ich, von Eurer Hand hinein-[74]

Geworfen, in dem Grabgewölbe lag,

Erfuhr ich andre Angst! – Ein Einsamer,

Der einzige Lebendge unter Toten,

Ergriff mich unbezwinglich Geistergraun, und

Voll heißer Sehnsucht weint ich nach

Dem süßen, goldnen Licht der Sonne. – Doch

Die Kräfte meines Arms erschlafften an

Des Eisengitters Festigkeit, – mein Ruf

Verhallte in den unterirdschen Klüften;

Verzweiflung gab mir neue Stärke

Und mit dem Kopfe rannt ich wütend an

Die Tür, – mein Schädel ward zerschmettert, doch

Die Türe nicht! – Betäubt lag ich nun da,

Bis mich der Hunger schrecklich weckte! –

Schaudernd naht

Ich mich den würmdurchnagten Leichen, sie

Zu speisen – Grabesmoder dampfte mir

Entgegen und trieb mich zurück; – da schlug

Ich endlich meine giergen Zähne in

Das eigne Fleisch und nagte meine Finger –


Indem er den Mantel etwas lüftet und dem Herzoge verstohlen seine Hand zeigt, mit leiserer Stimme.


Hier sehet Ihr die angefreßnen Knochen!

GOTHLAND.

Scheußlich!

ROLF.

Was ich verdiente, litt ich nur! – Als ich

Nun lange Zeit, mit dumpfem Starrsinne,

Die Finger in dem Munde, auf

Dem Deckel eines Sargs gesessen, – als

Nun alles grabesstill geworden war –

Da blickten Schlangenköpfe aus

Den Löchern des zerbröckelten Gemäuers,

Und als sie nichts gewahrt, arbeiteten

Sich schwarzgefleckte Nattern an

Die Dämmrung des Gewölbs hervor

Und glitschten auf die Särge zu, um die

Gewohnte Leichenkost

Zu fressen; – furchtsam wich ich ihnen aus –

Auf einmal halten sie in ihrem Lauf –

Sie riechen was Lebendiges!

Vor Freude zittern sie mit ihren Schwänzen, –

Sie wenden sich vom Fleisch der Toten weg[75]

Und kriechen auf mich zu! – O Angst der Ängste!

Ich flieh, schrei Hülfe! Niemand hörts! – sie folgen

Mit Blitzesschnelle meinen Fersen, –

Es mehrt sich hundertfältig ihre Zahl,

Aus allen Ritzen kommen sie heraus, –

Ich tret im Fliehen einer auf den auf-

Geschwollnen Rücken, daß sie wimmernd zischt –

Da zischt das ganze giftige Gezücht,

Das ganze Grabgewölbe zischt, als wie

Zur Rache! – an der Wand klettr ich empor,

Sie mir nach! Jetzt war ich verloren – –

Doch

Da ward die Tür geöffnet, und ein Mönch,

Der in der Kirche meinen Ruf

Vernommen hatte, trat mit einem Windlichte

Herein!

GOTHLAND.

Du littest viel! –

Was willst du noch

Von mir?

ROLF.

Ich bin hiehergekommen, um

Zur Reue und zur Buße Euch zu mahnen!

GOTHLAND.

Zur Reu?

ROLF.

Verblendeter, was tatest du?

Um nichts erschlugst du deinen Bruder!

GOTHLAND.

Wie?

Manfreds Ermordung ist dir nichts? – Noch hallt

Im Ohr mir deine gräßliche Erzählung,

Wie Manfred fiel durch seines Bruders Hand!

ROLF.

Du wolltest Brudermord bestrafen, und

Begingst ihn selbst, denn die Erzählung war

Erlogen!

GOTHLAND.

Nimmermehr!

ROLF.

Mir hatte sie

Der Neger eingegeben!

GOTHLAND in großer Angst.

Nein, ruf ich, nein!

Bei meiner Seele, nein! Hab ich doch selbst

Gesehn, wie Manfreds Haupt vom Mörderbeil

Zerschmettert war!

ROLF.

Wohl sahst du das, – allein

Du irrtest furchtbar, als du glaubtest, daß[76]

Von Friedrichs Hand das Beil geschwungen sei, –

Der Mohr, der kurz vor dir im Grabgewölb

Gewesen, hatte Manfreds Leichnam so

Abscheulich zugerichtet!

GOTHLAND ergreift sich an der Brust.

Bin ich Gothland oder bin ich

Ein Brudermörder?


Zu Rolf.


Ewger Lügner, wie prüf

Ich dich? – Ha, unterm Dolche redet man

Die Wahrheit –


Er setzt ihm den Dolch an die Kehle.


Dies ist deine letzte Stunde, –

Logst du in Northal oder lügst du jetzt?

ROLF.

Sei Gott mir gnädig, wie ich Wahrheit spreche!

Dein Bruder Friedrich, welchen du so rasch

Erschlagen hast, war schuldlos; ich war dabei,

Als Manfred, von 'nem Schlagfluß schwer getroffen,

In seinen treuen Armen sanft verschied!

GOTHLAND verhüllt mit dem Mantel sein Haupt.

O der Schande!

Wo berge ich mein Antlitz? – Höchst gerecht

Glaubt ich zu handeln, und ermordete

Den frevelfreien Bruder!

Fressen sollen

Des Himmels Vögel diese Augen, an

Dem offnen Weg verfaule dieses Fleisch,

Am Rabensteine soll mein Blut verdampfen,

Und Pferde sollen dies Gehirn zerstampfen!

– Wohin ich blicke, – Brudermörder stierts

Mich an! –

– Ein irrgegangner, müder Wandrer

Entschläft beim Strahl der Abendsonne sorglos

Am Fuße schneebedeckter Alpen; – es

Wird Mitternacht, – – da, auf einmal, erwacht

Er voll Entsetzen unter dem

Gedonner niederstürzender Lauwinen, –

Der Boden bebt, die Felsen klingen, – und er

Erkennt das fürchterliche Lager, das

Er sich gebettet hat, und starret in

Die trostes-, sternen-leere Nacht hinaus, und

Die steilen Bergeswände schleudern un-

Ablässig auf ihn das Verderben!


[77] Er schlägt die Hände aber dem Haupte zusammen.


ROLF.

Ich,

Ich wars, der ihn zum Brudermorde trieb!

Bestrafet mich, gerechte Mächte! und

Verschonet diesen einst so Großen!

GOTHLAND.

O,

Die Kammern meines Busens stehen auf und

Ein Lavastrom von Reueschmerzen stürzt

In ihre Tiefen!


Er deutet auf das Meer.


Diese Wellen, die

Am schwedschen Ufer branden, lecken die

Gestade Rußlands, Deutschlands, Schottlands

In einem unermeßnen Raum, doch un-

Ermeßner ist mein Schmerz um meine Tat! –

– Um meine Tat? – Um meine Tat?


Auf Rolf zeigend.


Der und der Neger, welche mich betrogen,

Der Zufall, der mit Blendwerken mich täuschte,

Der Himmel, der es litt, der Himmel, der

Mich werden ließ, – die haben sie begangen!

ROLF.

Häuf Sünde nicht auf Sünde! Bete!

GOTHLAND.

Beten

Ist Betteln!

ROLF.

Büße, Gothland, büße!

GOTHLAND.

Büßen?

Soll ich dem Könige mich überliefern,

Daß sie mich köpfen, wie 'nen Straßenräuber?

ROLF.

Ja! tu es! deiner Seele willen!

GOTHLAND.

Oder

Soll ich mich selbst ermorden, damit ich

Sofort zur Hölle fahre? – Nein! ich schlug

Den Bruder tot! Reu um Geschehnes ist

Verlorne Arbeit!

ROLF.

Nur der Reue wird

Verziehen!

GOTHLAND.

Das Verzeihen ist an Mir!

Die Mächte meines Lebens haben sich

Herabgewürdigt, mich auf böse Wege zu

Verlocken – Ich gehorche ihrem Willen

Und wandle darauf fort! Hier stehe ich[78]

An meiner Sonnenwende! –

Du begreifst,

Daß du nicht leben darfst, wenn ich

Soll ruhig sein; stets müßt

Ich fürchten, daß du meine Schuld verrietest!

ROLF.

Der Tod ist mir willkommne Buße.

Ich flehe kein Erbarmen.

GOTHLAND.

Flehtest auch

Umsonst! So gnädig wie der Himmel will

Ich sein, der Freudenpsalmen jubelt und

Die Sünder ewig brennen läßt!

Stirb zweifach:

Der Ostsee deinen Leichnam, damit sie

An ihren Klippen ihn zerschmettere, –

Dem Teufel deine Seele!


Er wirft den Rolf in das Meer.

Dann kommt er in den Vorgrund zurück.


– – Hin ist hin!

Geschehen ist geschehn – ich bin einmal

Ein ungerechter Brudermörder worden,

Und werd es bleiben müssen, was ich auch

Beginne!

Ja, jetzt seh ichs ein: beschränkt

An Geist und Sinn, beherrscht durchs kranke Herz,

Nicht einmal klug genug um Tugend von

Dem Laster klar zu unterscheiden, scheint

Der Mensch gemacht zu sein,

Daß über ihn die Hölle triumphiere, –

Drum, wie sich auch der Edle wehrt, um nicht

Zu fallen, – fehlen, fallen muß er doch,

Denn selbst die Taten seiner Tugend werden

Zu Freveltaten durch des Schicksals Fügung! –

Ich hab es an mir selbst erfahren! Ich

War kriegerischen Sinnes, aber edel!

Mein Herz schlug leidenschaftlich für[79]

Die Freundschaft und die Bruderliebe – (gibt

Es reinere Empfindungen? und doch

Sind sie es, welche mich zum Abgrund rissen!)

Mein Höchstes war Gerechtigkeit und nichts

Verhaßtres kannt ich als den Brudermord –

Das wußt das Schicksal, grade damit fing

Es mich: es ließ den einen Bruder sterben, – rief

Den Neger her aus Äthiopien und

Verband sich mit dem Buben wider mich, –

Es gab ihm Macht mich zu umstricken, – ließ

Kometen leuchten, mich zu täuschen, – ließ,

Als ich dem Bruder gegenüberstand,

Ihn selbst, die Gegenwärtigen,

Die Donner zeugen wider ihn, – trieb so

Unwiderstehlich mich zum Brudermord,

Und häufte seine Bosheit auf das Höchste,

Indem es mit dem Trost der Reue mir

Die Hoffnung auf die Umkehr und

Die Beßrung nahm; denn nimmer kann

Ich eine Tat bereun, die durch

Mein feindliches Geschick, und nicht durch mich vollbracht ist! –

– So liege ich nun da, gescheitert an

Dem Strand der Hölle, – rettungslos auf ewig!

Gleich einem Schiffer, welcher von

Dem Malstrom unaufhaltsam aus

Der heißen Zone hingeschleudert ward

An Islands Eisgebirge! –

Wie das Meer,

So wird das All von einem Malstrome

Durchströmt, – einmal muß jedes, was da ist,

Ihn kreuzen, aber keins vermag es, – so

Gehn denn die Millionen in ihm unter!

Jedoch vor allen Wehe uns, die uns

Der Mutterschoß an diesen Erdball aus-

Geworfen hat,

An diese Klippe in dem Ozean

Der Welten! Wer ihr naht, der ist verloren!

Zum Brandmale für ewge Zeit hat ihr

Die Sonne die Sahara eingebrannt! – –

– Der Mensch erklärt das Gute sich hinein,[80]

Wenn er die Weltgeschichte liest, weil er

Zu feig ist, ihre grause Wahrheit kühn

Sich selber zu gestehn!


Berdoa erscheint, von Gothland unbemerkt, mit einigen Finnen im Hintergrunde.


GOTHLAND.

Nein, nein!

Es ist kein Gott; zu seiner Ehre

Will ich das glauben!


Donnerschläge.


Ei, wie

Die Ohrwürmer rumoren!

– Wär ein Gott,

So wären keine Brudermörder! –

Ich glaube, daß es Panther gibt,

Ich glaube, daß es Bären gibt,

Ich glaube, daß die Klapperschlange giftig ist,

Allein an Gottes Dasein glaub ich nicht!


Donnerschläge.


Still,

Verdammte Ohrwürmer! –

Der Mensch

Trägt Adler in dem Haupte

Und steckt mit seinen Füßen in dem Kote!

Wer war so toll, daß er ihn schuf?

Wer würfelte aus Eselsohren und

Aus Löwenzähnen ihn zusammen? Was

Ist toller als das Leben? Was

Ist toller als die Welt?

Allmächtger Wahnsinn ists,

Der sie erschaffen hat!

BERDOA.

Hört doch den Wurm!

Wie er sich gegen Gott zu bäumen meint!

Als ob ein Wurm sich bäumen könnt!

Ein Wurm, auch wenn er zürnt, kann sich

Nur winden!

GOTHLAND.

Wahnsinn? Nein!

So gräßlich wär der Wahnsinn nicht!


Donnerschläge.


Horcht! horcht

Das sind die Fußtritte des Schicksals! –

O,

Jetzt erst, jetzt erst begreif ich euch,[81]

Ihr himmelstürmenden Giganten!

– Zerstörend, unerbittlich, Tod

Und Leben, Glück und Unglück an-

Einander kettend, herrscht

Mit alles niederdrückender Gewalt

Das ungeheure Schicksal über unsren Häuptern!

Aus den Orkanen flicht

Es seine Geißeln sich zusammen

Und peitscht damit die Rosse seines Wagens durch

Die Zeit, und schleppet, wie

Der Reiter an des Pferdes Schweife den

Gefangnen mit sich fortreißt,

Das Weltall hinterdrein!

Die Himmelsbogen sind gekrümmte Würmer

Und krampfhaft ringeln sie

Sich unter seinen Füßen!

Die Menschenherzen sind der Staub,

Worauf es geht! –

O immer, immer mehr

Begreif ich euch, Giganten!

Was ist natürlicher als Himmelssturm? –

– »Geschick!« so zischt es, wenn der Pfeil,

Der auf den Todesfeind geschossen war,

Ins Herz des Bruders fliegt! »Geschick!« so zischt

Das Blut, das aus der Wunde sprützt! – »Geschick« nur?

Nichts weiter? – O, der Glaube an

Ein Schicksal ist nicht furchtbar, – hold und tröstlich

Ist dieser Kinderglaube aus der Zeit

Der Griechen, welche noch nichts Schlimmres ahnten! Das

Geschick ist grausam und entsetzlich,

Doch planvoll, tückisch, listig ist es nicht!


Scheu, leise und unter heftigem Zittern.


Allmächtge Bosheit also ist es, die

Den Weltkreis lenkt und ihn zerstört!

BERDOA.

Ha,

Was sprach er da?

GOTHLAND.

Was zittre ich?

Weswegen flüstre ichs so leise?

– Ei, darf der Hund in seine Kette beißen,

So darf es auch der Mensch!


Sehr laut.


Ja, Gott[82]

Ist boshaft, und Verzweiflung ist

Der wahre Gottesdienst!


Donnerschläge.


Hu! wie

Die Nachtigallen zwitschern!


Der Sturm heult lauter, das Meer braust auf, die Kriegsmusik der anrückenden schwedischen Armee

schallt aus der Ferne.


BERDOA erhebt die Stimme.

Schweigt! schweigt,

Ihr schwedschen Kriegestöne! Laßt

Das Atmen, Stürme! Wälder, unterbrecht eur Rauschen!

Verstumme Ostsee! Hörer, höret, höret!

Hört schaudernd wie der Gotteslästrer rast,

Damit ihr einstens alle, Wälder, Meer

Und Stürme, zeugen könnet wider ihn!

GOTHLAND.

Weil es

Verderben soll, ist das Erschaffene

Erschaffen!

BERDOA.

Schreit nicht auf,

Ihr Donner, vor Entsetzen, stört

Ihn nicht in seiner Lästerung, laßt ihn

Die Langmut Gottes zerrn und necken, bis daß

Sie endlich, aufgereizt zu Zorn und Grimm,

Sich selbst vergißt und zur Hyäne wird

Und ihn zerstückt!

GOTHLAND.

Weil es verderben soll

Ist das Erschaffene erschaffen!

Deshalb ist unsers Leibes kleinster Nerv so

Empfänglich für den ungeheursten Schmerz,

Deshalb sind unsre Glieder so gebrechlich,

Deshalb sind wir so fasernackt geboren!

Daß die Verführung sichrer uns

Beliste, wurden wir

Mit Dummheit reichlich ausgestattet, und

Unsterblich sind wir für – – die Höllenstrafen!

– Weil es verderben soll, ist das Erschaffene

Erschaffen! Wie ein riesges Henkerrad

Kreist dort der sogenannte Himmelsbogen;

Die Tage und die Nächte, Sonne, Mond

Und Sterne sind

Wie arme Delinquenten draufgeflochten, und

Mit ausgesparten Gnadenstößen[83]

Zerrädert und zermalmt er sie!

BERDOA.

Hoho! ich weiß, weshalb er allenthalben Rad

Und Galgen nur und arme Sünder sieht!

GOTHLAND.

Pfui, pfui! wie ekelt mich die Schöpfung an!

Der Jahreszeiten wechselnde

Erscheinungen, die immer wiederkehrenden

Verwandlungen an dem

Gestirnten Firmament – Was sind sie anders, als

Ein ewges Fratzenschneiden der Natur?


Er blickt mit suchenden Augen umher, – seine Stimme wird bewegt.


Weh! Weh! Wie hat sich alles doch verändert!

Wie labte gestern noch der Anblick der

Natur mein krankes Herz! Wie lächelte

Die Sonne!

BERDOA.

O des Toren! die Natur

Ist noch so herrlich wie sie war, allein

Sein Busen ist der gestrige nicht mehr!

GOTHLAND.

– Zwar habe ich gemordet, doch –


Er fährt auf und sieht die Sonne.


Wie mich

Die Sonne angrinst! – Was will sie? Meint sie

Ich wär ein Brudermörder? Oder lacht sie

Mich aus? Sie lacht und lacht, bei Freud und Leid,

Sie kennet keinen Schmerz! – Ha, Sonne! könnt

Ich dich einmal bei deinem Strahlenhaare packen –

Am Felsen wollt ich dein Gehirn zerschmettern,

Und dich, was Schmerz heißt, fühlen lassen!


Die Sonne tritt wieder hinter die Wolken; Gothland beginnt abermals.


– Zwar habe ich gemordet, doch –


Donner und Blitz.


Wem drohet ihr,

Ihr Blitze? Etwa mir? O, ich

Bin nur ein Mörder, aber

Mordbrenner seid ihr!

– Zwar habe ich gemordet, doch –


Kriegsmusik der anrückenden schwedischen Armee; aber Gothland fährt, ohne sich zum dritten Mal unterbrechen zu lassen, fort.


doch Morden ist[84]

So schlimm nun grade nicht!

Vom Morden lebt ja alles Leben; wenn

Du atmest, mordest du! – ein Ding, das nichts

Ist, einen Menschen, machte ich zu etwas, sei's

Auch nur zu Mist! Bei einem Mastschwein

Bedenk ich mich eh ich das Messer zücke,

(Sein Dasein hat 'nen Zweck – es wird

Gefressen –) doch bei einem Menschen

Bedenke ich mich nicht; sein Leben

Nützt weder anderen, noch ihm, und dazu


Indem er unwillkürlich an Berdoa und an sich denkt.


Ist er so negerartig – oder auch so weiß,

Und so verderbt, daß es unmöglich ist,

Sich an 'nem Menschen zu versündgen: was

Für Leid 'eh auch ihm antu – er hat es

Verdient!

BERDOA.

Wart, damit will ich mich

Entschuldgen, wenn ich dir den Hals umdrehe!

Ich werde –


Laute, nahe, schwedische Kriegsmusik.


Ha, die Schweden sind schon nah!


Er geht mit seinem Gefolge schnell ab.


GOTHLAND.

Vor wem sollt ich erröten?

Ei! mordet jene schwörende, gift-

Geschwollne, aufgebrochne, eiternde

Pestbeule, die ihr Sonne nennt, und als

Das Ebenbild der Gottheit ehrt, nicht auch?

Wie an der Amme Brust das Kind, so liegt

An ihr das durstge All, – boshaft tränkt

Sie es mit ihrer fieberheißen Milch;

Daß sie zum Mord aufgären mögen, tropft

Sie Feur in unsre Adern,

Und zärtlich, wie 'ne Mutter, brütet sie

Die lieben Krokodile aus den Eiern!

– Vor wem sollt ich mich fürchten?

Du Himmel! darfst mich nicht verdammen;

Du selber schmiedest aus des Sommers Flammen,

Dicht unter deinem blaugewölbten Sitz,

Den schwefelsprühnden Blitz!

Du tust ihn an mit rotem Prachtgefieder,

Du lehrst ihn seine Donnerlieder,[85]

Du leihst ihm turmeinschmetternde Gewalt,

Räumst ihm das Weltrund zum Versengen ein:

Da flammt die Stadt! die Feuerglocke schallt!

Und lachend jauchzt der Donner hintendrein!


Schwedische Kriegsmusik; die Finnen erwidern sie mit der ihrigen; Schlachtgeschrei; Gothland fährt empor.


Ha, was ist das?

ERIK kommt atemlos.

Herr, rettet Euch, wenn Ihrs

Noch könnt! Die Finnen fliehn, die Rächer nahn,

Und Euer eigner Vater führt sie an!

GOTHLAND.

Scheu fliehe ich dem Vatermorde aus

Dem Wege, und entrinne übers Meer!


Er wirft sein Schwert von sich und stürzt auf die Ostseeküste zu; – auf einmal taumelt er zurück.


Ha!

ERIK.

Dort kreuzt die königliche Flotte und

Versperret Euch die See!

GOTHLAND.

Die Hölle hält

Mit festen Stricken mich gefangen, – nicht

Einmal der Weg der Flucht ist mir vergönnt!

So muß ich denn aus Notwehr sündgen! Um

Sein Leben wehrt sich auch das Lamm!

Horch!

ERIK.

Was?

GOTHLAND.

Bist du denn taub? Der Satan wiehert!

ERIK.

Die Ostsee hört Ihr um die Klippen brausen.

GOTHLAND für sich.

– Sieh! ringsum wirds mir Nacht – ausgelöscht

Sind mir die Leuchttürme des Lebens:

Die Liebe, die die Gegenwart umglänzt,

Die Hoffnung, die die Fernen rosig schmückt,

Des Ruhmes Kränze, welche funkelnd an

Den Sternen hangen, Tugend, die

Den Märtyrer im Sterben noch verklärt,

Die Sonnenberge der Unsterblichkeit,

Auf die der Erdenwandrer blickt

Im Unglückssturm – – sie alle leuchten mir nicht mehr! – – Und

Ich weine nicht? So stürzet euch

Ihr Felsen, die ihr um mich her steht,[86]

Zermalmend auf mein ehrnes Herz,

Bis daß es Weh empfindet!

Zerschmelzet es, ihr Flammen des Gewissens

Und läutert es zu einer Träne!

Hilf du mir weinen, Meer! – Wenn Liebe, Seligkeit

Und Tugend je der Träne wert gewesen,

So muß ich jetzo weinen –


Nach einer Pause.


Sie sind es

Nicht wert gewesen! –

IRNAK kommt.

Herzog,

Der Neger läßt Euch sagen, daß

Der Schwedenkönig mit 'nem Heer

Von achtzigtausend Mann uns angefallen hat;

Wenn Ihr der große Feldherr wirklich wäret,

Als welchen man Euch rühmt, so möchtet Ihr

Nicht länger als ein Feigling zaudern, sondern

Den Finnen beistehn in den Drangsalen

Der Schlacht.

GOTHLAND beiseit.

Wie tückisch mich der schwarze Bube

Durch seines Dieners Mund verhöhnt! Die Schafsseel

Die das vergeben kann!


Zu Irnak.


Verkünde laut

Dem Finnenheer, nie würd ich es verlassen,

Und kommen würd ich, wenn die Schlacht

In meiner Brust geschlagen ist.


Irnak ab.


GOTHLAND.

– Mein Vater

Will mich ermorden. Meine Freunde sind

Nun meine Feinde. Zum Schafotte hat

Mein König mich verdammt. Mein Vaterland

Verstößt mich. Mit dem Blut des Bruders

Ist diese Hand befleckt – die Freude kann

Mich nie erfreun! – – Ich selbst verachte mich und

Deshalb auch das, was außer mir noch da ist –

Glück, Freundschaft, Vaterliebe, Vaterland

Sind hin –

Was bleibt mir noch? Was anders, als

Die Wollust, an dem Neger, welcher mich

Verderbt hat, volle Rache mir

Zu nehmen, jede Höllenpein zwiefach

Mit Höllenpein ihm zu bezahlen, mich[87]

Zu sättigen in seinem Blute, Glied

Vor Glied von unten auf mit eigner Hand

Ihm zu zerbrechen, und mit giergem Ohr

Sein Winseln einzusaugen!


Rossan kommt.


– Der kommt mir

Gelegen. –

– Hab ich keine innre Größe mehr,

So muß ich sie mit äußerer ersetzen;

Weil ich mich selbst verachte, müssen mich

Die Völker achten: wenn die Königskronen

Finnlands und Schwedens um mein Haupt sich schlingen,

So duld ichs schon, daß um mein Herz sich Nattern ringen.

ERIK.

O teurer Herr! der innre Seelenfrieden

Bedarf der Kronen nicht zu seinem Glück,

Doch jede Kron ist ohne Frieden nichts

Als eine goldne Last!

GOTHLAND.

Wie du, so denkt

Ein Knecht, wie ich, so denkt ein König. –


Zu Rossan.


Nun,

Was bringst du mir, mein lieber Rossan?

ROSSAN.

Wann Ihr denn endlich kommen wolltet, fragt

Der Neger, der mich schickt.

GOTHLAND.

Ei, das laß mich

Nicht glauben, Rossan!

ROSSAN.

Was nicht?

GOTHLAND.

Daß der Neger

Dich schicken soll! Des Negers Botenläufer

Ist Rossan nicht!

ROSSAN.

Höhnst du mich, Schwede?

GOTHLAND.

Wie? Bist

Du nicht der älteste der Finnenfeldherrn?

Bist du der klügste nicht und mutigste

Von ihnen? Und du kannst es dulden, daß der

Verlaufne Afrikaner dich hochmütig

Wie seinen Knecht behandelt? Wem gebührt

Denn eigentlich das finnische Kommando?[88]

ROSSAN.

Mir, mir, mir! mir! Der Teufel mag es wissen,

Wie dieser Mohr aus seinem Afrika

Nach Finnland kam!

GOTHLAND.

Sprich nicht so ungerecht;

Der Teufel weiß es nicht, der Himmel, der

Allwissend ist, hat es gewußt!

ROSSAN.

Was Himmel?

Den Neger haß ich wie die Höll! Er stahl

Mir meine Rechte!

GOTHLAND.

Rossan, nimm sie ihm

Doch wieder ab!

ROSSAN.

Kann ichs? Der Pöbel ist

In ihn vernarrt! – Mich frißt die Galle, er

Wird fett und mästet sich!

GOTHLAND.

Ich wüßte wohl

Den Weg ihn zu verderben.

ROSSAN.

Zeig ihn mir!

GOTHLAND.

Rings haben euch die Schweden eingeschlossen –

Das Finnenheer ist in Gefahr – Wählt mich

In dieser Not zum Könige –

ROSSAN.

Bist du verrückt?

GOTHLAND.

Dann mach ich dich zum Obergeneral

Der finnischen Armee, den Neger setz

Ich ab und als Gemeiner dien er unter dir!

ROSSAN.

Ei,

Das wär so übel nicht! Dann könnte ich

Ihn necken, wie er mich geneckt hat und

Ihn Galle schmecken lassen?

GOTHLAND.

Und dabei

Würd ich mit meiner Königsmacht dich schützen!

ROSSAN.

Und dürft ich ihm und Usbek, seinem Lieblinge,

Zuletzt auch noch die Häls abschneiden?

GOTHLAND.

Mit Golde würd ich deine Tat belohnen!

ROSSAN.

Herzog, Ihr seid mein König! Ich eile

Zu meiner Schar und spreche dort für Euch!


Geht ab.


GOTHLAND ihm nachsehend.

Tor, aus dem Regen kommst du in die Traufe –

Ein Schlimmrer werd ich sein als dieser Neger![89]

– So ist der Mensch; die Gegenwart beherrscht ihn

Und schon das bloße Wechseln hat für ihn

Was Reizendes! Die kleinre Qual, die für

Den Augenblick ihn quält, vertauscht er gern,

Um sie nur loszuwerden, mit der größten;

Wer Zahnweh hat, wünscht, daß es Kopfweh wär,

Und wär es Kopfweh, würd er Zahnweh wünschen;

Demjenigen, den ein Despot bedrückt,

Scheint Anarchie etwas Willkommenes,

Und wer gehenkt wird, wünscht, daß man

Ihn rädre! –

Irr ich mich? Erbebte nicht

Der Boden?

ERIK.

Wie

Von fernem Hufschlag dröhnt die Heide.

GOTHLAND.

Ha,

Gewiß versucht die schwedsche Reiterei

'Nen Ansturm auf die Finnen!

Ja! So ists!

Dort stäuben schon die lückenvollen Reihen

Des Finnenheeres durch das Feld!

FINNEN hinter der Szene.

Flieht! flieht!

Wir sind geschlagen! Fluch dem Mohren, der

Uns hergeführt!

GOTHLAND.

So höre ich es gern!


Von der rechten Seite der Bühne kommen flüchtige Finnen; gleich darauf Irnak, Usbek und andere.


USBEK.

Wohin, ihr Memmen?

Noch schwankt der Sieg! Stellt euch in Reih

Und Glied!

FLÜCHTIGE trotzig.

Erst wolln wir ruhn!

IRNAK.

Dort kommt

Der Oberfeldherr!

BERDOA tritt auf.

Panther und Hyänen!

Wir sind zurückgedrängt! Von Europäern!

GOTHLAND für sich.

Auf Europäer hast du lang genug

Geschmäht!

BERDOA.

Noch einmal drauf und dran!

EIN FINNE.

Wir haben keine Waffen mehr!

BERDOA.

Erkämpft

Euch welche von dem Feinde!


Zu Gothland.
[90]

Schlecht, Herzog! ziemts Euch müßig hier

Zu stehen und das Maul weit aufzusperren,

Wie 'n Gassenjunge! Wisset Ihr nichts Beßres

Zu tun? Seid dankbar gegen Eure Retter

Und helft den Finnen, wenn Ihrs könnt!


Gothland hat ihn mit zurückgehaltenem Grolle lächelnd angehört. – Berdoa wendet sich zu den Finnen.


Ihr steht

Auf einem Schlachtfelde: hier ist der Mord

Ein Ruhm und wird belohnt! Ihr habt die Wahl,

Selbst umzubringen oder umgebracht

Zu werden! – Wollt

Ihr von des Feindes Rossen euch

Zertreten lassen oder wollt ihr ihn zertreten?

Wenn ihr das Letztre wünscht, so streitet brav;

Der Tapfre lebt am längsten!

Die blassen Schweden fürchtet ihr doch nicht?

Wie Hunde werdet toll von ihren Hieben!

Stoßt sparsam zu, doch wenn ihr stoßt, so trefft auch!

Bauch, Brust, Gesicht, das sind die Stellen

Wonach ihr zielen müßt!

Ist euer Schwert zerbrochen,

So habt ihr Nägel an den Fäusten; hat

Der Gegner euch die Hände abgehackt,

So habt ihr Zähne in dem Maule;

Auf! »Europäerblut« das Feldgeschrei!


Er geht mit den Finnen auf die rechte Seite der Bühne zu.


ROSSAN kommt ihnen eilends entgegen.

Zurück! die schwedschen Reiter kommen!

Hier auf der offnen Heide können wir

Nicht widerstehn!

BERDOA.

Das ist verdammt!


Zu den Finnen.


Zieht bis an jene Höhen euch zurück

Und ordnet dort von neuem euch zur Schlacht!

In zehn Minuten sind wir wieder hier!


Die Finnen ziehen linkerhand ab.


IRNAK.

Herr, auf dem Meere schifft

Die Schwedenflotte und sie droht zu landen!

BERDOA.

Still!

Schon seit 'ner Stunde hab ich sie im Auge![91]

Mich freut, daß sie das Volk noch nicht bemerkte;

So lang es gehn will, wollen wirs

Verhehlen!


Berdoa, Irnak und die letzten Nachzügler des Finnenheeres ab.


GOTHLAND deutet rechts hin.

Erik, siehst du dort

Den Graugelockten auf dem Hügel stehn?

ERIK.

Es ist der Herzog, Euer Vater.

GOTHLAND.

Sieh!

Der Wind weht ihm das Haar wie Sturmgewölk

Ums Haupt, und wie ein Geier, welcher hoch

Von seiner Felsenwarte Beute späht,

Blickt er mit rollnden Augen durch die Heide –

– Erik! nach wem sieht er wohl so umher?

Weh! er erblickt mich! Weh, er kommt! er kommt!

Verbirg dich, Antlitz!


Er zieht eine Kappe übers Gesicht.


DER ALTE GOTHLAND tritt auf, laut rufend.

Meinen ältsten Sohn

Ruf ich zum Zweikampfe!

GOTHLAND mit verstellter Stimme.

Gereuts dich, daß

Du ihn gezeugt?

DER ALTE GOTHLAND.

Wohl reut' es mich, – er sei verflucht!

GOTHLAND.

Den Fluch auf dich! Wer hatte dir das Recht

Verliehn, das Leben ihm zu geben?! Fluch der Geilheit,

Die dich antrieb!

DER ALTE GOTHLAND.

Gut mach ich meinen Fehler,

Indem ich ihn vertilge!

GOTHLAND.

Darfst du das?

DER ALTE GOTHLAND.

Hab ich ihn nicht erzeugt, ernährt, erzogen?

GOTHLAND.

Ho, dafür braucht dein Sohn dir nicht einmal zu danken!

Verdammte Schuldigkeit ists, daß

Ihr die Geschöpfe, welche ihr zu eurer Lust

In diese Welt der Qual setzt, auch ernährt!

DER ALTE GOTHLAND.

Wes ist die Zunge, die hier leugnet, daß

Der Vater richten darf den Sohn?

GOTHLAND.

Und wenn[92]

Du ihn vertilgen darfst, kannst du es auch?

DER ALTE GOTHLAND.

Verspottest du mein graues Haar? Wer du

Auch bist, wahr dich vor meiner Faust! Noch fühlt

Sie ihre alte Kraft!

GOTHLAND.

So raffe denn

Die alte Kraft zusammen, und versuch es doch,

Vertilge seine Seele, du Gewaltiger!

– Ohnmächtiger, vermagst du's nicht? – Wer einmal

Geboren ist, muß ewig leben, er

Mag wollen oder nicht, denn von

Dem ersten Augenblicke seines Seins

Gehöret er der Hölle zu!

Drum Fluch der Welt, wo jeder Bauerlümmel

Mit Hülfe einer Viehmagd

Etwas Unsterbliches verfertgen kann!

Drum Fluch den Vätern! Jammer und

Unfruchtbarkeit den Müttern! Wehe den

Gebornen!

DER ALTE GOTHLAND.

Lästrer! Hochverräter!

Verschworen scheints, bist du

Mit meinem Sohne, um

Zu rebellieren wider mich! Ist denn

Die Erde seit der vorgen Nacht

Aus ihrem tausendjährgen Gleis geworfen?

Und nehmen unsre Kinder jetzt

Die Rute in die Hand? Nein, ehe ich das dulde,

Fall ich im Kampfe für das älteste

Der Rechte, für das Vaterrecht!


Er geht auf Gothland los.


GOTHLAND weicht rasch zurück.

Ich will

Mit dir nicht kämpfen, retten will ich dich!


Kriegerische Musik; Berdoa, Rossan, Usbek und andere ziehen im Hintergrunde mit Heerhaufen vorbei. Die Schlacht beginnt von neuem und scheint sich zu entfernen.


GOTHLAND.

Siehst du's?

Der Finne ist verstärkt zurückgekehrt;

Willst du nicht abgeschnitten sein, so eile fort

Von hier; – dort durch den Hohlweg schleich; er wird

Dich vor des Feindes Blick bedecken

Und führt auf einem Umwege zum Heer[93]

Des Königs.

DER ALTE GOTHLAND.

Ich begreif dich nicht, – indes

Du machst dein Reden gut durch deine Tat.


Geht ab.


GOTHLAND zieht die Kappe vom Gesicht.

Mit meinem Vater bin ich wett; er gab

Ein Leben mir, ich rettete ihm eins;

Begegne ich ihm noch einmal, so weich

Ich vor ihm nicht! –

Keinen Vater mehr?


Schmerzlich, die Hand auf der Brust.


O hier

Sind traurige Ruinen!


Die Schlacht kommt wieder näher; abermalige Flucht der Finnen; waffenlose Soldaten stürzen herein; dann kommt Usbek; Gothland tritt auf die Seite und beobachtet das Vorfallende.


USBEK verzweiflungsvoll.

Alles ist

Verloren! Unsre Erschlagnen decken das

Gefild! Geh unter Sonne! und beschein

Es nicht!


Irnak kommt, den Arm in einer Binde.


USBEK.

Verwundet?

IRNAK.

Kaum gestreift.


Ihm ins Ohr.


's ist aus

Mit uns! –

Wo ist Berdoa?

USBEK.

Im Schlachtreihn, –

Fruchtlos sah ich ihn Sturm auf Sturm versuchen, –

Der Widerstand verdoppelt seine Kraft!


Berdoa, Rossan und Finnen.


BERDOA.

Trompeter, blast den Kampf zu neuen Flammen,

Den Mut der Finnen blaset wieder an!

ROSSAN.

Das hilft Euch nichts. Das Volk ist zu verzagt.

Zweimal wards nun an diesem Tag geschlagen.

BERDOA.

So will ich denn zum letzten Mittel greifen:

Ich lasse sie verzweifeln!

Finnen! Wir

Sind hoffnungslos verloren!


Wehgeheul.
[94]

Nimmer seht

Ihr eurer Heimat Küsten, nimmer seht

Ihr eure Weiber, eure Kinder wieder;

Auf dieser fremden Erd, wo heute schon

So viele Kameraden fielen, werdet

Ihr unbeweint verwesen!

DIE FINNEN.

Rette uns!

Errette uns!

BERDOA.

Die Schweden treiben uns

Wie 'n Rudel Wild zusammen, – rings sind wir

Umzingelt; auf dem Meere (länger darf

Ichs nicht verschweigen.) kreuzt die Feindesflotte

Und droht mit einer Landung unsren Rücken; auf

Dem Lande dringen, wie vier fürchterliche Schnitter,

Der König Olaf, der Graf Holm, der Graf

Arboga, dem der Pferdeschweif den Helm

Umflattert, und der alte Herzog Gothland,

Mit ihren Schwertern Finnlands Jugend un-

Barmherzig niedermähend, auf uns ein!

Schon harren über uns die Krähn

Auf unsren Tod,


Nahende Trommeln und Geschrei.


schon nahn mit Siegsgejauchz

Die Schweden –

DIE FINNEN.

Rette! rette uns!

BERDOA.

– und nichts

Als nur Verzweiflung kann uns retten!

EIN FINNISCHER HAUPTMANN tritt ein.

Ein schwedscher Herold ruft: sein König sichre

Den Finnen einen freien Abzug zu, wenn

Sie das verfemte Haupt des Herzogs Gothland

Freiwillig überliefern würden.

BERDOA boshaft.

Was

Verhindert uns, es auszuliefern?


Zu Usbek.


Schlags

Ihm ab!

ERIK.

O Gott! mein armer Herr!

GOTHLAND leise und dringend zu Rossan.

Hast du

Getan, was du versprachest?

ROSSAN.

Meine Scharen[95]

Sind Euch gewonnen.

GOTHLAND.

Kann ich mich darauf

Verlassen?

ROSSAN.

Als wärs auf Euch selbst!

GOTHLAND.

So sei

Gewärtig!

USBEK zu Gothland, das Schwert erhebend.

Bück dich!

BERDOA zu Usbek.

Haue doch nur zu!

GOTHLAND.

Mohr, mäßge dich! Gefallen ist der Trug,

Der mir das Haupt umfing; ich weiß es, wie

Du mich betört!

BERDOA mit unmäßigem Hohn.

Weißt du's, Dummkopf? Das freut mich!

Was ich befohlen, hast du wohl erfüllt:

Den Bruder, welcher dir noch lebte, hast

Du totgeschlagen, – schade, daß ich dich nun nicht

Mehr brauchen kann – du hast ja keine Brüder mehr!

Merkt Finnen! so bestraf ich die, die mich

Verhöhnen; dieser Schwede wollte einst

In seinem Übermut mich peitschen lassen –

Heut lasse ich den armen Sünder köpfen!

– Beinah erbarmt mich sein; der Tropf erwürgte

Den Bruder, weil ich –

Seht, wie er vor Furcht

Erbleicht!

GOTHLAND mit dem schrecklichsten Ausbruche seiner Wut.

Du irrst dich! er erbleicht vor Zorn!

– Zurück du Hund, und knurre nicht!


Er stößt ihn von sich weg; große Bewegung unter den Finnen.


USBEK mit Finnen auf Gothland eindringend.

Erschlagt ihn!

ROSSAN mit andren Finnen dem Usbek entgegentretend.

Wir schützen ihn!

USBEK.

Das ist Empörung!

GOTHLAND zu Berdoa.

Plaudre

Kein Wort von dem, was zwischen mir und dir

Geschehn ist! Schweig, schweig! Du bist bös,

Doch dreifach bös bin ich, denn vorher war

Ich gut; drum hüt dich!

BERDOA wütend auf ihn eindringend.

Hüte du dich selber;[96]

Sehr blutbegierig sind die Tiger!

USBEK.

Ich bin

In Tod und Leben dir zur Seite!


Rossan hält mit seinen Leuten den Anhang der Beiden auf.


GOTHLAND.

Haltet; hört

Mich erst, eh fruchtlos Blut vergossen wird!

Womit hat dieser Schwarze eure Liebe

Verdient?

BERDOA.

Schlagt doch die Trommeln!

GOTHLAND.

– vielleicht, weil er

Die Ersten eures Volks hinrichten ließ,

Um ihre häupterlosen Rümpfe zu

Den Stufen seiner Macht zu machen?

BERDOA.

Trommeln!

EINZELNE STIMMEN.

Nein, hört ihn, hört!

BERDOA.

Verdammtes Finnenpack!

GOTHLAND.

Vernehmet ihr sein Schmähn? So lohnt ers jetzt,

Daß ihr ihn, als er barfuß, bettelnd in

Eur Land kam, wie 'nen König aufnahmt und

Mit Purpur seine Blöße decktet!

EIN FINNE.

Ja, er

Kam barfuß in das Land; ich weiß es noch.

GOTHLAND zu Berdoa.

All diese vielen tausend Finnen, die

Hier stehn, die sich auf deinen Mut und Witz

Verlassend, dich zum Feldherrn wählten und

Dir folgten, hast du hergeführt auf dieses

Schlachtfeld, wie auf 'ne Schlachtbank, hast sie prahlrisch

Mit Siegsverheißungen getäuscht und nun

Durch deine Einfalt sie im Garn des Tods

Verstrickt! – Wo bleibt jetzt deine Kriegskunst? Hast du

Schon ihren ganzen Vorrat aufgebraucht?


Auf die Finnen deutend.


Errett sie doch!

Zweimal hast du's bereits

Versucht und zweimal haben dich die Schweden

Wie 'nen begoßnen Pudel wieder

Zurückgejagt; nicht wert bist du ein Feldherr

Zu sein; ich setz dich ab, und fortan dienst

Du als Gemeiner unter Rossans[97]

Bataillonen!

BERDOA.

Gift und Hölle!


Er geht auf Gothland los.


ROSSAN UND FINNEN ihn abhaltend.

Nieder mit

Dem Neger!

USBEK UND FINNEN.

Nieder mit dem Gothland!

GOTHLAND.

Usbek! hör noch ein einzig Wort! Du kennst

Die Sitte deines Volks, die Blutrache?

USBEK.

Wie ich mich selbst!

GOTHLAND.

Ward nicht dein Vater meuchlings

Erschlagen?

BERDOA schnell und heftig einfallend.

Rührt die Trommeln!

GOTHLAND.

Dieser Mohr

Erwürgte ihn!

USBEK.

Das lügst du!

ROSSAN gibt dem Usbek ein Papier.

Hier ist der Beweis.

USBEK in das Papier blickend.

O Mörder! Teufel! Teufel!

Gothland,

Ich bin der Dein'ge! Nieder mit dem Neger!

ALLE FINNEN indem nun auch die Letzten dem Beispiele Usbeks folgen.

Nieder, nieder mit dem Neger!


Irnak, der bisher schweigend auf Berdoas Seite gestanden hat, verläßt ihn jetzt ebenfalls. – Berdoa, da er sich von allen verlassen sieht, will racheglühend auf Gothland zuspringen, aber plötzlich stürzt er besinnungslos, niedergeworfen

von seiner inneren Erschütterung, an den Boden.


USBEK zu Gothland.

Wenn du ihn willst getötet haben, so

Trag mir es auf – laß mich den Vater rächen!

ROSSAN leise zu Gothland.

Treibt es fürs erste nicht zu weit; schon wird

Der Pöbel nach der alten Weise wieder

Mitleidig, – immer hält er es mit dem,

Der unterliegt!

GOTHLAND.

Wie wahr das ist, mein lieber Rossan!


Für sich.


– Erst Grausamkeit zur Folie und dann

Ein bißchen Großmut drauf geflickt – das wirkt,[98]

Das muß zu Tränen rühren – jetzt

Die Großmut!


Laut.


Usbek, wie mich dünkt, ist er

Für jetzt genug bestraft; bewahr mich Gott,

Daß ich an dem Ohnmächtigen mich räche! – Wenn

Er wieder sich erholt hat, dann soll

Dich niemand hindern, es mit ihm

In offnem Kampfe auszufechten. –

Irnak,

Berdoa ward von dir am wenigsten

Beleidigt; beim Erwachen, denk ich, sieht er

Dich lieber als uns andre; bringe ihn

In Sicherheit, und wenn dir meine Gnade auch

Nur etwas gilt, so pfleg ihn wie 'nen Freund.


Irnak und Soldaten bringen den Neger von der Bühne.


ROSSAN.

Ist das nicht edel?

DIE FINNEN.

Ja, großmütig ists

Gehandelt!

GOTHLAND schnell ein flüchtiges Lächeln unterdrückend.

Lobt mich nicht; ich tat ja nur,

Was jeder Mensch tun würde. –

Wie es mit

Euch steht, das wißt ihr selbst; Berdoa hats

Euch schon gesagt; – die schwedsche Landarmee

Umzieht uns enger stets und enger, –

Die schwedsche Flotte macht sehr drohende

Bewegungen – Neunhundert Reiter könnten euch

Bequem zusammenhaun! –

Was gebt

Ihr mir, wenn ich eur Leben rette?

– Daß ich es kann, das glaubt ihr schon; ihr kennt

Den Herzog Theodor von Gothland aus

Den Schlachten, die er siegreich gegen euch

Gefochten hat!

ROSSAN.

Sehr billig ist es, für

Das Höchste auch das Höchste dir zu bieten:

Rett uns und Finnlands Krone sei dein Lohn!

DIE FINNEN.

Errett uns und sei König!

GOTHLAND.

Ist

Das euer Ernst?

DIE FINNEN.

Ja, du bist unser König![99]

GOTHLAND.

Ists so?

ROSSAN, USBEK UND FINNEN.

Wir alle sind dir untertänig!

GOTHLAND.

So schwört, mir treu zu sein in Glück und Not!

ROSSAN, USBEK UND FINNEN.

Wir schwören, dir zu folgen in den Tod!

GOTHLAND.

Den straf ich Hochverrats, der dieses log!

ROSSAN, USBEK UND FINNEN.

Der König Finnlands, Gothland lebe hoch!


Tusch.


GOTHLAND laut gebietend.

Wohlan, so reißet aus die finnischen Paniere

Und pflanzet auf die Banner meines Hauses!


Es geschieht.


– Fortan ist Rossan euer Obergeneral,

Usbek bleibt Kommandeur der Reiterei! –

– Der schwedsche König hat 'nen Preis

Von tausend Stücken Goldes auf mein Haupt

Gesetzt, – ich setze funfzigtausend auf

Das seinige! – Herold, sitz auf und rufs

Den Feinden zu –


Indem er in seine Brieftasche schreibt.


mach dich zugleich

An ihren Oberfeldherrn, an

Den Grafen von Arboga, grüße ihn

Von Gothland, laß ihn dieses lesen, und

Meld mir, was er darauf beginnt!


Der Herold geht ab.


Wo ist

Mein Sohn?

EIN FINNE.

Ich sah ihn bei der Vorhut.

GOTHLAND.

Ruf ihn.


Der Finne geht; Gothland streckt die Hände gen Himmel.


Gebt

Mir langes Leben! –

Erik, hurtig hol

Mir Panzer, Helm und Schild!


Erik ab.


– – Begraben von den Wolken ist die Sonne,

Und tiefes Dunkel bricht herein, als wärs[100]

Schon Nacht!


Die Gegend verfinstert sich.


– Die Windsbraut hat

Den Ozean entwurzelt!

Wie ein Gigant stürmt er empor

Mit hunderttausend Häuptern, holt

Den Adler auf dem Flug ein und zerschellt

Mit gräßlichem Gebrülle an

Der Sternenfeste! – Möwenscharen fliegen auf –

Turmhohe Wasserhosen saugen an den Wellen –

Die Uferfelsen werden losgerissen – Alles ist

Mir günstig! –

Wissen sie dort auf

Der schwedschen Flotte, daß die Finnen hier

Am Ufer stehen?

ROSSAN.

Ja; doch grad an dieser Stelle

Vermuten sie uns nicht, denn vor

'Ner Stunde noch stand eben hier

Der schwedsche Oberst Torst samt einem

Erlesnen Regimente, um damit

Die Landung zu bedecken. Schleunig und

Behutsam ließ ich ihn umzingeln,

Auf Gnad und Ungnad mußte er sich mir

Ergeben; – auf den Schiffen hat

Man schwerlich davon etwas wahrgenommen.

GOTHLAND.

Der Oberst Torst? Mit dem soll ich, wie man

Mir stets gesagt, viel Ähnlichkeit in Wuchs

Und Stimme haben.

ROSSAN.

Wahrlich,

Ihr habt viel Ähnliches mit ihm,

Besonders in der Stimme.

GOTHLAND.

Denkst du? Nun,

Das bringt der Flotte ihren Untergang!

– Holt mir Torsts Uniform!


Ein Finne geht ab.


ROSSAN.

Ha, ich ahne!

DER FINNE mit einem schwedischen Offiziershute und Mantel zurückkommend.

Hier ist die Uniform.

GOTHLAND sich damit bekleidend.

Brennt mir[101]

'Ne Fackel an!


Man tut es und übergibt sie ihm.


Wo ist

Die klippenvollste Stelle dieses Strandes?

ROSSAN zeigt auf einen Felsen, der im Hintergrunde am Seegestade steht.

Die seht Ihr dort; auf sechzig Klaftern weit

Geht jedes Schiff in ihren Strudeln unter.

GOTHLAND befiehlt den Finnen durch eine Bewegung seiner Hand, sich ruhig zu verhalten, und ersteigt den Felsen; wie er oben ist, winkt er der schwedischen Flotte mit der Fackel, und ruft ihr zu.

Heran, heran, ihr Schiffskamraden!

Jetzt ist es hohe Zeit! Der König hat

Das Finnenheer von vorne an-

Gefallen, landet schnell und fallet es

Von hinten an!

STIMMEN VON DEM MEERE HER aus der Ferne.

Wer bist du?

GOTHLAND.

Donner und

Das Wetter! Kennt ihr mich nicht mehr?

Ich bin der Oberst Torst, und soll,

Wie ihr ja wisset, eure Landung decken –

Wie lange soll ich auf euch warten?

STIMMEN VON DEM MEERE HER.

Es

Ist dunkel und es stürmt!

Wir wissen keinen sichren Landungsplatz!

GOTHLAND.

Herr Gott,

So steurt doch nur dem Wink der Fackel nach!

Hier wo ich stehe, ist der schönste Ankergrund,

Den ich noch je gesehn! Kein Fels! kein Strudel!

Ein treues Wasser führet von

Den Schiffen bis hieher!


Mit der Fackel winkend.


Heran! heran!


Beiseit.


Empfangt sie, Riffe!


Laut.


Rudert, rudert! kommt!

STIMMEN VON DEM MEERE HER.

Wir kommen schon! Wir kommen schon!

GOTHLAND beiseit.

Sie kommen! Fackel ködre, angelt sie[102]

Ihr Klippen!

STIMMEN VON DEM MEERE HER näher kommend.

Ha, Betrüger du! In Strömungen

Und Felsgehege hast du uns gelockt!

GOTHLAND plötzlich ein lautes Hohnlachen aufschlagend.

Ja ja!

Dem Haifisch in die Meersupp eingebrockt!

STIMMEN VON DEM MEERE HER.

Weh! Weh! wir scheitern!

GOTHLAND.

Da geschieht

Euch euer Recht! Wie konntet ihr

So blind und töricht sein, den König Gothland

Für einen schwedschen Obersten zu halten?


Er wirft die Fackel in die See und reißt sich die schwedische Uniform ab.


STIMMEN VON DEM MEERE HER.

Ha, warte nur! Wir stürzen häuptlings dich

Ins Meer, sobald wir an das Land geschwommen!

GOTHLAND.

Es ist mir lieb, daß ihrs im voraus sagt,

Nun kann ich es bei Zeiten noch

Verhüten!

Finnen!

Besetzt die Küste, zieht die Säbel

Und haut den Schweden ihre Finger ab,

Wenn sie damit sich an das Ufer klammern!

EINER DER SCHIFFBRÜCHIGEN welcher die Küste grade da, wo Gothland steht, soweit erklettert hat, daß er mit dem Kopfe über sie hinwegragt.

Gott

Sei Dank! ich hab den Strand erklimmt!

GOTHLAND stößt ihn mit dem Fuß zurück.

Noch nicht! Verfluch

Die Mutter, welche dich gebar, daß du

Ersöffst!

STIMMEN VON DEM MEERE HER dicht am Strande.

Sind von den Unsren ein'ge oben,

Die hülfreich uns die Hände reichen können?

GOTHLAND heimlich zu den Finnen.

Reicht ihnen eure scharfen Säbel!

FINNEN tun es.

Hier

Sind unsre Hände![103]

STIMMEN VON DEM MEERE HER.

Wir ergreifen sie

Mit Dank und –


Auf einmal jammernd.


Weh, geschliffne Schwerter sinds!

Die Finnen sinds! O die Barbaren!

Barbarscher als die See, die uns verschlingt!

GOTHLAND fängt an zu singen.

»Es stehet ein Fischer am Ostseestrand – Hoho!

Hat Felsennetze ausgespannt, – Hoho!

Er lockt mit blendendem Fackelschein

Die Fisch' in seine Netz' hinein! Hoho, Hoho!

Es kommen die Toren gezogen, – Hoho!

Er schmücket mit Scharlach die Wogen, – Hoho!

Der Fischfang ist gut –«


Seinen Gesang unterbrechend.


Hu, alles still! ich sang noch! – Tausend Leben

Sind ausgelöscht, – der Sturm läßt nach, die Wolken

Verziehen sich, das Meer hört auf zu wüten,

Besänftigt durch die ihm Geopferten, –

Die Sonne tritt auf einen Augenblick

Aus dem Gewölk, beleuchtet blutigrot

Die mit Schiffstrümmern übersäte Ostsee

Und ihre leichenüberschwemmten Küsten,

Zeigt mir, was ich begangen und verhüllt

Ihr Haupt! – –


Pause. Die Gegend bat sich wieder aufgehellt.


Sind sie denn alle schon ertrunken? –

Ha, dort hängt noch ein einzger zappelnd an

Dem Felsenvorsprunge, – ein Jüngling ists! –

Im Meer, dicht unter seinen Füßen, lauert

Ein riesger Mantelroch auf seinen Sturz, –

– Wie mich der Arme rührt! Könnt ich ihn retten!

Weh mir, was habe ich getan! –

Jetzt schlägt

'Ne Woge an den Felsenhang, er klammert

Sich fester an; umsonst! sie spült ihn weg,

Er stürzet in die See, der Mantelroche

Umwickelt ihn und fährt mit ihm heißhungrig in

Die Tiefen! – –

– Eine teure Mutter harrt

Vielleicht auf ihn daheim, vielleicht war er[104]

Die einzge Freude ihres öden Alters, – mit

Der Morgen-, mit der Abendröte steigt

Sie auf den Hügel und blickt sehnend aus

Nach ihrem treuen, hoffnungsvollen Sohn, –

Sie breitet liebevoll die Arme aus,

Ihn an das Herz zu drücken, – nimmer wird

Sie es! ein Mantelroch der Ostsee hält

Ihn schon umschlungen! – –

Still, das führt zur Reue;

Still, still, still –


Er versinkt in düstres Nachdenken; seine Blicke ruhen unbeweglich auf dem Meere; der Herold, welchen er vorhin an das Schwedenheer absandte, tritt wieder auf.


ROSSAN ruft.

König!

GOTHLAND horcht auf.

»König?« Meint er mich?

Ha, dieses einzge Wort hat mich geheilt!

– Was gibts?

ROSSAN.

Der Herold ist zurückgekehrt.

GOTHLAND steigt von dem Felsen.

Herold, was sagt der Graf Arboga?

HEROLD.

Nachdem er Euren Brief gelesen, riß

Er vor der Fronte seiner Regimenter

Die schwedsche Farb von seinem Helme, warf

Sie in den Kot und rief: »der König, dem

Wir dienen, ist ein Lump! zum Gothland, den

Das Finnenvolk zum Herrscher sich erkoren,

Der euch so oft zum Sieg geführt hat, geh

Ich über – Wer mich liebt, der folgt mir nach!«

– Die Scharen jauchzten auf, als er

Den Namen Gothland nannte;

Ein Haufe von zwölftausend Mann, beinah

Der fünfte Teil der schwedischen Armee,

Ist ihm gefolgt; – da kommt er schon

Und führet ihn Euch zu.


Arboga tritt von der rechten Seite der Bühne auf, schwedische Truppen folgen ihm.


GOTHLAND geht ihnen entgegen.

Willkommen, Graf! willkommen, Kriegsgesellen!

ARBOGA zu seinen Kriegern.

Grüßt euren alten, ruhmgekrönten Feldherrn!


Kurze kriegerische Musik.
[105]

GOTHLAND.

Ich danke euch, Landsleute! –


Die finnischen und schwedischen Offiziere bewillkommnen sich stumm und auf militärische Weise. Dann treten sie wieder voneinander.


GOTHLAND zu Arboga.

Ich hab mich nicht in Euch geirrt!

ARBOGA.

Hier

War nichts zu irren. – Schwer beleidigt war

Ich durch den Schwedenkönig; zu 'ner Strafe

Von tausend Stücken Goldes hatte er

Durch seine Räte mich verdammen lassen.

Dafür mußt ich Genugtuung mir schaffen

Und Euer Brief bot mir Gelegenheit

Dazu.

GOTHLAND.

Ich bau auf Euch!


Irnak tritt auf. – Gothland wendet sich zu ihm.


Wo ist der Neger?

IRNAK.

Das laute Lebehoch, das Euch vorhin

Die Finnen brachten, hat ihn aufgeweckt

Aus der Betäubung. Wutgetrieben streift er

Nun durch die Ebne, – wen er anrührt, den

Vernichtet er und nieder stößt er jeden,

Der ihm begegnet. Eben traf er auf

'Nen Haufen zechender Soldaten, – er

Ergriff ein brannteweingefülltes Glas,

Leert' es auf einen Zug, und fraß es selbst

Dann hinterdrein, daß ihm

Die Zähne knirschten und das Zahnfleisch blutete;

»Herr! seid Ihr toll? Ihr freßt

Ja unser Branntweinglas!« schrien die

Soldaten; da versetzte er

Mit einer fürchterlichen Stimm: »ich meinte,

Es wäre Gothlands Herz!«

GOTHLAND zu Arboga.

Ihr hört, Graf, wie

Gefährlich dieser Mohr mir ist; er hat

Noch viele Freunde in dem Finnenheer,

Deshalb verschieb ich seine Hinrichtung,

Ich zähl auf Euren Beistand, wenn dazu

Die Zeit gekommen ist.

ARBOGA.

Zählt dreist auf mich


Auf seine Soldaten deutend.
[106]

Und jene! Was Ihr ihnen auch befehlt,

Sie werdens tun; an blind Gehorchen hab

Ich sie gewöhnt.


Gustav tritt ein.


DIE ANWESENDEN KRIEGER rufen.

Der Kronprinz Gustav lebe!

GOTHLAND.

Erheitre dich, mein Sohn! Hörst du wie dich

Das Heer begrüßet?

GUSTAV.

Die Begrüßung macht

Mich traurig.

GOTHLAND.

Und warum?

GUSTAV.

Sie klingt mir fast

Wie 'n Vorwurf;


Gothland fühlt sich getroffen, doch faßt er sich sogleich wieder.


als man mich noch bloß den Sohn

Des Herzogs Gothland hieß, da, dünkt mich, war

Ich glücklicher!

GOTHLAND.

Das dünkt dich nur! gewiß!

Verlaß dich drauf! Du mußt weit glücklicher

Jetzt sein, – wenn nicht einmal ein Königssohn

Oder ein König glücklich ist, ja dann

Gibt es kein Glück auf Erden!


Erik kommt mit Gothlands Rüstung.


– Wo hast du

So lang verweilt?


Gothland nimmt ihm hastig die einzelnen Stücke ab und legt sie sich an.


Den Panzer her –


Ihn betastend.


sein Stahl

Ist gut –


Auf seine Brust deutend.


nicht eher wirds hier still, als bis

Er sie bedeckt. – Den Helm! – Gib mir den Schild!


Ihn mit großem Geschrei an den Boden werfend.


Verräterei! Verräterei! der Schild

Zerbricht!

ROSSAN.

Wie?

ERIK.

Herr, seht doch, es ist

Eur alter, wohlgeprüfter Schild und er

Ist fest und unzerbrochen!

GOTHLAND.

Fürwahr,

Er ists, – ich weiß nicht, was[107]

Mich anfiel! –


Beiseit.


Und dennoch zittre ich

Noch jetzt vom blinden Schreck!

ERIK.

So wart Ihr sonst nicht!

GOTHLAND.

Sprich nicht vom Sonst! –

Wir wollen die Verwirrung,


Zu Arboga.


Worin das königliche Heer

Durch Euren Übergang versetzt ist, nutzen,


Aufbrechend.


Zur Schlacht!


Er kehrt plötzlich wieder um.


Doch haltet! Erst will ich Wein trinken!

Holt ihn mir! heißen, feuerheißen Wein!


Irnak geht ab.


ROSSAN.

Was fehlt Euch, König?

GOTHLAND.

Nichts!


Für sich.


Mich

Ergreift ein unbekannt Gefühl, – die Feigheit

Ist es doch nicht?


Irnak kommt mit einem Becher Wein.


IRNAK.

Hier ist Wein.

GOTHLAND nimmt den Becher in die Hand.

– O, es war

Doch damals eine selge Zeit, als ich

Zu meinem Mut des Weins noch nicht bedurfte! – –


Er trinkt, setzt aber bald wieder ab.


Der Wein hat ja kein Feur; schaff heißren!

IRNAK.

Auf Erden wächst kein heißerer.

GOTHLAND.

So hol

Mir Branntwein! sengenden Branntwein!


Irnak ab.


GOTHLAND für sich.

– O,

Wie weit, wie weit ist es mit mir gekommen!

Von dem unedelsten Getränk des Pöbels,

Vom Branntewein muß ich mir Tapferkeit

Erbetteln! – O, mein Heldenruhm, mein mit

Dem eignen Blut erworbner Heldenruhm!


Laut.


Branntwein! Branntwein!


Irnak kommt mit Branntwein.


Bringst du ihn? Her damit!


Trinkt mit gierigen Zügen.


– Der Branntwein ist gut; ich hoff, er wirkt![108]

USBEK.

Beginnt der Kampf?

GOTHLAND.

Er mag beginnen!

ERIK bedeutungsvoll.

Gegen wen?

GOTHLAND ohne Eriks Frage gehört zu haben.

Was glänzt mir da so störend in die Augen? –

Der Ring der Treue ists, den mir mein Weib

An dem Altare gab, – ich trag

Ihn nun schon sechzehn Jahre, – heut

Würd er mich hindern in der Schlacht!


Er wirft den Ring auf den Boden und zertritt ihn.


ERIK.

Herr, da

Zertratet Ihr ein edles Herz!

GOTHLAND bezwingt seine Bewegung.

Es fahre wohl! –

– Die Erde trägt hier gute Saat: da liegt

Ein Schwert, – ich nehm es auf!

ERIK.

Jetzt nehmet Ihr

Dasselbe Schwert auf, welches Ihr vorhin

Wegwarfet, um den Vatermord zu meiden.

GOTHLAND.

Graukopf, du wagst sehr viel!

ERIK.

Erlaubt, man sagt,

Den Vatermördern wüchs die rechte Hand

Aus ihrem Grabe!

GOTHLAND.

Sklav! spricht nicht vom Gra – Hu! – Gebt

Mir langes Leben, langes Le –


Es donnert; Gothland verstummt voller Entsetzen.


ARBOGA.

Wovor

Erblaßt Ihr? – Donnernd sinkt die letzte Wolke

Des vorgen Ungewitters in das Meer.

GOTHLAND.

Ja ja, der bloße Donner ist es, – durch

Die Luftregionen heult er ohne Sinn!

ERIK.

Ohne Sinn?

GOTHLAND.

Ohne Sinn! –


Zu Usbek.


Ich seh dich auf

Den Wink zum Aufbruch harren, – wart nur noch

'Nen Augenblick. –

Arboga, könnt Ihr mir

Die Rechte nennen, die ein König hat?

ARBOGA.

Ein König hat gar große Rechte, als

Das Recht der Willkür, die Befugnis zur

Gewalt, das Recht des Völkermordes –

GOTHLAND.

Hat er

Das letztere?[109]

ARBOGA ohne Ironie.

Zum wenigsten ists von

Den Kön'gen ausgeübt, so lange als

Es Kön'ge gibt.

GOTHLAND.

Nur eins sag an:

Ist Völkermord ein Königsrecht?

ARBOGA.

Ich glaube es.

GOTHLAND.

Gottlob, Wir sind ein König!

– Jetzt frißt der Mensch die Fisch', da eigentlich

Die Fisch' ihn fressen sollten, – sorgen will ich,

Daß diesem Mißstand abgeholfen wird.

Den Ackerbau will ich befördern, dies Feld

Will ich mit Leichen düngen, damit

Das Gras wächst, – einer von den großen Ärzten

Der Menschheit, deren sie so sehr bedarf,

Die mit den einzigen Heilmitteln, die ihr fruchten,

Mit Feur und Schwert, mit Krieg und Pest sie heilen,

Einer von den gepriesnen Attilas,

Sullas und Cäsars will ich werden!


Kommandierend.


Infantrie vor!

Die Reiterei

Hält hinter ihr und reit't sie über, wenn

Sie zagt! –

Rossan, du stürmst des Feindes linke


Zu Irnak.


Und du die rechte Flanke,


Zu Arboga.


Ihr das Zentrum!


Schlachtmusik.


Mord ist frei! Keine Gnade! –

Er, der

Die Wölfe machte, ihnen Zähne gab,

Und einen heißen, niegelöschten Durst

Nach Menschenblut, er, der die Vipern schafft,

Und die Erdbeben aus den Tiefen ruft,

Wird uns entschuldigen!

Halloh, zur Schlacht!


Er geht; allgemeiner Aufbruch; kurze Pause, während welcher die Szene leer bleibt.


BERDOA tritt auf, die wildeste Leidenschaft in seinen Gesichtszügen und Bewegungen.

Was? Bin ich noch der Neger?[110]

Ist dies mein kampfgestählter Arm?

O gebt

Mir etwas zu vernichten, etwas zu

Vernichten – ja, vernichten! vernichten!


Er hat einen Dolch ergriffen.


Zerbrich! zerbrich! O wärens seine Knochen! –

Verdammte Träume! Seine Knochen sind

Es nicht! Es ist mein bester Dolch! Schmach! Fort

Gedanken! –

Sinne, öffnet eure Tore!

Sehn will ich der Sahara Meteore!


Fast mit Vision.


Ha! wie die Lavaström vom Ätna, fluten

Hoch vom Zenit die Sonnengluten!

In Feuer ist der Tag getaucht,

Verbrannte Asche ist die Luft, die Erde raucht,

Der Samum weht,

Und Mauritanias Karawan vergeht!

Der rote Löw, umflogen

Von eines Feuerkammes Wogen,

Schnaubt Mord, peitscht mit dem Schweif den Sand,

Stürmt als Komet der Wüste durch das Land!

Und als ihr Sternbild, furchtbar leuchtend,

Gleich dem Orion der Äquatornacht,

Tod kündend dem, der es erblickt,

Umfunkelt von des Felles Arguspracht,

Die blutgewaschnen Zähne weisend,

Sie mächtig aneinander schärfend,

Wie Netze seine Blick' auswerfend,

Mit glühndem Aug' die Beut umkreisend,

Schweift dort, mit einem Blutstreif ihn befeuchtend,

Der Königstiger seinen Pfad!

Und lauernd sich zusammenringend,

Zu einem Strudel sich verschlingend,

Umschnürt mit ungeheuren Reifen

Die Boa jeden, der ihr naht!

– Ein Samum will ich Gothlands Mark aufzehren,

Will seinen Stamm, will alles, was ihn nur beglückt,

Mit meinem Hauch versengen und verheeren, –

Ein Löwe, will ich ihn ergreifen,

Ein' Boa, will ich ihn erdrücken,[111]

Ein Tiger, reiß ich ihn zu Stücken –

– Nur Tiger? – der kann bloß den Leib versehren!

Das ist zu wenig, ich will mehr!

Denn auch das Seelenheil will ich zerstören

Für ihn sowie für seinen Samen! Amen!


Gustav tritt auf.


BERDOA.

Sein Sohn? Ein Dämon führt ihn zu mir her!


Er zieht sich zurück, und umschleicht den Gustav während des Folgenden beobachtend und lauschend, beinah auf die Weise eines Raubtiers.


GUSTAV.

Weh ihm, dem schon in seiner Jugend Tagen

Ein holdes Glück erschienen, – klagen,

Wenn es ihm untersank,

Muß er ein ganzes Leben lang!

BERDOA.

Er scheint betrübt zu sein, – was mag ihn quälen?

Viel Kluges ist es sicher nicht, – er hat

Noch keinen Bart!

GUSTAV.

Dort steigt er auf,

Der stille Zeuge unsrer Liebe,

Der Hesperus,

Und mit ihm die Vergangenheit!

Wie leuchtet er mir heut so trübe,

Wie golden flammte er in vorger Zeit!

– Auch sie

Steht nun wohl in dem Dämmerlichte,

Der Wehmut Zug in dem Gesichte,

Auf dem Altan, und denkt an mich

Und unsre Blicke treffen sich

(O süßer Traum!)

Im schönsten Stern am Firmament,

Sind wir auch sonst durch Berg und Tal getrennt!

BERDOA.

Ich habs, ich habs! er ist verliebt! Die Liebe

Ist Wollust; wer verliebt ist, der ist geil,

Ist Geck, ist schwach, ist Narr! – An dem hab ich

Schon im voraus das halbe Spiel gewonnen! –


Er geht auf Gustav zu, um ihn anzureden.


GUSTAV für sich.

Was will der Mohr?

BERDOA.

Ihr seid nicht in der Schlacht

Bei Eurem Vater, Prinz? Man wird

Euch das vorwerfen.[112]

GUSTAV.

Was ein Kind

Dem Vater schuldig ist, hab ich getan;

Ich bin auf sein Gebot ihm nachgefolgt

Und werd ihn nicht verlassen; doch nie kann

Er fodern, daß ich gegen meine Überzeugung,

Gegen mein Vaterland und gegen den,

Der Schwedens König ist, mein Schwert soll ziehn.

BERDOA.

Ihr meint also, Eur Vater wär Rebell?

GUSTAV.

Er ist mein Vater und ich bin sein Sohn.

BERDOA.

Du rührst mich, Jüngling; wohl, du hast ein Recht

Zu trauern!

GUSTAV.

Wohl o wohl! ein größres, als du denkst!

BERDOA.

Ein größres? – Kaum zu glauben –

Sollte etwa –

GUSTAV.

Still Mohr, denn du errätst es nimmer!

BERDOA.

Un-

Glückliche Liebe ists doch nicht?


Gustav wird heftig bewegt.


Ist sie's?

Und glauben konntest du, daß ich sie nicht

Erriete, weil ich Neger bin? – O schlecht

Kennst du der Liebe Zaubermacht! Sei weiß,

Sei schwarz, du führest ihre Farbe! Am

Äquator lieben wir wie hier, nur glühnder,

Wie dort denn alles glühnder ist.

GUSTAV.

Ja, besser

Hätt ich der Liebe Allmacht kennen sollen,

Als einen Augenblick an ihr zu zweifeln.

– Ein Einsamer bin ich in diesem Heer,

Mein Vater höhnt mich, wenn er mich bewegt sieht,

Und seine rohen Krieger kennen kein Gefühl –


Indem er Berdoas Hand faßt.


Da muß ich einen Neger finden, der mir

Erzählt, daß auch die heiße Zone liebt,

Der mich versteht, der meinen Schmerz begreift.

Selma, des Schwedenkönigs hehre Tochter,

Die hehre Selma liebt ich mit der Seligkeit

Der ersten Liebe, und sie liebte mich!

Mein Vater aber, fliehend von

Des Bruders Leiche, riß auf ewig mich[113]

Von dannen!

BERDOA.

Du warst wohl recht selig?

GUSTAV.

Fragst

Du noch? – Drei Jahre sind es nun, als ich

An einem Frühlingsmorgen schweifte durch

Upsalas neuverjüngte Flur; ich war

Wie Knaben sind, nicht glücklich und nicht un-

Glücklich; – Aurora streute Goldstaub auf

Die grünen Matten, – sehnsüchtig dämmerte

Des Horizontes duftgewobne Bläue,

Die Wälder knospeten, die Rosen schwellten, –

Ich sah es nicht –

Des Hains Gefieder sang,

Ich hört es nicht, –

Da schwebte eine Nie-

Geseh'ne grüßend mir vorüber, – es

War Selma – sie erging sich auf den Blumenwiesen –

Ich sah sie! – – und

Zum erstenmale hörte ich

Die Nachtigallen schlagen,

Sah ich die Rosenbüsche blühen,

Sah ich des Äthers Höhen schimmern,

Und eine andre Sonne stieg

Im Osten mir empor!

Nur wer geliebt hat, weiß es, was

Der Frühling ist!

BERDOA.

Ja wohl! ja wohl! nur wer

Geliebt hat, weiß es, was ein Affe –

Was, was

Der Frühling ist!

GUSTAV.

Von Liebe flüsterten

Die Ähren, Liebe rief des Donners Hall!

Ich glaubte an Unsterblichkeit, an Gott,

An Glück, an alles Große und

An alles Gute!

Die Sonnen flogen auf und nieder,

Die Stunden hatten Morgenröten,

Die Auen waren Paradiese, – und

Wenn ich auch weinte,

So weinte ich vor Freude!

BERDOA.

Ist Selma schön?[114]

GUSTAV.

Das weißt du nicht? – O, ich beklage dich! –

Als Herrlichste von allen,

Als eine Kön'gin steht

Sie unter den Gespielinnen! fürs Diadem

Ist ihre Götterstirn gebildet! seidnes Haar

Umschmückt ihr lichtes Haupt

Mit goldner Fülle, Hoheit strahlt

Aus ihrem Auge, Anmut wohnt

Auf ihrem Mund, – mein Leben würf ich weg

Für einen Kuß auf ihre Lippen!

BERDOA.

Wenn sie nun aber aus dem Halse stänke?

GUSTAV.

Wie Neger?

BERDOA.

O du Geck der Gecken, Narr

Der Narren! Deine Göttin ist ein Mensch

Wie du! Hat sie auf ihrem Kopf viel Haare,

Was du so rühmst, so hat sie sicher auch

Viel Ungeziefer drauf, und ihre Nas

Ist schleimig, wie die Nasen andrer Leute!

Sie trinkt und ißt so gut als du

Und so wie du gibt sie's auch wieder von sich!

GUSTAV.

Schäme dich!

BERDOA.

Lüg ich denn? – Schäm du dich, weil

Du ohn Erröten eingestandest, daß

Du liebest!

GUSTAV.

Mich der Liebe schämen, die

Das Höchste auf der Erde ist?

BERDOA.

Das Höchste?

Aufs Kindermachen läufts hinaus! –

Was liebt

Ihr denn am Weib? Etwa den Geist?

An einer Gans? – Ich glaub es kaum; und wär

Es wahr, – weshalb liebt ihr denn nie 'nen Mann?

Ihr liebt das Fleisch! siehts Fleisch nur hübsch, so denkt

Ihr euch die Seele schon hinzu! – Doch das

Empört mich nicht; allein, wenn ihr den Trieb,

Den ihr mit Kröte, Katz und Hund gemein habt,

Zu einer Tugend macht und göttlich nennt,

Pfui, das ist unerträglich!

GUSTAV.

Im Namen der Geliebten und der Liebe:

Zieh deinen Degen heuchlerischer Mohr![115]

BERDOA tuts und schlägt ihm den seinen aus der Hand.

Da liegt der deine! –

Lehrte Selma dich

Das schlechte Fechten? Besser solltet ihr

Die Männerwürde ehren, als

Zu Dienern eines Weibes euch erniedrigen!

GUSTAV.

Dein Arm ist stärker als der meine, weil

Er dreißig Jahre älter ist; drum rühm

Dich nicht; der Liebe bleib ich treu!


Geht ab.


BERDOA.

Ja, bleib

Ihr treu! bleib ihr nur treu! das wünsch ich eben!

Ein Schritt nur ists, der von der Liebe zu

Der Unzucht führt! – – Ich kenne unter

Den Christen gar nicht wen'ge Laffen, die

Im selben Sinn, in welchem sie

Von ihrem Mädchen sprechen, Gott

Die Liebe nennen! – Dieser Knabe schien

Zu ihnen zu gehören! – Ich

Bin lange Zeit als – als Sklav

In Griechenland und in Italien

Gewesen; nicht umsonst hab ich

Dort mancherlei erfahren und gelernt;

Ich kann's mitunter brauchen, wenn

Ich so ein europäsches Schneegesicht

Zu Grunde richten will! – Ich will

Ins Künftige mich fest

Und fester an den sehnsuchtgirrenden

Gelbschnabel drängen: erst verführ

Ich ihn mit Hülfe seiner Liebe

Zur Hurerei; dann wiegle ich

Ihn gegen seinen Vater auf; dann –


Irnak kommt.


BERDOA.

Wie steht es in der Schlacht, Freund Irnak?

IRNAK.

Der neue König siegt!

BERDOA.

Gott quäl ihn!

IRNAK.

Rossan,

Der neugebackne Oberfeldherr, fragte

Nach Euch, und stampfte mit dem Fuß, als er

Vernahm, Ihr wärt nicht da!

BERDOA.

Der Narr!

IRNAK.

Er drohte[116]

Euch exemplarisch zu bestrafen

Und läßt Euch durch mich rufen.

BERDOA.

Gut;

Schon gut, – zu etwas anderem; wie geht

Es deinem hübschen Nachtgeschirre?

IRNAK.

Nacht-

Geschirre?

BERDOA.

Nu, ich mein' das wohlgebaute,

Breithüftge Christenmädchen, welches du

Vergangnes Jahr im Schwedenkrieg

Erbeutet hast.

IRNAK.

Ihr meint das blonde Milchen?

BERDOA.

Ja ja! Emilie Scherwenz!

IRNAK.

Ho,

Da habt Ihr Recht! die ist ein Nachttopf!

Sie sitzt in meinem Zelte; wenn

Ihr pissen wollt, so steht sie Euch zu Diensten!

BERDOA.

Was treibt sie denn?

IRNAK.

Sie melkt die Männer!

BERDOA.

Sie war damals recht üppig-schön; ist sie

Es noch?

IRNAK.

Wo sie vorbeigeht, springen

Die Hosenknöpfe los!

BERDOA.

Wenn sie nur fett ist!

IRNAK.

Ihr solltet ihren weißen, blühnden Nacken,

Auf dem sie doch so häufig liegen muß,

Und ihre vollen Arme sehn; auch ihr –

BERDOA.

Hat sie 'ne tüchtige?

IRNAK.

Man kann darin

Die Stiefeln ausziehn!

BERDOA.

So befiehl der Dirn,

Daß sie sich kostbar schmücke; ich bezahle alles;

Durchsichtger Flor umschatte ihre Brüste –

Ein seidenes Gewand vom feinsten Stoff

Umschließe ihren Leib so enge, daß

Man jeden Atemzug bemerken kann,

Und eine Silberspange, welche beim

Geringsten Druck des Fingers auffliegt

Und es verrätrisch öffnet, halte es

Fürerst zusammen. – – So erwartet sie

Die Nacht; dann wird der junge Gothland zu[117]

Ihr kommen, und sie fragen, ob

Sie bei der schwedschen Königstochter Selma

In Dienst gestanden; sie bejaht es, spricht

Mit Überschwenglichkeit von der

Prinzessin, schwärmt empfindsam

Von Frühlingsblum und Abendstern,

Von goldner Zeit und selgen Stunden;

Die Liebe sei des Lebens höchstes Gut,

Ein Tor nur sage, daß

Die Liebe irdisch oder sinnlich sei;

Behüte Gott! die Liebe sei vielmehr

Unsterblich, heilig, ewig, geistig! – Hier

Wird sich der Bube nicht mehr halten können,

Entzückt, begeistert, weinend wird

Er in die Arm' ihr fallen, ihr beistimmen,

Mit »himmlisch« und mit »göttlich« um

Sich werfen, wie mit Straßendreck,

Venus Urania sie heißen

Und – – ihr vor Wollust in die Brüste beißen!

Sie aber lehrt ihn dann,

Was in natura eigentlich die Liebe ist!

IRNAK.

Hoho, hat sie ihn erst in Armen,

So nimmt sie ihn auch zwischen ihre Beine!

BERDOA.

– Ich kenne viele, die in Zweifel waren,

Ob ich auch Mensch; daß ich ein Satan sein kann

An deinem Sohne, Gothland, sollst du das erfahren!


Er geht mit Irnak ab.


Quelle:
Christian Dietrich Grabbe: Werke und Briefe. Band 1, Emsdetten 1960–1970, S. 74-118.
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