Auf die Wunder-Ubung / an dem Taub-Stumm-und Blinden

[126] Was ists Wunder / daß der Stumm' alsobald zu reden pfleget:

weil des Wortes Lebens-Quelle / Christi Mund / ihm einen Safft

durch bespürzen mitgetheilet / welcher löst der Zungen hafft /

und den Finger / der die Welt selbst erschuff' / auf ihn geleget?

solt des Herren Donner-Wort / das die Felsen selber reget /

nicht auch in des Tauben Ohren haben gleiche Wunder-Krafft?

der die erste Haupt-Bewegung in den Himmels-Kreißen schafft /

macht auch leichtlich / daß / der Blind / seiner Augen Glanz beweget.

Seine Werk' / auch also löblich / wie sie seyn / will er doch nicht /

daß man sie durch Lobes-Schall mache durch die Welt erklingen.

Je mehr man die Flamme birget / je viel heller sie ausbricht;

ziehet man den Bogen stark / nur die Pfeile weiter springen;

so das Lob durchdringt die Wolken deiner Demut / sagt mit Pracht:

Du / den alle Welt soll ehren / hast es alles wol gemacht!

Quelle:
Catharina Regina von Greiffenberg: Geistliche Sonnette, Nürnberg 1662, S. 126-127.
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