Schluss

[378] Rom. Palatium. Säulenhalle darin. Abend. Brennende Kerzen.

Augustus schlummert im Hintergrund auf einem Polster Tiberius und Livia im Vorgrund.


TIBERIUS. Sprich leiser, Mutter, und schluchze nicht so laut. Laß uns still an seinen Schläfen wachen, – sie sind die müden Seiten einer Welt, die er lang beherrschte.

LIVIA. Und man sagt: ich hätte ihn vergiftet, damit du frühzeitiger den Thron bestiegst.

TIBERIUS. Nenne mir die Calumniatoren und sie sind erwürgt.

LIVIA. Ich ihn vergiften? Was hätt ich davon? Doch alberne Jungen, und gelehrte noch dümmere Geschichtschreiber, welche nie aus der Stube gekommen sind, werden das Gerücht als Wahrheit annehmen und verbreiten. – Ich ihn vergiften? Du, mein Sohn, wirst mir ein strengerer und kargerer Herrscher sein als er.

TIBERIUS. Du behältst den Titel Augusta. Dein Wittum wird anständig sein. Mit den Mühen deiner bisherigen Art von Mitregierung werd ich dich künftig auch nicht plagen.

LIVIA für sich. Das dacht ich!

AUGUSTUS erwacht. Wo ist Tiberius?

TIBERIUS. Er kniet zu deinen Füßen.

LIVIA. Gemahl, wie ist dir?

AUGUSTUS. Der nahe Tod streift die Welt von mir ab, als wäre sie mir mit ihren Sonnen und Sternen nur eine bunte Schlangenhaut. – Tiberius, steh auf. Ich bedaure dich. Dir, meinem Thronerben, wird ein furchtbares Los. Ich hatte viel Glück in meinem Leben, und konnte milde tun, weil alles noch in Gärung war, und ich nur nach Belieben zu mischen hatte. Nach meinem Tode werden alle niedergedrückten Patrizier und Optimalen sich erheben, und dir, den sie für einen Neuling ansehn werden, das junge Kaisertum[378] streitig machen, um in den Wogen einer Republik ihre Vorteile zu erfischen. Halte mit dem Volk und dem Pöbel, nicht mit den Vornehmen und Reichen. Pöbel und Volk sind so gut von ihnen belästigt als wir Kaiser und bilden unsre sicherste Hülfe.

TIBERIUS. Ich danke dir für deine Lehre. Ich will den hohen Häuptern schon auf den Kopf schlagen.

AUGUSTUS. Klatscht in die Hände! Hab ich meine Rolle in allen Verhältnissen nicht gut gespielt? Livia, sei ruhig. Es tritt nur ein Schauspieler ab.


Waffengerassel der Prätorianer draußen im Vorhof.


AUGUSTUS. Welcher Lärm unter meiner germanischen Leibwacht stört mich an den Pforten des Todes?

EIN HAUPTMANN DER PRÄTORIANER läßt sich anmelden und kommt nach erhaltener Erlaubnis in den Saal. Herr, wir bitten um Entschuldigung. Nur Freude wars, die unsre Waffen so erschütterte. – Deine drei besten Legionen unter Varus sind nebst ihm ganz und gar von unsrem Hermann vertilgt, und ich bin von meinem Obersten befehligt, es dir zu melden. – Doch wenn uns diese Begebenheit auch lieb ist, zweifle nicht an unsrer Treue. Wir haben dir geschworen.

AUGUSTUS. Bei euch gilt noch ein Eid?

DER HAUPTMANN. Wir halten dran. Ab.

AUGUSTUS sich mühsam aufrichtend. Varus, Varus, gib mir meine Legionen wieder!

LIVIA UND TIBERIUS. Mäßige dich.

AUGUSTUS sinkt wieder hin. Ihr habt eben auf mein Ersuchen nicht in die Hände geklatscht, tuts jetzt gar nicht. Die drei Legionen waren die lebendigen kräftigsten Mauern des Reichs gegen das unermeßliche Germanien. Es wird nun bald seine Völker wie verwüstende Hagelwetter auf unsren Süden ausschütten.

LIVIA. Schone dich!

AUGUSTUS. Warum mich schonen? Ich sehe keinen Grund mehr unter mir, wenn mein Land untergeht Mit brechender Stimme. Sechshundert und vierzig Jahre stand Rom, als es unter Metellus und Papirius Carbos Konsulat zum ersten Mal hörte, daß die Kimbrer gegen es in Waffen seien, – wir vertilgten sie, – doch an Deutschland selbst bezwangen wir mehr als hundert Jahre umsonst, – weder der flüchtige[379] Scythe noch der ebenso leichtfertige Parther wehrten sich gleich den freien, wie ihre Eichen auf ihrem Boden eingewurzelten Germanen. – Ihr lächelt? Glaubt mir, Rom altert wie sein Gottesdienst. Es beginnt eine neue Zeit. Nicht bloß aus dem Norden, auch aus Osten naht sie. Der Schilf des Jordans flüstert wunderbare Sagen. Herodes schreibt mir: drei Könige aus Äthiopien, Arabien und Indien hätten einen Stern gesehen, der ihnen mit Strahlen nach Bethlehem gewinkt haben soll. Sie sind dem Stern gefolgt, sind dort zusammengetroffen, und haben ein Kindlein gefunden, zwar nur in einer Krippe liegend, doch samt seiner Mutter umleuchtet von nie geahntem Himmelsglanz. Man sagt dort schon: unsre Götterlehre sei Posse, und dieses Kind sei der rechte Sohn der rechten Gottheit.

TIBERIUS. Ich werde dem dortigen Präfekten Pontius Pilatus und dem Judenkönig Herodes aufgeben, daß sie dieses Kind sobald als möglich aus dem Wege räumen.

AUGUSTUS. Ihr machts dadurch nur schlimmer – Der Gedanke an seine Sendung ist im Volk und je mehr ihr das Kind verfolgt, so größer wird es. Jesus Christus nennt man den Wunderknaben.


Er stirbt.


Quelle:
Christian Dietrich Grabbe: Werke und Briefe. Band 3, Emsdetten 1960–1970, S. 378-380.
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