[358] Die Höhen der Dörenschlucht
Das deutsche Heer auf ihnen gelagert. Große Feuer. Das Volk sitzt auf Holzblöcken um sie herum, singt, würfelt, und trinkt, trotz des starken Regenwetters. Strohbündel behufs des Übernachtens werden herbeigeschleppt.
VIELE.
Towitt,
Tohu,
Roms Leichenvögel singen!
Zwei Cherusker liegen an einem Feuer und würfeln.
ERSTER schürt das Feuer. Das knistert und prustet. Kriegts Feuer auch den Schnupfen?
ZWEITER. Wirf!
ERSTER. Neun! Gut stehen sie!
ZWEITER wirft. Zehn! Besser sind sie! Bezahle.
ERTSER. Ich habe keinen Pfennig bei mir. Du bekommst meine Kuh.
ZWEITER. Gut.
ERSTER. Fahren wir fort. Ich setze meine Wiese.
ZWEITER. Ich meinen Brink. Sie würfeln. Die Wiese ist mein.
ERSTER. Donner und Wetter, jetzt wag ich Haus und Hof!
ZWEITER. Auch ich mein Gehöfte. – – Ich habe gewonnen.
ERSTER. Du betrogst mich vor zwanzig Jahren mit einem Scheffel Mehl. Es war eine Metze Sand hineingemengt.
ZWEITER. Laß diese alte, lügnerische Geschichte. – Hören wir auf mit dem Spiel?
ERSTER. Glaubst du, mich hätte ein toller Hund gebissen?[358] Ich habe verloren und muß wieder gewinnen!
ZWEITER. Du hast ja nichts mehr einzusetzen.
ERSTER. Weib und Kind!
ZWEITER. Wohl. Ich setze alles, was ich bisher von dir gewonnen habe, dagegen. – – Ich bin im Glück, sie sind mein.
ERSTER. Nun – o heilge Freiheit verlaß mich nicht – setz ich mich!
ZWEITER. Ich mich gleichfalls. – – Da! du hast verloren und bist mir leibeigen samt deiner Familie. Ihr sollt es aber nicht schlecht bei mir haben.
ERSTER. Wenn die Metze Sand nicht in dem Scheffel gewesen wäre, glaubt ich dir.
ZWEITER. Dein Schicksal tut mir leid. Indes Spielschuld erläßt man nicht, sonst rächt sie sich an dem Verächter und man gewinnt nie wieder.
ERSTER. Aber mein Heerdienst?
ZWEITER. Den mußt du so gut erst leisten wie ich. –
Viele Brukterer, Tenkterer, an einem anderer Feuer. Hinter den Tenkterern ihre angebundenen Pferde.
EIN TENKTERER. Da Gaul sauf! Die Bestie macht mir Durst, so behaglich schlürft sie den ganzen Trankeimer aus. Er setzt sich zu den übrigen. Met!
Sie wälzen ihm eine Tonne Met vor.
Schön. Wenn ich mit der fertig bin, werd ichs mit mir gewiß sein. – Habt ihr denn keine Becher oder Gläser?
EIN BRUKTERER. O ihr feinen Rheinländer, nippt ihr schon aus den winzigen römischen Geschirren? – Wir denken, je frischer vom Faß, je besser im Hals. Leg dich vors Spundloch. Du sollst spüren wie's dir daraus zu Kopf steigt.
DER TENKTERER schlürft aus dem Spundloch. Ich spür und spüre, und möchte bis auf den Grund spüren, doch das geht nicht. Er liegt besinnungslos da.
HERMANN ist aufgetreten, und übersieht das Lager. Zu den Knechten. Mehr Wasser ins Met gemischt. Die Kerle sind mir sonst morgen früh alle schlaftrunken.
EIN KNECHT. Herr, das Wasser merken sie –
HERMANN. Ach was, haben sie nur ein nasses Maul, kommts ihnen auf die Güte des Getränks nicht an.
Knechte ab.
Hier zechen oder gar schlafen, kann ich nicht. Ich will[359] mich an diese alte Rüster von Eiche lehnen und so die Nacht durchwachen. – Sollte mir das Wagstück gelingen? Noch haben wir sie nur zurückgeschlagen, nicht überwunden. – – – Wie der Sturm in den Ästen heult und die Wolken hin und her über den Wald jagen, wilde, gespenstische Reiter mit wilden Gesichtern! – Ah, da auf einen Augenblick der Mond, aber wie trübrot, und weg ist er wieder – Verlören wir, sie rotteten ganz Deutschland aus, und machten es zur Kolonie. Man kennt sie. – Es wird still. Die Leute senken die Häupter und schlafen ein.
Nach langer Pause.
Schon ist es weit über Mitternacht, und will noch der Morgen nicht kommen? Er wird blutig werden, aber ich hab ihn immer lieber, als diese wüste Stille, worin ich unter Tausenden vielleicht allein nur für sie alle sorge und denke – –[360]
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